Die aus ideologischen Zeichen bestehende Sprache ist eine umkämpfte Arena, in der die herrschende Klasse den stattfindenden Kampf unterdrücken will. Die 40. Folge des Theorie-Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung setzte sich mit dem Buch „Marxismus und Sprachtheorie“ von Valentin Vološinov auseinander.
Sprache und Klassenkampf
Ist Sprache etwas über den Klassen stehendes oder ist sie Teil des Klassenkampfes? Der Sprachwissenschaftler Valentin Vološinov bezog dazu eine klare Stellung. Der 1895 in St. Petersburg Geborene war Teil des sogenannten Bachtin-Kreises, der sich mit Literaturtheorie beschäftigte und etwa die Dialogität von Texten in den Vordergrund stellte. 1929 veröffentlichte Vološinov das Buch „Marxismus und Sprachtheorie“. 1936 starb er an Tuberkulose.
Bewusstsein und Materie
Schon Karl Marx und Friedrich Engels thematisierten in ihrer „Deutschen Ideologie“ Sprache. Sie schrieben: „Die Idee des Bewusstseins ist in materieller Tätigkeit verflochten. Das Denken [der Menschen] ist direkter Ausfluss ihres materiellen Verhaltens. Die Sprache entsteht aus dem Verkehr der Notdurft der Menschen.“ Wenn das Sein das Bewusstsein bestimmt könnte das Sein auch die sprachlichen Äußerungen der Menschen bestimmen. Materielle Praktiken werden mit Sprache („Bring den Müll raus“, „Was gibt‘s zum Essen?“) begleitet.
Stalin oder Bourdieu
Josef Stalin vertrat 1950 in Zeitungsartikeln der Prawda die Ansicht, dass Sprache in Form einer Nationalsprache jenseits der Klassen stünde. Pierre Bourdieu argumentierte in den 80er Jahren hingegen, Sprache sei schichtspezifisch und folge den bestimmten Regeln der jeweiligen Gruppe. In seinem Buch beschrieb Vološinov, dass Sprache nicht Ausdruck des Bewusstseins sei, sondern an das Material „Wörter“ gebunden sei. Verstehen hingegen bedeute das Aufeinanderbeziehen von Zeichen auf andere.
Klassenspezifische Bedeutung
Zeichen gingen aus der Basis ökonomischer Prozesse hervor, welche gedeutet würden. In diesen Zeichen findet Ideologie statt, so dass sie in ihrer Bedeutung umkämpft seien. Je nachdem, nehmen sie Formen von Kunst, Literatur oder Moral an, unterliegen jedoch einem ständigen Wandel. Zeichen werden unablässig umgearbeitet und die Bedeutung der Sprache somit kontinuierlich verschoben. Da verschiedene Klassen eine gemeinsame Sprache besitzen, unterscheiden sie sich in jedem ideologischen Zeichen, dem sie unterschiedlich orientierte Akzente geben. Das Zeichen wird somit zur Arena des Klassenkampfes.
Reaktionäre „ewige“ Sprache
Um den gesellschaftlichen Kampf zu unterdrücken, strebt die herrschende Klasse danach, den ideologischen Zeichen einen über den Klassen stehenden ewigen Charakter zu verleihen. Während Sprache einerseits dazu führt, dass das Individuum durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt zur Erkenntnis des eigenen Selbst kommt, hat die Vernetzung mit anderen auch das Vorhandensein einer kollektiven Sprachgemeinschaft zur Folge.
Weiterführende Links:
- RLS (29.7.2024): tl;dr #40: Marxismus und Sprachphilosophie – https://www.youtube.com/watch?v=7wNn-St1UbA
- Die Linke SC-RH (20.1.2023): Pierre Bourdieu und die feinen Unterschiede – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/gesellschaft/pierre-bourdieu-und-die-feinen-unterschiede/
- Die Linke SC-RH (19.5.2022): Bildung und Klasse – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/gesellschaft/bildung-und-klasse/