Mit Klassenkampf zur Commonisierung

04. April 2025  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Bei der Besetzung des Hambacher Forsts wurde Solidarität und die daraus entstehende reale Macht spürbar, 2017 (Flickr: Bluecloud9, CC BY-SA 2.0).

Statt Profitmaximierung für Einzelne sollte man auf solidarische Selbstorganisation setzen, um den Bedürfnissen der Vielen gerecht zu werden, lautet die Botschaft von Indigo Drau und Jonna Klick. Die beiden stellten ihr Buch „Alles für alle“ in der 267. Folge des Dissens-Podcasts vor.

Neue Gesellschaft im Hambacher Forst

„Commonisierung“ ist der Prozess der bedürfnisorientierten Selbstorganisation, eine soziale Praxis, die gesellschaftliche Solidarität herstellt. So können neue, sorgende Beziehungen zur Umwelt aufgebaut werden. „Das ist eine vollkommen andere Logik als der Kapitalismus“, erklärte Indigo Drau. Denn das bedeute letztendlich Klassenkampf, da man sich dafür die Produktionsmittel aneignen und sie vergesellschaften müsse, führte die Aktivistin aus. Sie selbst war vor sieben Jahren bei der Waldbesetzung im Hambacher Forst dabei gewesen. „Im Baumhaus-Dorf lernte ich, wie viel ich leisten kann, wenn der Prozess bedürfnisorientiert ist und man sich das Ziel selber setzen kann“, erinnerte sie sich.

Solidarität weltweit

In solchen sozialen Kämpfen entstünde eine unglaublich starke Solidarität. So hätten etwa während der Räumung Omas Karabiner zur Höhensicherung in Kaffeedosen versteckt an der Polizei vorbei zu den Aktivist*innen geschmuggelt. „Wenn man sich organisiert, kann man zusammen Dinge erreichen, die man sich vorher gar nicht vorstellen konnte“, ist sich Drau sicher. Daraus könne auch eine reale Macht entstehen. Aktuell gäbe es vereinzelte Commons, die in kleinen Gemeinschaften Solidarität organisierten, etwa Solidarische Landwirtschaften (Solawis). „Damit allein kann man den Kapitalismus nicht aufheben“, stellte sie jedoch klar. Denn die Solidarität müsse nicht nur regional, sondern vor allem global geschaffen werden, um eine weltweit vernetzte Arbeitsteilung befreiter Gesellschaften zu ermöglichen.

Kampf für bessere Pflege

Ein Beispiel erfolgreicher Organisation ist für Drau die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. „So wurde für viele Menschen erfahrbar, wie Lebensqualität verbessert werden kann, wenn der Wohnraum nicht in der Hand von wenigen Eigentümer*innen ist“, sagte sie. 2022 kam es in Nordrheinwestfalen zu Pflegestreiks, in denen die Angestellten elf Wochen lang um Mitbestimmung bei Entlastungsmaßnahmen auf den Stationen kämpften. „Die Pflegerinnen wollten ein Arbeitsumfeld, in dem sie ihren Job richtig machen können“, blickte sie zurück. Denn Gesundheit dürfe – ebenso wenig wie Wohnen – nicht dem freien Markt überlassen werden.

Profite oder Wasser für alle?

„Um sich den gesellschaftlichen Reichtum anzueignen, braucht es Kämpfe“, erklärte Drau. Etwa wie im mexikanischen Bundesstaat Puebla. Durch die Wasserfabrik Altepelmecalli von Bonafont, einer Tochterfirma des französischen Lebensmittelkonzerns Danone, wurden dort fast 30 Jahre lang große Mengen an Wasser abgepumpt – und die Region zur Wüste. 2021 besetzten die Anwohner*innen das Abfüllwerk, zerstörten die Tiefenbrunnen und etablierten in den Gebäuden ein Gemeindezentrum mit Bibliothek und einem Landwirtschaftskollektiv.

Die bürgerliche Besitzordnung

„Kapitalismus orientiert sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen, sondern bedroht unsere Lebensgrundlage existenziell“, griff Co-Autor Jonna Klick den Sachverhalt auf. Das eigentliche arbeitsteilige Aufeinander-Angewiesensein der Menschen werde als trennende Konkurrenz, nicht als Miteinander gesehen. Daraus ergebe sich der Zwang zu ständiger Produktionsoptimierung, um die Profite in effizientere Maschinen zu reinvestieren. Und somit auch zum ständigen Wachstumszwang, der unseren Planeten zerstört. „Der Staat stellt sicher, dass ,Andere‘ von der Nutzung ,privater‘ Güter ausgeschlossen sind, kommt er auf die bürgerliche Gesellschaft zu sprechen.

Staat stützt Kapitalismus

Das habe zur Folge, dass die Vielen, die über keine Produktionsmittel verfügten, ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um das herzustellen, was sich auf dem „freien Markt“ verkaufen lässt – nicht das, was gesellschaftlich-ökologisch sei. Die „Entschädigung“ für dieses fremdbestimmte Leben äußert sich häufig über exzessiven Konsum von Warengütern, was wiederum zu Ressourcenverbrauch und Umweltschäden führt. „Der Staat finanziert sich aus Unternehmenssteuern und ist deshalb auf Wirtschaftswachstum angewiesen“, thematisierte Klick dessen Rolle im kapitalistischen System.

Den Betrieb besetzen

Dabei stellt sich die Frage: Was tun? „Die Mitarbeiter*innen in den Betrieben müssen sich organisieren, um sich die Werke selbst aneignen zu können“, erläuterte er. Ein Beispiel sah er in einem Automobilzulieferer bei Florenz, der aus Kostengründen geschlossen werden sollte. „Die Angestellten besetzten das Werk und stellen nun Lastenfahrräder her“, zeigte er Handlungsoptionen auf. Darüber hinaus könnten soziale Bewegungen auf der Straße als Katalysator wirken, um Solidarität herzustellen. Dies könne durch Demonstrationen, aber auch Nachbarschaftskollektive oder feministische Kämpfe um eine andere Verteilung der Sorgearbeit geschehen.

Weiterführende Links:

« zurück