
Wie das Ende des Zweiten Weltkriegs außerhalb Deutschlands begangen wird, zeigen Tim Schleinitz und Constantin Hühn in ihrem Vortrag „Europäische Perspektiven. Die umkämpfte Deutung des 8. Mai“.
Sieg oder Unterdrückung
Zu Sowjetzeiten war in den Ländern des ehemaligen Ostblocks der 9. Mai der „Tag des Sieges“ der Roten Armee über Nazi-Deutschland. In allen sowjetischen Teilrepubliken galt er somit als ein arbeitsfreier Feiertag. Nach 1991 wurde die Rote Armee jedoch als Vorbote neuer Unterdrückung wahrgenommen und Länder wie Estland oder Moldau betonten deshalb ihre eigene nationale Geschichte jenseits des sowjetischen Narrativs. Als Reaktion kam es oftmals zu einem starken Antikommunismus, der Nationalsozialismus und Kommunismus gleichsetzte. Tschechien, Polen und die Slowakei schafften den 9. Mai als Feiertag gänzlich ab oder verlegten ihn auf den 8. Mai. In den baltischen Staaten wird am 9. Mai nun der „Europatag“ gefeiert.
Unabhängiges Jugoslawien
Die Länder des ehemaligen Jugoslawiens hatten sich durch eine Partisanenbewegung unter Josip Tito – unabhängig von der Roten Armee – von den deutschen und italienischen Besatzern befreit. So wurde in allen Teilrepubliken – Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Serbien und Mazedonien – der jeweilige Tag des Aufstandsbeginns gefeiert. Der 9. Mai galt als ein allgemeiner Feiertag in der gesamten Föderativen Republik. Nach dem Zerfall des sozialistischen Staatenbunds und den blutigen Bürgerkriegen gedenkt man mancherorts Nazi-Kollaborateuren als „Opfer der Partisan*innen-Gewalt“. Das geht einher mit dem Erstarken neofaschistischer Akteur*innen.
Februar 2022 und die Folgen
In Bulgarien wird seit 2003 dem einstigen Kriegsminister Christo Kukow, einem Verbündeten des nationalsozialistischen Deutschlands, mit Fackelmärschen gedacht. Mit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde in vielen weiteren postsowjetischen Ländern alles aus dem öffentlichen Raum entfernt, was an die Sowjetzeit erinnerte. So sollen nun in Estland auch verschiedene russische Symbole verboten werden. Die Staatsführung der Russischen Föderation unter Wladimir Putin hingegen versucht, alles Sowjetische für sich zu vereinnahmen. Jede*r, der*die das infrage stelle, laufe Gefahr, als „Nationalsozialist*in“ gebrandmarkt zu werden.
Russische Lügen
So unterstellte man während des Angriffskriegs der so genannten „faschistischen“ ukrainischen Nationalbewegung, sowjetische Kriegsdenkmäler zu zerstören – was jedoch nirgends der Fall war. Denn bei dieser Behauptung hatten die russischen Invasoren geflissentlich übersehen, dass zahlreiche Soldat*innen der Roten Armee im Kampf gegen die Wehrmacht Ukrainer*innen waren. „Putin hat nichts mit der ehemaligen Sowjetunion zu tun“, äußerte sich die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch zum russischen Präsidenten. Und Krunoslav Stojakovic, Referent der Rosa-Luxemburg-Stiftung für West-, Südost- und Mittelosteuropa fragte: „Was bedeutet der Slogan ,Nie wieder“, wenn so etwas wie der russische Überfall auf die Ukraine passiert und man fast gar nichts tut, um die Ukraine zu unterstützen?“
Weiterführende Links:
- RLS (8.5.2025): Europäische Perspektiven. Die umkämpfte Deutung des 8 Mai – https://www.youtube.com/watch?v=pOD82WN3Dgg
- Die Linke SC-RH (21.5.2025): Der 8. Mai als „Tag der Befreiung“ – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/der-8-mai-als-tag-der-befreiung/
- Die Linke SC-RH (2.6.2025): Der 8. Mai in Deutschland – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/der-8-mai-in-deutschland/