Die Stadt als rechtes Kampffeld

26. Juni 2025  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Das Haus der Identitären Bewegung in Halle (Saale) war von 2017 bis Ende 2019 ein Zentrum für rechte Netzwerke. (Reise Reise, CC BY-SA 4.0)

Die Macht rechter Wohnprojekte, Netzwerke und Geldflüsse sowie die totale Privatisierung der Stadt durch Konzerne waren Themen bei der Veranstaltung „Geld Macht Stadt“. Diese wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert.

Rechte Rückzugsräume

225 Immobilien stehen laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz unter der Verfügungsgewalt extremer Rechter (Stand: April 2024). Allerdings seien weder Büros der AfD noch die Häuser rechtsextremer Burschenschaften dort aufgeführt, kritisierte Martina Renner. „37 dieser Immobilien befinden sich in Sachsen“, erläuterte die Rechtsextremismusexpertin der Linken. Es folgten Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. „In Bayern sind es 19“, nannte sie den westdeutschen „Hotspot“. Da lediglich 10 Prozent der Reichsbürger*innen als rechtsextrem eingestuft worden seien, läge auch mit Blick auf dieses Spektrum eine lückenhafte Auflistung von Grundstücken vor.

Rechte Gegenkultur

Seien in den 2000er Jahren rechte Wohnprojekte im ländlichen Raum entstanden, die sowohl als Musikvertrieb und Konzertort dienten, habe sich mit der Identitären Bewegung (IB) eine rechte Gegenkultur etabliert, die mit dem Hausprojekt in Halle öffentlichkeitswirksam in Erscheinung getreten sei. Es diente als Kristallaktionspunkt für rechte Think Tanks, Verlage und Medienagenturen. 2021 wurde im sachsen-anhaltinischen Schkopau eine einstige Fabrikanten-Villa als weitere IB-Immobilie aufgekauft, 2022 ein Haus in Chemnitz. „Der ehemalige Berliner Finanzsenator Peter Kurth, selbst Alter Herr der rechtsextremen Burschenschaft Gothia, soll eine beträchtliche Summe für einen Hauskauf der IB sowohl in Berlin als auch in Oberösterreich nahe Linz gegeben haben“, zählte sie weiter auf.

Geld und rechte Netzwerke

Bei von Kurth organisierten Treffen kamen Konservative der CDU, aber auch Maximilian Krah (AfD) oder Benedikt Kaiser (Sezession) zusammen. Ein weiteres rechtes Projekt sei die Bibliothek des Konservatismus in Berlin-Charlottenburg, die Rechtsaußenpositionen der CDU und Autor*innen der Jungen Freiheit zusammenbringt. So habe ein Hamburger Reeder 3,6 Millionen Euro dafür investiert, Gelder an die AfD gespendet und die Junge Freiheit unterstützt.

Städte „normal“ machen

Die Haltung der Rechten gegenüber der (Groß)Stadt sei zweigeteilt, erläuterte Johann Braun. Einerseits stünde man dem pluralistischen Moral- und Lebensstil kritisch gegenüber und setze dem das einfache Leben auf dem Land entgegen. Andererseits hätten sich schon die faschistischen Futurist*innen im Italien der 1920er Jahre technikbegeistert gezeigt, sich für die Elektrifizierung im Städtebau ausgesprochen und urbane Milieus als Zielgruppe angesehen. „Rechte fragen, wer die ,eigentliche“ Bevölkerung ist und wer nicht, für wen Sicherheit herrscht, um die Stadt wieder ,normal‘ zu machen“, sprach der Stadtgeograph deren Agenda an. So seien diese Akteur*innen sowohl bei Wohnungskämpfen in Frankfurt als auch bei Nachbarschaftsstreitigkeiten in Rostock aktiv. Neben der „schönen“ Architektur ginge es oft um die „heimische“ Kultur oder fehlende Sicherheit.

Alles wird privatisiert

„Libertäre wie Peter Thiel oder Elon Musk wollen die Abschaffung des Staates und den kompletten Durchmarsch des Privateigentums“, fasste der Soziologe Andreas Kemper zusammen. So sollten am Ende nur noch Unternehmen regieren, während Polizei, Militär, Justiz, Gesundheitswesen und Bildung komplett privatisiert seien. Erste Experimentierfelder für solche „Privatstädte“ seien Freihandels- oder Sonderwirtschaftszonen gewesen, denen immer mehr Autonomie gegeben worden wäre. So bildeten sich eigene „Staaten“, in denen die herkömmliche Staatlichkeit nichts verloren hätte.

Unternehmen geben den Ton an

„In der Privatstadt Próspera in Honduras wird einem dringend empfohlen, eine Versicherung abzuschließen“, gab Kemper einen Einblick. Denn solch ein Vertrag sei zwingende Voraussetzung für eine Rechtsvertretung. Als Privatperson unterzeichne man einen Kontrakt mit dem führenden Unternehmen, statt Steuern würden „Gebühren“ entrichtet. Da die Libertären, seit Frauen und Sozialhilfeempfänger*innen das Wahlrecht erhalten hätten, Peter Tiel zufolge keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen hätten, brauche es solche „Helden“ wie Patrick Friedman, der seine eigene Stadt in Honduras gegründet hätte.

Steueroasen und Flüchtlingsstädte

Der Typus solcher Privatstädte sei je nach Funktion unterschiedlich. So könnten sich umsatzstarke Unternehmen in Steueroasen ansiedeln, Hightech-Firmen in Technologiezentren ohne staatliche Vorgaben und Beschränkungen forschen. In Fabrikstädten würden hingegen die einfachen Güter produziert, wobei deren Eigentümer*innen auch ihre eigene Gesetzgebung entwerfen könnten. Klimaflüchtlinge sollten in von der EU oder den USA finanzierten und von Privatunternehmen betriebenen Migrationsstädten untergebracht werden. In diese Richtung hatte sich schon Martin Sellner ausgesprochen, als er beim „Treffen von Potsdam“ für so genannte „Charter Cities“ in Nordafrika eintrat, in die aus Europa abgeschobene Menschen gebracht werden sollten.

Klassische Ideale

„Konservative Denker*innen sehen klassische Architektur sinnbildlich für Stabilität, Respekt und die Ehrung der Gesetze“, sagte Ole Kloss. Demgegenüber stünde der Modernismus, der Unordnung bedeute. Eine Gesellschaft, die sich an klassischen Idealen orientiere, könne auch mit Tradition, Familie und Kirche beschrieben werden, so der Aktivist Deutsche Wohnen & Co enteignen. Ein Beispiel für das Revival eines solchen historischen Bauens könne man etwa in den Vorschlägen der Stiftung Berlin Mitte zur Neugestaltung des Molkenmarkt sehen. Zwar gehe es dabei auf den ersten Blick um Städtebau, aber auch um Privatisierung und Ideologie, mahnte er an.

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