Leo Löwenthal: Falsche Propheten

06. November 2024  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Das emotionale Aufgreifen bestehender Probleme und der Kampf um Ressourcen auf Kosten von Minderheiten sind Schwerpunkte in Leo Löwenthals Buch „Falsche Propheten“. Die 43. Folge des Theorie-Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung widmete sich dem jüdischen Soziologen.

Rücksichtsloser Zionismus

Leo Löwenthal wurde 1900 in Frankfurt in eine naturwissenschaftlich interessierte, jüdisch-säkulare Familie geboren. Nach dem Abitur am Goethe-Gymnasium studierte er in Heidelberg Philosophie und engagierte sich von 1921 bis 1925 in der Sozialhilfe für ostjüdische Flüchtlinge. Dies führte dazu, dass er sich gemeinsam mit seiner künftigen Frau Golda dazu entschloss, sein Judentum religiös zu leben. Vom Zionismus als „tagespolitische Realität wandte Löwenthal sich jedoch ab, da seiner Ansicht nach die Besiedelung in Palästina mit großer Rücksichtslosigkeit gegenüber der arabischen Bevölkerung einhergehe.

Flucht aus Deutschland

Ab 1921 arbeitete er als Dozent am Freien Jüdischen Lehrhaus, dem auch Siegfried Krakauer angehörte. Vier Jahre später war er am Institut für Sozialforschung tätig, wo er 1932 schließlich geschäftsführender Redakteur wurde. 1933 organisierte er die Emigration des Instituts und kam ein Jahr später selbst in die Vereinigten Staaten. 1949 wurde er Forschungsleiter der Voice of America und veröffentlichte das Buch „Falsche Propheten“. In ihm setzte er sich mit autoritären Agitatoren auf den US-amerikanischen Straßen auseinander. 1956 erhielt er eine Professur für Soziologie in Berkley/Kalifornien, wo er 1993 auch starb.

Reale Probleme aufgreifen

Das Quellenmaterial, das Löwenthal für das Idealbild eines Agitators heranzog, bestand aus Radioreden, Zeitungsartikeln und Flugblättern. Seine Erkenntnisse unterteilte er in 21 Kategorien wie die ewig Betrogenen, die Unzufriedenheit, der korrupte Staat, der Fremde oder die Verschwörung. Die Agitatoren griffen, unter Bezugnahme auf deren wirtschaftlichen, kulturellen, moralischen oder politischen Beschwerden, reale Probleme der Menschen auf. Die so hervorgerufene Angst, Beunruhigung und Verunsicherung, die Löwenthal unter dem Begriff „Malaise“ zusammenfasst, werde von den Agitatoren geschürt.

Ängste schüren

Der „Freiheit des Volkes“ stelle man oftmals die „Falschheit der demokratischen Politiker“ entgegen. Doch im Gegensatz zu einem Reformer oder Revolutionär, die beide Handlungsmöglichkeiten erarbeiten wollten, strebe der Agitator nur danach, bestehende Ängste weiter zu verstärken. Die Menschen werden nicht weitergebildet, um Zusammenhänge selbstständig erkennen zu können. Vielmehr bleibt ein Gefälle zwischen Agitator und Zuhörern bestehen, infolge dessen sich deren Zustand als hoffnungslos und unaufhebbar darstellen soll.

Minderheiten bekämpfen

So würden sie stets daran erinnert, dass sie seiner Führung bedürften. Ziel des Agitators ist es, die Unzufriedenheit der Menschen gegen Minderheiten wie Jüd*innen, Ausländer und Kranke zu richten. Der Vorwurf an sie lautet, dass sie – ohne dafür zu arbeiten – Leistungen beziehen würden. Das Versprechen dahinter: Wenn diese Gruppen bekämpft werden, sind die sozialen Probleme der Menschen gelöst. Der Agitator spricht seine Zuhörer, die sich selbst als gescheitert und Enttäuschte sehen, als „einfaches“ und „redliches“ Volk an.

Trump gewinnt immer

In den USA bedienten sich vor allem weiße Nationalisten und Prediger von Mega-Churches solcher Agitationsweisen. Nun ist es Donald Trump gelungen, damit eine zweite Amtszeit als US-Präsident zu erreichen. Doch selbst wenn seine demokratische Herausforderin Kamela Harris die Wahl gewonnen hätte, würde sich die rechtspopulistische Erzählung von einer „gestohlenen Wahl“ und dem übermächtigen „Deep State“ bestätigt haben. In diesem Sinne stehen sich also zwei Realitäten gegenüber.

Emotionale Gegenerzählung nötig

Das Angebot des Faschismus lautet, in einer kapitalistischen Welt, in der die Ressourcen nicht für alle reichen, die Randgruppen auszustoßen. Dann bleibt nämlich genug für einen selbst. Für viele Menschen ist dies die richtige Lösung für die Probleme unserer Zeit. Dieser Denkweise müsse man jedoch ein anderes, jedoch ebenso emotionalisierendes, Angebot entgegenstellen. Dies ist Aufgabe eines linken Gesellschaftsentwurfs, der alle mit einschließt.

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