
Die Veranstaltung „Jeder ist seines Glückes Schmied?“, organisert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, untersuchte die Frage, ob die Leistungsgesellschaft, in der wir leben, menschenwürdig ist und untersuchte die Chancen für einen Systemwechsel hin zu einem besseren Leben.
Systemrelevant und unterbezahlt
Dass die soziale Schicht, in der man sich innerhalb unserer Gesellschaft befindet, nichts mit der eigenen Leistung zu tun hat, stand für Sarah Lee Heinrich außer Frage. Denn viele Menschen wollten zu einem gelingenden Gemeinwesen beitragen, sei es in der Pflege von Menschen, der Arbeit auf dem Bau, damit neue Wohnungen entstehen oder in Schlachthäusern oder Backstuben. „Diese Leute, die für unser Zusammenleben unabdingbar sind, werden jedoch sehr schlecht entlohnt“, kritisierte die frühere Bundessprecherin der Grünen Jugend. Andererseits verdienten manche Menschen viel Geld, würden jedoch nicht so viel zum sozialen Miteinander beitragen, stellte sie die beiden Seiten gegenüber.
Privatnachhilfe für Bildungserfolg
Sie selbst sei in einer Hartz IV-Familie aufgewachsen. „Es ist unglaublich schwierig, aus der Armut herauszukommen“, beschrieb sie ihre Jugend mit unglaublich vielen Barrieren. In Nordrheinwestfalen werde nach der 4. Klasse aufgrund notenbasierter Empfehlungen nach Haupt- oder Realschule sowie Gymnasium sortiert. „Im Gymnasium sitzen 5.-Klässer, die in der Grundschule nur lauter Dreier geschrieben haben, deren Eltern aber Ärzt*innen sind“, erzählte sie ihre Erfahrungen. Doch können diese ihren Kindern eben ausreichend private Nachhilfestunden finanzieren – Ressourcen, die Kindern aus ärmeren Haushalten nicht zur Verfügung stehen.
Soziale Leistung statt Profitdenken
Wenn es möglich sei, die gesellschaftliche Zuschreibung von Frauen und Erziehung aufzuheben, könnte Heinrichs Ansicht nach auch die festgeschriebene gesellschaftliche Reproduktion geändert werden. „Das würde die gesamte Gesellschaft, die auf unentgeltlicher Care-Arbeit beruht, umwandeln“, hoffte sie. Der Sinn einer solchen Gesellschaft sollte sein, gemeinsam als Gesellschaft ein gutes Leben zu haben – statt einer immer größeren Profitmaximierung. „Der Versuch, für den erbrachten gesellschaftlichen Beitrag gewertschätzt zu werden, ist ein Potenzial, das über den Kapitalismus hinausweist“, ging sie auf den ethischen Umgang jenseits des ständigen In-Wert-Setzens ein.
Pflegekräfte vs Vorstandsvorsitz
„Wir alle nehmen Unterschiede zwischen uns wahr und kennen Wettkampf-Situationen – sei es in Schule oder Beruf“, ging Wolfgang M. Schmitt auf das vertraute Gefühl des Leistungsdenkens ein. Allerdings stiegen im Kapitalismus nicht alle, die sich genug anstrengten, auch automatisch auf. „Pflegekräfte können sich noch so viel bemühen, sie werden nie so viel verdienen wie der CEO der Privatklinik“, nannte er ein eindrückliches Beispiel. Trotz des dreigliedrigen Schulsystems und seinem selektiven Charakter sah der Youtuber in einzelnen Lehrer*innen-Persönlichkeiten die Chance, Erkenntnisprozesse bei Schüler*innen anzustoßen und sie so individuell zu prägen.
„Erbschaft abschaffen“
„Die Leute kommen aus unterschiedlich reichen Elternhäuser und haben somit keine gleichen Startbedingungen“, brachte Ole Nymoen die Ungleichheit im Kapitalismus auf den Punkt. Schließlich sei die Chance, später in eine Elite-Position aufzusteigen, nicht für alle gegeben. „Eigentlich müsste man Erbschaften abschaffen, damit jede Generation – unter der Voraussetzung einer bestmöglichen Bildung – sich stets aufs Neue beweisen kann“, skizzierte der Journalist einen möglichen Gegenentwurf. Denn innerhalb einer auf Eigentum basierenden bürgerlichen Gesellschaft lasse sich Chancengleichheit schlichtweg nicht realisieren.
Ideologie wird verinnerlicht
„Jede Klassengesellschaft braucht ihre Ideologie, um die Ungleichheit zu legitimieren“, kam er auf das propagierte Leistungsdenken zu sprechen. Der Aufstieg aus einem armen Haushalt nach oben sei zwar unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich, thematisierte er die Hoffnung vieler auf ein besseres Leben im System. Formal seien alle Menschen frei und gleich und könnten sich auf dem Markt ausprobieren. Und da schließlich allen beigebracht werde, sich um sich selbst zu kümmern und möglichst viel Geld zu verdienen, werde diese Ideologie automatisch internalisiert, schloss er.
Weiterführende Links:
- RLS (22.1.2024): Jeder ist seines Glückes Schmied? – https://www.youtube.com/watch?v=TveJlHWKKs0
- Die Linke SC-RH (23.8.2024): Leistung lohnt sich nicht – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/gesellschaft/leistung-lohnt-sich-nicht/
- Die Linke SC-RH (19.5.2022): Bildung und Klasse – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/gesellschaft/bildung-und-klasse/