Gemeinsam für besseres Wohnen

05. März 2025  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Die Gewerkschaft Living Rent macht in Edinburgh auf den Zusammenhang von Wohnungs- und Klimakrise aufmerksam. Da 60 Prozent der Häuser nicht den geltenden Energiestandards entsprechen, entweicht viel Heizwärme wirkungslos nach außen. (Foto: Living Rent)

Der kollektive Kampf für energetische Sanierungen und Kündigungsschutz sind zentrale Themen von Mieter*innen-Gewerkschaften. Über deren Erfolge und Herausforderungen sprachen drei Vertreter*innen aus Frankreich, Schottland und Belgien bei der Veranstaltung „Wärmewende ist Handarbeit!“. Organisiert wurde diese von der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Willst du mithelfen?

Wie man eine Mieter*innen-Gewerkschaft auf die Beine stellt, erklärt Adrien Roux. „Bei unseren Haustür-Besuchen fragen wir erst nach den Problemen, also ob es beispielsweise undichte Fenster gibt, durch die im Winter die ganze Wärme verloren geht“, erzählt der Mitinitiator der französischen Bewegung Alliance Citoyenne. Dann werde nach Verantwortlichen gesucht, die das ändern könnten – etwa die Vermieter*innen – und überlegt, ob die Menschen in der Nachbarschaft vor ähnlichen Schwierigkeiten stünden. Und zuletzt die Frage, ob die Person sich denn vorstellen könne, bei der Problembewältigung mitzuhelfen. „In Grenoble haben wir in Wohnkomplexen an 900 Türen geklopft, am Ende traten 85 Leute unserer Gewerkschaft bei“, sprach er vom Start der Organisation.

Wohnungen werden modernisiert

Nachdem eine Petition zur Sanierung der Fenster des Gebäudes ohne Erfolg war, besetzten sie die Behörde, trafen sich mit Parteien und sprachen mit dem Bürgermeister, um Druck auf die öffentliche Wohnungsgesellschaft auszuüben. „Die schlechtesten Wohnungen wurden in die Notsanierung aufgenommen, für den Rest erstellte man einen Zweijahresplan zur Wärmedämmung“, kam Roux auf die Erfolge zu sprechen. So wandte die Gruppe das Mobilisierungskonzept zuerst auf weitere Stadtviertel in Grenoble, und dann auch in Paris und Lyon an. Das Ergebnis: 5.000 energetisch nachgerüstete Wohnungen.

Wärmeberatung und Förderung

„Mit Greenpeace und anderen Klimaschutzorganisationen erzielten wir einen Mietenstopp bei schlecht gedämmten Wohnungen der Energieklasse F und G“, erklärte er. Dazu hatten sie sogar einen Minister eingeladen, der am eigenen Leib eine Nacht in einem nicht isolierten Haus erleben sollte. Diese politisch-mediale Aufmerksamkeit sorgte dafür, dass weitere 80.000 Wohnungen in den Notsanierungsplan aufgenommen wurden. Im privaten Wohnungssektor setzte man auf Wärmeberatung durch Ingenieure, um den Vermieter*innen passgenaue Vorschläge anbieten zu können. Auch wurde über verfügbare staatliche Zuschüsse für solch eine Sanierung aufgeklärt.

Mietenstopp und Preiskontrolle

„In Schottland ist es möglich, dass Vermieter*innen nach einem Jahr die Kündigung mit einer Zweimonatsfrist aussprechen können“, beschrieb Emma Saunders die Situation im Norden des Vereinigten Königreichs. Deshalb habe man mit der Gewerkschaft „Living Rent“ eine große Kampagne gegen die Zwangsräumung ohne Verschulden organisiert. Waren es anfangs 5 Mitglieder gewesen, sei man nun bei 4.000. Mittlerweile liege der Fokus neben einer Tourismus-Steuer und leerstehenden Wohnungen aber auch auf Kurzzeit-Wohnungen und energetischen Sanierungen. „Unsere Erfolge waren ein Mietenstopp und eine Mietobergrenze, der nächste Schritt ist die gesetzliche Mietpreiskontrolle“, zählt sie auf.

Kälte und Schimmel

In Edinburgh habe man in Arbeiter*innen-Viertel bei langen Haustür-Gesprächen über Katzen und Modelleisenbahnen, aber auch die kalte Wohnung und den Schimmel an den Wänden gesprochen. „Die Hälfte der Wohnungen entspricht nicht den Reparaturstandards, fast 60 Prozent haben nicht die erforderliche Energieeffizienz“, gab Saunders einen Einblick. Nach Verhandlungen mit dem Stadtrat habe dieser beschlossen, 60 Millionen Pfund für Reparaturmaßnahmen zu investieren. Nach diesem Schema habe man in ganz Schottland Zweigstellen gegründet, die ebenfalls Wohnungskämpfe gewannen.

Gemeinsam stark

Durch diese Strategie habe man fast täglich neue Mitglieder gewonnen. „Pro Monat treten im Durchschnitt 150 Leute bei uns ein“, verdeutlichte sie das Mobilisierungspotenzial. Mit ihnen führe man auch Rollenspiele durch, um sie auf Verhandlungsgespräche mit ihren Vermieter*innen vorzubereiten. So müssten die meist einfachen Arbeiter*innen darauf reagieren, wenn die*der Vermieter*in Ausflüchte oder Lügen hinsichtlich der Sanierung vorbringe oder versuche, die Wohngemeinschaft zu spalten. „Das gibt den Menschen ungemein viel Selbstwirksamkeit“, beschrieb Saunders die Folgen des Trainings. Verhandelt werde übrigens immer in Gemeinschaft. So gebe es stets jemanden, der das Gespräch eröffne, das Protokoll führe, die eigentlichen Verhandlungen mache oder auch die Dokumente überreiche, skizzierte sie die kollektive Arbeit.

45.000 Menschen auf eine Sozialwohnung

Aarnaud Bilande organisiert Mieter*innen im französischsprachigen Teil Belgiens, Wallonien, in den Städten Charleroi und Namur sowie der Hauptstadt Brüssel. Denn die Politik sei auf Eigentümer*innen fokussiert. „Wenn man das Elternhaus verlässt, wohnt man einige Jahre zur Miete, um sich dann sein eigenes Haus zu kaufen“, skizzierte er die gesellschaftliche Idealvorstellung. Doch durch die gestiegenen Preise könne sich das kaum noch jemand leisten. Und da es nur 5 Prozent öffentlichen Wohnungsbau gebe – auf eine Sozialwohnung kommen 45.000 Interessenten – seien die Menschen dem privaten Wohnungsmarkt ausgeliefert. „Die Vermieter*innen haben eine starke Lobby in der Politik“, verdeutlichte er die Machtverhältnisse.

Recht auf Wohnen

Wegen der schlecht isolierten Wohnungen und dem hohen Heizungsverbrauch seien rund 30 Prozent der Mieter*innen von Energie-Armut betroffen. Zwar hätte man während der Energiekrise einen Mietenstopp und ein Moratorium für Zwangsräumungen erreicht. Als dieses jedoch nach einem Jahr abgelaufen war und die Liberalen die Wahlen gewannen, waren die Mieter*innen wieder schutzlos. „Unsere in Brüssel gegründete Gewerkschaft WUUNE hat mittlerweile 300 Mitglieder“, berichtet Bilande. Gemeinsam mit anderen Organisationen wolle man ein Bündnis für Recht auf Wohnen initiieren. Konkrete Maßnahmen seien dabei Mieter*innenberatung und der Umgang mit nicht erfolgten Reparaturen oder Zwangsräumungen seitens der Vermieter*innen.

Migrant*innen ohne Rechte

„Am Housing Action Day organisierten wir eine Demonstration in Lüttich“, erläuterte er eine der vergangenen Aktionen. Auch sei man Teil der Klima-Koalition, eines Zusammenschlusses, in dem sowohl Wallon*innen aus dem Süden als auch Fläm*innen aus dem Norden zusammenarbeiteten. Seit geraumer Zeit sei man auch im Bezirk Charleroi, einem ehemaligen Kohlerevier mit etwa 600.000 Einwohner*innen und einer Arbeitslosenquote von 15 Prozent, aktiv. „Wir machen uns mit Expert*innen auf die Suche nach undichten Stellen und gehen – begleitet von öffentlichen Aktionen – in Verhandlungen mit den Eigentümer*innen“, beschrieb Bilande das dortige Engagement gegen Energielecks. Manche vermieteten ihre Wohnungen etwa an Migrant*innen ohne Aufenthaltserlaubnis – ohne Mietvertrag. Beschwere sich jemand wegen der unhaltbaren hygienischen Zustände, käme es zur Zwangsräumung und danach würde an den nächsten vermietet. „Die Behörden wollen nicht gegen die Vermieter*innen vorgehen, da durch die Sanierungsmaßnahmen die Zahl wohnungsloser Menschen steigen würde“, kam er auf den Staat zu sprechen.

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