Das Leben Leo Trotzkis, sein Buch „Die permanente Revolution“ und mögliche Lehren für die Gegenwart waren Thema bei der 38. Folge des Theorie-Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Sozialrevolutionär und Häftling
Lew Dawidowitsch Bronstein wurde 1879 in der Nähe des ukrainischen Cherson geboren, trat mit 17 Jahren den „Volkstümlern“ (Narodniki) bei, einer sozialrevolutionären Bewegung, die in der bäuerlichen Dorfkommune das wichtigste Elemente einer sozialistischen Gesellschaft sah. Nach dem Abitur war er im südrussischen Arbeiter*innenbund aktiv und wurde 1898 nach Irkutsk verbannt. Er wurde Vater zweier Töchter, vertiefte sich in die Schriften Marx‘ und floh aus der Verbannung, wobei er sich für seinen gefälschten Pass mit „Trotzki“ den Namen eines seiner Wärter zulegte.
Erste und Zweite Revolution
Seine Flucht führte Trotzki nach London, wo er mit Lenin zusammenwohnte. Während der Ersten Russischen Revolution von 1905 wählten die St. Petersburger Arbeiter*innen und Soldaten*innen ihn zum Vorsitzenden ihres Rates (Sowjet). Nach der Niederschlagung der Revolution wurde Trotzki erneut verbannt – diesmal lebenslänglich –, floh jedoch ein weiteres Mal und lebte bis zum Ausbruch der Zweiten Revolution 1917 in Paris, Spanien und den USA. 1917 versuchte er als ein sogenannter Zentrist zwischen den Menschewiki und den Bolschewiki Lenins zu vermitteln, wurde von letzteren wenig später ins Zentralkomitee gewählt.
Gegen Markt und Nationalismus
Trotzki war maßgeblich an der Oktoberrevolution der Bolschewiki beteiligt und wurde danach ein zweites Mal Vorsitzender des St. Petersburger Sowjet. Gegenüber den Soldat*innen, aber auch den Arbeiter*innen forderte er massive Disziplin, um die geforderten Ziele zu erreichen. 1929 widersprach er Lenins „Neuer Ökonomischen Politik“ (NEP), die marktwirtschaftliche Komponenten hatte, und favorisierte stattdessen eine staatlich gelenkte Kommandowirtschaft. Auch kritisierte er die einsetzende Bürokratisierung seitens der Partei und ein Erstarken des russischen Nationalismus.
Exil und Ermordung
Nach Lenins Tod verlor er 1925 seine Stellung als Kommissar für Kriegswesen, Stalin diskreditierte den „Trotzkismus“ als Verrat, Trotzki selbst wurde als der jüdische Lakai des Faschismus gesehen. 1927 kam es zum Ausschluss aus der KPdSU, ein Jahr später folgte die Verbannung in die Mongolei. 1929 wurde Trotzki in die Türkei abgeschoben und ihm kurz darauf die russische Staatsbürgerschaft aberkannt. Über Frankreich und Norwegen gelangte er schließlich nach Mexiko, wo er 1938 die Vierte Internationale (in Abgrenzung zur Dritten „Kommunistischen“ Internationale) gründete. 1940 wurde er auf Geheiß Stalins ermordet.
Viele Wege der Revolution
Mit der „Permanenten Revolution“, die er 1929 im türkischen Exil veröffentlichte, setzte er sich gegen stalinistische Vorwürfe zu Wehr, die etwa von ehemaligen Weggefährten wie Karl Radek kamen. Der Titel leitet sich von Karl Marx ab, der nach der gescheiterten 1848er-Revolution in Deutschland von der „Permanenzerklärung der Revolution“ schreibt. Für Trotzki muss die Revolution bis zum vollständigen und weltweiten Sieg des Sozialismus weiterentwickelt werden. Die einzelnen, im Weltmarkt integrierten Nationalstaaten hätten dabei unterschiedliche Voraussetzungen bei der Entwicklung der Produktivkräfte oder der Klassen. Demzufolge könnten auch die Revolutionen in den jeweiligen Ländern unterschiedlich – und nicht allein nach dem russischen Muster – verlaufen.
Proletarische Führung
So hatte die Dritte Internationale unter Stalin beispielsweise von den chinesischen Kommunist*innen gefordert, sich der bürgerlichen Revolution anzuschließen. Diese befohlene Zusammenarbeit führte 1927 zur Ermordung zahlreicher Kommunist*innen durch die nationalistischen Kuomintang Chiang Kai-sheks. Laut Trotzki orientierten sich die Bäuer*innen entweder an der Bourgeoisie oder dem Proletariat. Deshalb müssten in einer revolutionären Situation die Arbeiter*innen die Führung übernehmen, um die sozialistischen Ziele zu verwirklichen.
Ländliche Kapitalinteressen
Der kommunistische Youtuber Fabian Lehr wies darauf hin, dass in Deutschland lediglich 1,5 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sei, es also im Sinne Trotzkis kein revolutionäres Subjekt gäbe. Vielmehr hätten die Bäuer*innen ein starkes Standesbewusstsein als selbstständige Produzent*innen, auch wenn während der Bäuer*innen-Proteste suggeriert wurde, es handele sich dabei nicht um vollentwickelte kapitalistische Unternehmen, sondern um beschauliche Familienbetriebe. Auch stünden sie, die einen maximal hohen Lebensmittelpreis anstrebten, den Interessen der Arbeiter*innen diametral entgegen, die möglichst billiges Essen wollten.
Klassengegensätze vereinen
Auf der anderen Seite existiere in Europa die größte Arbeiter*innenklasse der Geschichte. Diese sei jedoch so ausdifferenziert, dass sich zwischen den unterschiedlichen Milieus kein Zusammengehörigkeitsgefühl einstellen könne. Hier müsse linke Politik ansetzen und aufzeigen, dass die Trennlinie nicht entlang kultureller Milieus, sondern der ökonomischen Klassengegensätzen verlaufe. „Sowohl der gutverdienende Siemens-Ingenieur als auch der ungelernte Hilfsarbeiter haben ein Interesse am Sturz der Kapitalherrschaft“, fasste Lehr es zusammen.
Weiterführende Links:
- RLS (31.5.2024): tl;dr #38: Leo Trotzki: «Die permanente Revolution» – https://www.youtube.com/watch?v=O1tPTL04k4U
- Die Linke SC-RH (3.5.2022): Lenin: Was tun? – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/lenin-was-tun/
- Die Linke SC-RH (9.6.2024): Die Kommunistin Alexandra Kollontai – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/die-kommunistin-alexandra-kollontai/