Rassismus als Herrschaftsinstrument

10. Juni 2025  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Gilda Sahebi (links) und Massimo Perinelli (Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Die Polarisierung der Gesellschaft durch Politik und Medien werden aktuell in der 25. Folge von Manypod, dem migrationspolitischen Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung behandelt. Gilda Sahebi sprach dabei über „Spaltung vs. Demokratie“.

Parteien machen rechte Politik

Gilda Sahebi beobachtet in Deutschland einen autoritären Umbau, wie er in vielen anderen Ländern der Erde bereits Realität ist. Seit 2017 habe man mit der AfD eine autoritäre Partei im Parlament sitzen, doch sei die Spaltung und Hetze der Bild-Zeitung in der deutschen Gesellschaft schon in den 1970er Jahren sichtbar geworden. „Die anderen Parteien stellen sich dem autoritären Narrativ der AfD nicht entgegen, sondern bedienen es, um so von mehr Leuten gewählt zu werden“, kritisierte die Journalistin.

Ungleichheit fördert Rechtsruck

Autoritäre Systeme machen den Menschen Angst, indem sie vorgeben, der*die Andere sei kriminell oder ein*e Terrorist*in und müsse deshalb abgeschoben werden. So habe beispielsweise der Unionsfraktionsvize Jens Spahn, als ein Flug gefährdeter afghanischer Ortskräfte und Menschenrechtsaktivist*innen in Deutschland landete, die Rettungsaktion der von den radikal-islamistischen Taliban bedrohten Menschen als „grundfalsch und anmaßend“ bezeichnet. „Die Wissenschaft weiß schon lange, dass die Zustimmung zu autoritären Kräften mit sozialen Themen zusammenhängt“, ging Sahebi auf die eigentlichen Ursachen des Aufstiegs der AfD ein. Doch stehe die im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vereinbarte Erhöhung des Mindestlohns gerade wieder zur Debatte.

Medien und Politik

Rundfunkanstalten hielten es – oftmals aus Angst vor einem rechten Shitstorm – für ihre demokratische Pflicht, Personen wie Alice Weidel (AfD) einzuladen, die dann damit drohten, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abzuschaffen. Stattdessen sei es Aufgabe, mit journalistischer Kompetenz auf solche autoritären Erzählungen zu reagieren – bei Weidel genauso wie bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). „In Deutschland ist das Selbstverständnis, sich mit der Staatsmacht anzulegen, deutlich schwächer“, sagte Sahebi mit Blick auf den Iran. Dort gibt es die höchste Zahl an inhaftierten Journalist*innen – neben der Volksrepublik China –, die wegen kritischem Hinterfragen von Regierungsinstitutionen im Gefängnis sitzen und, im Falle eines Todesurteils, deswegen sterben.

Polarisierung als Geschäftsmodell

So werde es in Deutschland kaum gesagt, dass, wenn ein*e Politiker*in die „Unwahrheit“ gesagt hat, dies eine Lüge war. „Medien wie Bild, Die Welt oder Elon Musks X spiegeln nicht die tatsächliche Realität der Menschen wieder“, kritisierte sie die verzerrte Berichterstattung. Schließlich finanzierten sich diese Medien über diese Strategie, weswegen der Soziologe Stefan Mau sie auch als „Polarisierungsunternehmen“ bezeichnet hatte.

Rassismus in Deutschland

Rassistische Erzählungen sieht sie tief in unserer Gesellschaft verankert. So sei schon bei der Reichsgründung 1871 die Botschaft „Wir gegen die anderen“ populär gewesen. Damals erklärten die Radikal-Nationalen, dass das „deutsche Volk“ sich durch das gemeinsame Blut definiere – dies wurde von 1913 bis 2000 im deutschen Staatsbürgerrecht auch so fortgeschrieben. Doch werde die Erzählung „Die Deutschen gegen die Ausländer“ nicht als gesellschaftliches Problem anerkannt. „Die Politik nutzt Rassismus als Herrschaftsinstrument, weil sich Menschen durch die Einteilung in unterschiedliche Gruppen definieren“, erläuterte Sahebi.

Gemeinsame Ziele finden

Auf der anderen Seite bringe Migration einen großen Erfahrungsschatz an Gefühlen mit. „Das Wissen um persischen Essen oder iranische Witze bereichert mein Leben ungemein“, gibt sie einen Einblick. In Deutschland werde dies jedoch nur als etwas Negatives gesehen – egal ob bei Pol*innen im Ruhrgebiet, deutschen Vertriebenen aus Ostpreußen, italienischen VW-Arbeitern oder Menschen aus muslimischen Ländern. Gesellschaftliche Probleme wie Kriminalität, Gewalt oder Sexismus würden Migrant*innen und Flüchtlingen zugeschrieben. „Dabei sollte jede*r die eigene Polarisierung hinterfragen“, mahnte Sahebi. Wenn sich eine Gesellschaft zu 80 Prozent auf das Ziel eines gemeinsamen guten Lebens einige – dass es den eigenen Kindern besser gehen, weniger Vermögensungleichheit bestehen sollte und bessere Löhne nötig seien – hätten AfD oder Donald Trump keinen Zuspruch mehr.

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