Arbeit und Ökosozialismus

28. Mai 2025  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband


Wie stehen Arbeiter*innen – etwa in der Automobilzulieferindustrie – zu Klimawandel und Wirtschaftstransformation? Genfer Auto-Salon, 2013 (Norbert Aepli, Switzerland, CC BY 3.0)

Wie sehen unterschiedliche Arbeiter*innen die soziale und die Klimafrage und sind gemeinsame Bündnisse möglich? Thomas Goes stellte sein Buch „Grüner Sozialismus. Über das politische Bewusstsein von Arbeiter*innen in Zeiten des Umbruchs“ in der 265. Folge des Dissens-Podcasts vor.

Die Unentschlossenen überzeugen

Alles, was mit der Verteilungsfrage, Ausbeutung und Klassenverhältnissen zu tun hat, ist auf engste mit den Naturverhältnissen verbunden, findet der Soziologe Thomas Goes. „Soziale Politik braucht Klimapolitik“, fasste er es kurz zusammen. Denn schließlich besagten Studien, dass rund 30 Prozent der Bevölkerung offen für eine ökosozialistische Gesellschaft seien. Während weitere 25 Prozent dies ablehnten, gäbe es aber noch den Großteil von 45 Prozent, die unentschieden seien. Diese gelte es, zu überzeugen.

Ein heterogenes Bild

Allerdings seien die Lebensbedingungen im Kapitalismus sehr unterschiedliche. „Mein Onkel hat eine Betriebsrente von VW, die meine Bezüge als Soziologe bei weitem übersteigt“, gab Goes einen Anhaltspunkt. Seine Cousine hingegen arbeite als Altenpflegerin. „Wenn sie nicht mehr arbeiten kann, wird sie so gut wie nichts erhalten“, zeigte er das andere Ende der finanziellen Bandbreite auf. Unter diesen unterschiedlichen Voraussetzungen und Interessen sei es schwierig, ein Bündnis zwischen den verschiedenen Arbeiter*innen zu bilden.

Industrie, Pflege und Handel

Für sein Buch „Grüner Sozialismus?“ hatte Goes verschiedene Arbeiter*innen zu ihrer Arbeit im Betrieb, gesellschaftliche Ungleichheit, Politik und Klima befragt. Bei den Industriearbeiter*innen gab es eine große Bandbreite von gut bezahlten Beschäftigten in Monopolbetrieben bis zu mies bezahlten Menschen in der untersten Wertschöpfungskette. Pflegekräfte stellten in der immer älter werdenden Gesellschaft einen stetig wachsenden Teil der Arbeiter*innenklasse dar, auch wenn es erhebliche Unterschiede zwischen Altenpflege und Krankenhaus-Beschäftigten gebe. Eine dritte Gruppe waren die Handelsbeschäftigten, etwa bei Amazon. Denn sie seien für den flexiblen Kapitalismus unabdingbar. „In der Industrie sind die Menschen eher gewerkschaftlich organisiert und tariflich abgesichert, während es im Handel kaum Mitbestimmung und gewerkschaftliche Vertretung gibt“, differenzierte er.

Rechter Kulturkampf des BSW

Als einen Typus machte Goes den „sozialrebellischen Nationalisten“ aus. Sein Interviewpartner war ein Lagerist um die 50 Jahre, der gelegentlich bei Arbeitskämpfen aktiv gewesen war. Allerdings unterliege seine Tätigkeit, das Sortieren und Holen entsprechender Waren, einer starken Kontrolle. Zum Lohn, den er verdiene, erklärte der Betroffene: „Ganz klar, ich bin einer, der finanziell am Arsch ist.“ Im Vergleich zu seiner Situation glaube er, dass Migrant*innen bei Leistungen bevorzugt würden und empfinde Stolz darauf, Deutscher zu sein. „Das ist anknüpfungsfähig an das BSW, das zwar behaupte, die einfachen Arbeiter*innen zu vertreten, allerdings nur rechten Kulturkampf betreibt“, spann der Wissenschaftler den Bogen weiter.

Soziale Frage bei Grünen?

Unter die 45 Prozent der „Schwankenden“, die es zu überzeugen gelte, zählte Goes die „sozialen Gemeinwohl-Demokrat*innen“. Diese seien in allen drei Beschäftigungssegmenten zu finden und sähen sowohl eine ökonomische als auch politische Ungleichheit in der Gesellschaft. Ein Beschäftiger beschrieb dies so: „Die Besitzer *innen des VW-Konzerns haben eine Standleitung zum Bundeskanzleramt – und ich nicht.“ Mit Blick auf die Grünen habe man jedoch die Sorge, dass „die Leute da unten die Zeche zahlen“ sollten.

Angst durch Rezession und Klimawandel

Anhänger der Gruppe „Ökologie zuerst“ habe er nur unter Krankenhaus-Beschäftigten angetroffen. Diese sagten, dass es deutschen Arbeitnehmer*innen im globalen Vergleich sehr gut gehe, die Klimakrise jedoch drastische Maßnahmen erfordere. Denn schließlich führe der Klimawandel dazu, bestehende Konflikte zu verschärfen und neue zu entfachen. „Enttäuschte Sozialliberale“ seien hingegen meist unter den Industriebeschäftigten, etwa bei Automobilzulieferer, zu finden gewesen. „Sie wollen ihren Anteil an der funktionierenden Marktwirtschaft und sind frustriert, dass das nicht klappt“, erläuterte Goes. Sie nähmen sowohl die Krise bei VW, BMW und Mercedes als Existenzbedrohung, aber auch den Klimawandel mit Dürren und Waldsterben als reale Gefahr wahr. „Diese Menschen muss man in ihren Ängsten ansprechen“, sagte der Forscher.

Politik gegen Umweltbewegung

„Sozialkonservative“ verlangten von sich und ihrem Umfeld eine starke Leistungsbereitschaft, was automatisch zur Abwertung von „Drückebergern“ und Erwerbslosen führe. Teilweise werde auch ein „Arbeitszwang“ gefordert. Der „exklusive Sozialpopulist“ hingegen unterteile die Gesellschaft in das einfache Volk und die abgehobene Politik-Elite. Dies werde mit eigenen Missachtungserfahrungen im Betrieb verbunden, wenn beispielsweise interne Verbesserungsvorschläge vom Management ignoriert würden. „Gleichzeitig kommt es zu einer Solidarisierung mit Fridays for Future, da diese auch von der Politik nicht ernst genommen werden“, zeigte Goes Anknüpfungspunkte an die Klimabewegung auf.

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