Emilia Roig: Antirassismus mit Luxemburg

07. April 2025  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Emilia Roig beim Klimastreik von Fridays for Future vor dem Reichstag in Berlin, 24.9.2021 (Flickr: Stefan Müller (climate stuff), CC BY 2.0)

Intersektionale Mehrfachdiskriminierung hat Emilia Roig in vieler Hinsicht erfahren. Im Schweizer Radio und Fernsehen spricht sie darüber, wie mit den Gedanken von Rosa-Luxemburg eine Welt ohne Unterdrückung aussehen könnte.

Privilegien und Barrieren

Die Zugehörigkeit zu einer dominanten Gruppe, etwa aufgrund eines europäischen Passes oder weil man keine Behinderung hat, verleihe dem eigenen Leben eine gewisse Bequemlichkeit, erläuterte Emilia Roig. „Als Frau oder schwarze Person hingegen gehöre ich nicht der Mehrheitsnorm an“, schränkte die Politologin dies gleichzeitig wieder ein. Weil sie jedoch nicht im Rollstuhl säße, könne sie nicht alle Barrieren, die den Zugang zu Gebäuden oder Transportmittel verwehrten, sehen. „Da ich mir diese Fragen nicht stellen muss, führt das zu einer weiteren Unsichtbarkeit der Hürden für Menschen im Rollstuhl in unserer Gesellschaft“, thematisierte sie die Folgen.

Vielfältige Familiengeschichte

Roigs Großvater kommt aus Spanien, die Großmutter war eine deutsche Jüdin. „Meine Mutter stammt aus der französischen Kolonie Martinique, mein Vater aus dem zu Frankreich gehörenden Algerien“, skizzierte sie ihre Familiengeschichte. Beide hätten sich in Französisch-Guyana kennengelernt und – da sie aufgrund des Kolonialismus weder Kreolisch noch Jiddisch oder Arabisch sprechen durften – auf Französisch unterhalten. Ihr Großvater väterlicherseits hingegen sei ein Anhänger des rechtspopulistischen Front National gewesen, der in Muslim*innen, Araber*innen und einer „Vermischung der Rassen“ eine große Gefahr sah.

Der Rat Rosa Luxemburgs

„Als ich mich von meinem Ehemann trennte und mich für meine Partnerin entschied, war es ein schwieriger Schritt, meine bisherigen Privilegien als heterosexuelles Paar aufzugeben“, blickte sie zurück. Da es in der neuen Beziehung immer noch unterschiedliche Wohnungen gäbe, führe sie mit ihrem Sohn auch ein Teilzeitleben als alleinerziehende Mutter. Anfangs habe es für sie eine große Unsicherheit angesichts des Lebens jenseits der Heteronormativität gegeben, gestand Roig. „Aber ich bin, ganz nach Rosa Luxemburgs Satz: ,Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht‘, froh, diesen Schritt gegangen zu sein“, erklärte sie.

Patriarchat und Kolonialismus

Die Aufklärung kritisierte sie trotz ihrer Neuerungen als ein eurozentristisches und patriarchales Projekt, im 19. und 20. Jahrhundert seien Rassismus und Sexismus fest in der europäischen Wissenschaft verwurzelt gewesen. „Die hierarchische Einteilung in unterschiedliche ,Menschenrassen‘, auf die der Kolonialismus fußte, wurde damals als scheinbar neutrale und objektive Faktenlage angesehen“, beschrieb sie die Zeit. Das habe weit in die Gesellschaft hineingewirkt, in der auch die Frau als unterlegenes Wesen klassifiziert wurde.

Tödliches Mittelmeer

Die Nachwirkungen seien bis heute spürbar. Während die weißen Ukrainer*innen nach dem russischen Überfall 2022 in Deutschland unverzüglich eine Arbeitserlaubnis erhielten, müssen Kriegsflüchtlinge aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan monatelange Verfahren durchlaufen. „Der Rassismus des europäischen Grenzregimes zeigt sich vor allem in den ertrunkenen Menschen im Mittelmeer“, bilanzierte sie.

Systematischen Rassismus wahrnehmen

Aus ihrer Sicht tappen viele Menschen aus sozialen Gerechtigkeitsbewegungen in die neoliberale Falle – etwa beim identitären Antirassismus, wie er häufig in den Vereinigten Staaten vorkommt. Doch solle nach Roigs Einschätzung nicht die Bewegung als Ganzes, sondern nur ihre stark individualisierte Sichtweise, die eine systematische Perspektive ausblende, kritisiert werden. „Die Begründung, das N-Wort nicht mehr zu sagen, weil es schwarze Menschen beleidige, halte ich für zu kurz gegriffen“, veranschaulichte sie. Stattdessen solle man sich bewusst werden, dass mit dem Wort eine Ideologie der Ungleichheit manifestiert werde, die auf Ausbeutung und Sklaverei beruhe.

Eine Gesellschaft der Gleichen

„Wir müssen uns von der hierarchischen Vorstellung verabschieden, dass der weiße Mann über der Frau, nicht-weißen Menschen, den Tieren, der Natur und den Bodenschätzen steht“, forderte sie. Vielmehr müssten die Menschen lernen, dass sie in einem Ökosystem lebten, in der alle unerlässliche Teile ohne hierarchische Wertung seien.

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