Der Staat stützt die Banken – wer profitiert von der Finanzkrise?

10. November 2008  Politik
Geschrieben von Helmut Johach

In einem beispiellosen Eilverfahren wurde im Oktober d.J. von Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück ein Gesetz durch den Bundestag und die Länderkammer gepeitscht, das Banken, die sich im globalen Kasino verzockt haben, Bürgschaften und Kredite in Höhe bis zu 500 Milliarden Euro garantieren soll. Vergessen waren mit einem Mal alle Vorstellungen von Haushaltskonsolidierung; zur Rettung der Banken „muss“ der Staat das Steuergeld der Bürger verbraten und notfalls neue Schulden in astronomischer Höhe auf sich nehmen.

Vollmundig verkündete zuvor die Kanzlerin, die Spareinlagen der Bürger seien sicher – ein Spruch, der fatal an die Zeit erinnert, als Gleiches von den Renten behauptet wurde. Nur mit dem Unterschied, dass die Finanzkrise derzeit vor allem die Anleger betrifft. Wer sein Geld für die private Altersvorsorge in amerikanische Pleite-Fonds gesteckt hat, muss damit rechnen, dass es weg ist.

Längst hat die Krise auf den Finanzmärkten auch die reale Wirtschaft erfasst: Es wird weniger investiert und konsumiert, die Auftragsbücher von bis dato „gesunden“ Unternehmen schrumpfen, die Aktienkurse rauschen in den Keller, führende Autofirmen verordnen Produktionsstopps, die Arbeitslosigkeit nimmt zu und die Realeinkommen der abhängig Beschäftigten, die vom angeblichen „Aufschwung“ der Wirtschaft in den vergangenen Jahren ohnehin kaum profitiert haben, sacken weiter ab. Es gehört keine Prophetie dazu, um vorauszusagen, dass auch die Zahl der Hartz-IV-Haushalte, denen bereits jetzt das Wasser bis zum Hals steht, drastisch zunehmen wird. Und das bei unverschämt hohen Managergehältern, über deren versuchte „Deckelung“ durch den Finanzminister (wohlgemerkt: nur bei Banken, die die Staatsknete in Anspruch nehmen wollen!) Leute wie Ackermann nur lachen können. Diejenigen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, indem sie mit ihren Finanzspekulationen ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reißen, werden dafür auch noch fürstlich belohnt, anstatt dass man sie zur Verantwortung zieht und sie mit ihrem Privatvermögen für den angerichteten Schaden haften lässt. Für Maßnahmen gegen die Kinderarmut und für eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze ist dagegen kein Geld da.

Ausgelöst wurde die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die alle bisher bekannten Dimensionen zu sprengen droht, durch das Platzen der Immobilien-Blase in den USA. Nach Art eines Domino-Effekts bedroht der Zusammenbruch des amerikanischen Immobilienmarktes das weltweit vernetzte Bankensystem und die davon abhängige Wirtschaft in Europa und Fernost. Mit den vorgesehenen Stützungsmaßnahmen, die den Steuerzahler Milliarden kosten, versuchen die Regierungen in der EU den befürchteten finanziellen GAU, die „Kernschmelze“ des kapitalistischen Systems, zu verhindern.

Bei alledem ist eines sonnenklar: Die neoliberale Ideologie, dass der Markt schon alles richten werde und der Staat sich aus dem Finanz- und Wirtschaftssektor tunlichst herauszuhalten habe, hat sich selbst ad absurdum geführt. Ausgerechnet Alan Greenspan, der frühere Chef der US-Notenbank, der sich wie kein anderer für die Deregulierung der Finanzmärkte eingesetzt hat, erklärt heute, dass er einem grandiosen Irrtum aufgesessen ist. Und Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, hält die staatliche Absicherung der Banken für notwendig, auch wenn er süffisant lächelnd hinzufügt, dass sein Geldinstitut diese Unterstützung selbstverständlich nicht benötige. Kein Wunder, denn er gehört ja zu den Gewinnern der Branche, die riskante Fonds rechtzeitig abgestoßen haben und nur darauf warten, sich schwächelnde Konkurrenten – z.B. die Postbank – zu einem Spottpreis unter den Nagel zu reißen. Es geht wie immer nach dem Motto: Die Großen fressen die Kleinen. Wir können also damit rechnen, dass die Kapitalkonzentration und damit die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht durch die Krise weiter zunimmt.

Kann man hoffen, dass die Politik durch die beschlossenen Stützungsaktionen wieder stärkeren Einfluss auf das Finanz- und Wirtschaftsgeschehen nimmt, anstatt sich, wie bei der Hartz-IV-„Reform“, zum bloßen Erfüllungsgehilfen zu machen? Leider ist hier eher Skepsis angebracht. Beim Weltwirtschaftgipfel war viel von der Funktionsfähigkeit des Kapitals, wenig von sozialer Gerechtigkeit die Rede. Der Ruf nach dem Staat erfolgt immer nur dann, wenn es darum geht, Verluste zu sozialisieren. Die Gewinne aus der vorangegangen Phase der Schein-Prosperität bleiben dagegen in privater Hand – in Luxemburg, auf den Kaiman-Inseln und anderswo.

Die Folgerung kann nur lauten, dass die Banken entmachtet und zentrale Bereiche der sozialen Sicherung und der Wirtschafts- und Sozialpolitik dem Einfluss der Finanzmärkte entzogen werden müssen.

DIE LINKE fordert deshalb:

  • eine effektive Kontrolle der Finanzmärkte durch die dafür vorgesehenen nationalen und transnationalen Institutionen;
  • eine Konzentration des Bankgeschäfts auf die Vergabe von Krediten zum Zweck der realen Wirtschaftsförderung anstelle des Handels mit Derivaten
  • die Einführung einer generellen Devisen-Transaktionssteuer, um Spekulationsgewinne auf Grund von Währungsdifferenzen zu unterbinden;
  • die Schließung der Steueroasen;
  • einen klaren Stopp für die Auslieferung von Gemeineigentum an die Börsenspekulation (z.B. bei der Bahn AG).

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