
Bei der Veranstaltung „Rechtsruck in Betrieb und Gesellschaft“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung wurde die Rolle der Linken als neue Klassenpartei und der gewerkschaftliche Kampf in den Betrieben gegen rechte Agitation thematisiert. Sie fand im Rahmen der Konferenz für gewerkschaftliche Erneuerung („Streikkonferenz“) statt.
Die soziale Frage stellen
„Im US-Wahlkampf haben die Demokrat*innen dabei versagt, die sozialen Garantien und die gestiegenen Lebensmittelpreise anzusprechen“, analysierte Ines Schwerdtner die Wiederwahl Donald Trumps. Denn dort, wo materielle Unsicherheit herrsche und die Politik die Bedürfnisse der Menschen nicht mehr adressiere, wo es durch den Neoliberalismus zu einer Entsolidarisierung gekommen sei, entstehe der Nährboden für reche Politik. So belege eine Studie, dass dort, wo die Mieten pro Quadratmeter um einen Euro stiegen, die AfD vier Prozent mehr Stimmen erhalte – vor allem von Menschen, die unter prekären Bedingungen arbeiteten und lebten.
Arbeiter*innen im Bundestag
„Ein Mietendeckel gäbe somit Sicherheit gegen rechte Parolen“, sprach die Vorsitzende der Linken eine dringend notwendige antifaschistische Gegen-Politik an. Denn mittlerweile würden in einigen Kommunen Partei-Genoss*innen aufgrund ihres politischen Engagements angegriffen. Allerdings habe sich diese rechte Hegemonie in der Bundesrepublik schon seit Jahrzehnten ausgebreitet – nicht erst seit der gemeinsamen Abstimmung von Friedrich Merz und der AfD zur Migrationspolitik. „Für militärische Aufrüstung ist eine Billion Euro da, aber für die sozial-ökologische Wirtschaftstransformation, sozialen Wohnungsbau und Schulen nicht“, kritisierte sie. Doch habe man mit der Krankenschwester Julia-Christina Stange, dem VW-Arbeiter Cem Ince oder der Gewerkschaftssekretärin Maren Kaminski Abgeordnete im Bundestag sitzen, die sich für eine starke Klassenpolitik einsetzten.
AfD und „Zentrum“
„Die gesamte Automobil- und Zulieferer-Industrie ist mit Stellenabbau und Werkschließungen konfrontiert“, fasste Mark Seeger die Situation zusammen. „Wir muten den Kolleg*innen mit Reallohnverlusten, Wochenendarbeit und Sonderschichten viel zu und können ihnen wenig gute Tarifverträge bieten“, brachte der Betriebsrat bei VW Braunschweig das Dilemma auf den Punkt. Und an diesem Punkt setze der AfD-nahe Verein „Zentrum“, der als rechte Alternative zu DGB-Gewerkschaften auftrete, an. So sei davon auszugehen, dass nach der nächsten Wahl im VW-Werk Hannover Vertreter*innen des „Zentrums“ mit am Tisch säßen, gab er einen Ausblick.
Gegensatz von Kapital und Arbeit
Viele Betriebsräte seien der neuen Situation nicht gewachsen, warnte Seeger. Denn eine politische Sozialisation bei der Sozialistischen Jugend Deutschlands / Die Falken und klassische Antifa-Arbeit seien keine automatischen Voraussetzungen mehr. „Viele meiner türkischen Kolleg*innen haben bei der Remigration-Debatte 2024 Angst bekommen, abgeschoben zu werden“, sprach er die Folgen rechter Politik an. Jedoch gehöre der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit zu den zentralen Themen eines jeden Grundlagenseminars für Betriebsräte.
Klassenstandpunkt sichtbar machen
„In der Abfallwirtschaft in Brandenburg gibt es größtenteils Haustarife, die regelmäßig vom Mindestlohn überholt werden“, beschrieb Lisa Baumeister ihre Erfahrungen. Dadurch hätten die Menschen ganz klare ökonomische Verlustängste. „Wenn es zu Diskussionen kommt, machen wir als Gewerkschafter*innen den Gegensatz am Klassenstandpunkt, nicht an der Nationalität der Kolleg*innen fest“, sprach sie als ver.di-Mitglied linke Interventionsmöglichkeiten an. Ein großes Problem sei, dass die Menschen sich nicht mehr von der Politik beachtet und gewertschätzt fühlten.
Die Herzen gewinnen
„Im gemeinsamen Tarifkampf erleben sie mehr Kontrolle über ihre eigenen Arbeitsbedingungen und können die Tarifrunden selbst planen“, kam Baumeister auf ein gewerkschaftliches Kernthema zu sprechen. Denn ver.di baue die Tarifkampagnen mit regelmäßigen Mitgliederbefragungen zu den aufzustellenden Forderungen sehr beteiligungsorientiert auf. Diese Erfahrung der Selbstermächtigung könne Gewerkschaften für die Mitglieder zu einem Wohlfühlort machen. „Wenn man in den Herzen und Köpfen etwas bewegt, ist das ein großer Multiplikationsfaktor“ lautete ihr Fazit.
Antifaschismus und Gewerkschaft
Es werde schwieriger, Menschen zum Beitritt in die Gewerkschaft und dann zu Demonstrationen auf die Straße zu bringen, umriss Chaja Boebel vom IG Metall-Vorstand die momentane Lage. Vor allem kritisch-solidarische Diskussionen seien zunehmend schwerer zu führen. „In der Metall- und Elektroindustrie wählen überdurchschnittlich viele Gewerkschafter zwischen 20 und 60 Jahren die AfD“, sagte sie. Oft fehle das historische Verständnis, warum Gewerkschaften für die Gesellschaft wichtig seien. „Wir sind mehr als eine reine Versicherungsgesellschaft für den Betrieb“, sprach sie die klare antifaschistische Haltung an.
Alles durch die Partei?
So würden in der Bildungsarbeit Kolleg*innen als Demokratie-Kämpfer*innen geschult, um rechter Hetze im Alltag entgegenzutreten. Doch brauche es darüber hinaus einen Kampf um inklusive Solidarität. „Die AfD sagt, sie würde die Probleme der Belegschaft im Sinne einer Stellvertreter-Politik für sie lösen“, erläuterte Boebel. Wenn die Mitarbeiter*innen das in ihrem eigenen Interesse schaffen würden, mache das die Partei in gewissen Teilen unattraktiv, wies sie auf die Selbstorganisierung der Arbeiter*innen hin.
Weiterführende Links:
- RLS (28.5.2025): Rechtsruck in Betrieb und Gesellschaft – https://www.youtube.com/watch?v=ngYFDxFUspA
- Die Linke SC-RH (13.1.2025): Mit Gewerkschaft in die Zukunft – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/mit-gewerkschaft-in-die-zukunft/
- Die Linke SC-RH (23.1.2023): Klaus Dörre über Rechtspopulismus und Gewerkschaft – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/klaus-doerre-ueber-rechtspopulismus-und-gewerkschaft/