Hertha Gordon-Walcher und der Sozialismus

10. Dezember 2024  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Grab von Jacob und Hertha Walcher (Wikimedia: ViennaUK, CC BY-SA 4.0)

Die Zweifel einer Kommunist*in an der DDR und den Kampf für eine vereinte Arbeiter*innenklasse beschreibt Regina Scheer in ihrer Biografie über Hertha Gordon-Walcher. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen lud die Preisträgerin der Leipziger Buchmesse zu einer Lesung ein.

Warum die DDR?

„Als ich jung war, ist es ein ständiges Thema gewesen, warum die alten Kommunist*innen dieses System der DDR unterstützt haben“, erklärte die 1950 geborene Regina Scheer. Und kommt auf den Titel ihres Buches über Hertha Gordon-Walcher zu sprechen, das den Namen trägt „Bittere Brunnen. Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution“.

Der bittere Brunnen

Dieser bezieht sich nämlich auf eine Begebenheit aus dem 2. Buch Mose (2. Mo. 15,23-25). Bei ihrem Marsch durch die Wüste stoßen die Israelit*innen bei Mara zu einem Brunnen. Fast verdurstend wollen sie dessen Wasser trinken, was sich jedoch als bitter und ungenießbar erweist. Nachdem Mose jedoch Hölzer in das Wasser geworfen hatte, wird der Brunnen trinkbar und sie können gestärkt weiter durch die Wüste ziehen in der Hoffnung, das Gelobte Land zu finden. „So erscheint mir das Leben der Kommunist*innen im 20. Jahrhundert“, kommentierte Scheer. Sie träumten von einem Leben in klaren Wassern, stünden jedoch immer wieder vor einem bitteren Brunnen.

„Rechtsabweichler“ und Oppositionelle

Gordon-Walcher wurde in eine jüdische Familie in Königsberg geboren und hatte seit 1914 Kontakt zu Clara Zetkin. Dank dieser kam sie 1918 nach Moskau, wo sie Wladimir Lenin traf. Zurück in Deutschland trat sie der KPD bei und traf in den 20er Jahren auf Jacob Walcher. Beide wurden wegen ihrer Kritik an fehlender Demokratie in der Sowjetunion 1928 als „Rechte“ aus der KPD ausgeschlossen, worauf sie die KP-Opposition (KPO) gründeten. 1932 wechselten sie zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschland (SAP), der auch der junge Herbert Frahm (Deckname: Willy Brandt) angehörte.

Stalinistische Säuberungen

„Er hat erlebt, wie ein Freund durch den sowjetischen Geheimdienst ,verschwand‘“, schilderte Scheer Brandts Erlebnisse als Korrespondent während des Spanischen Bürgerkriegs aufseiten der Republik. Auch die Walchers spürten in den 20er Jahren die Intrigen innerhalb der KPD, die bis zur Vernichtung der anderen Fraktion gingen. „Sie wussten, was in der Sowjetunion unter Stalin geschehen war – da hatten sie keine Illusionen“, kam sie auf die stalinistischen Säuberungen und große Schauprozesse zu sprechen.

Frankreich, USA und DDR

In der SAP versuchten linke Sozialdemokrat*innen und oppositionelle Kommunist*innen eine gemeinsame Front gegen den Nationalsozialismus zu bilden. Während die Walchers 1933 nach Paris ins Exil gingen, lautete der Auftrag des 19-jährigen Brandts, in Norwegen das Auslandsbüro der Partei zu koordinieren. Doch während dieser nach Kriegsende in den Westen ging, der SPD beitrat und schließlich Bundeskanzler der Bundesrepublik wurde, entschlossen sich die Walchers nach der Rückkehr aus den USA, in die sowjetische Besatzungszone zu ziehen.

„In schlechten Händen“

„Heute denke ich, sie hatten kein anderes Land, in das sie gehen konnten“, überlegt Scheer. Und gibt einen Kommentar Jacobs, der 1951 auch aus der SED ausgeschlossen wurde, gegenüber der Regierung des Arbeiter- und Bauernstaates wider: „Unsere gute Sache liegt oft in schlechten Händen.“ Jacob starb 1970, Hertha am 27. Dezember 1990. Für ihr Buch wurde Scheer 2023 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse/Sachbuch und Essayistik ausgezeichnet.

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