
Der Rechtsextremismus der AfD ist nur ein Spiegel der kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaft. Dem Nationalismus und Konkurrenzdenken müsse eine solidarische Praxis des Miteinander entgegengesetzt werden, forderten Thorsten Mense und Judith Goetz in der 271. Folge des Dissenspodcasts „Rechts, wo die Mitte ist“.
Autoritäre Krisenlösungen
Zwar stünde man nicht vor einem Faschismus wie in den 1930er Jahren, aber andererseits zeigten die von Correctiv öffentlich gemachten Deportationspläne die Gefährlichkeit der politischen Rechten, erläuterte Thorsten Mense. „Wir spüren eine gesellschaftliche Reaktion auf die multiplen Krisen“, sagte er mit Verweis auf die Rechtsverschiebung und sprach Finanzkrise 2007/8, Corona-Pandemie, Klimakatastrophe, Inflation und den Krieg in der Ukraine an. Zusätzlich stelle der Kapitalismus für die meisten Menschen selbst eine Dauerkrise dar. Dieses Gefühl fördere den Wunsch nach autoritären Krisenlösungen und den Rückzug auf Kategorien wie Nation oder Geschlecht. „Die AfD schafft es, das faschistische Potenzial der Gesellschaft zu aktivieren“, stellte er fest.
Die „Mitte“ gegen Migration
Allerdings sei die Partei nicht die größte Bedrohung für die Demokratie – die Ursachen für deren Aufstieg lägen nämlich in der herrschenden Gesellschaftsordnung begründet. Ihr Nationalismus, Rassismus und Antifeminismus sei somit nur das Symptom einer autoritären Entwicklung. „Ein Parteien-Verbot würde daran nichts ändern“, wies Mense auf die strukturellen Probleme hin. Denn die sogenannte „demokratische Mitte“ mache gerade selbst eine autoritäre Wandlung durch, was man etwa in der repressiven Flüchtlingspolitik sehe. Dadurch werde ein Umfeld geschaffen, auf dem der Rechtsextremismus gut gedeihen könne.
Konkurrenz und Faschismus
„Der Autoritarismus ist bis zu den ,Linken‘ um Sahra Wagenknecht und ihr Bündnis zu bemerken“, machte er mit Verweis auf ihre Politik gegen Migration und „Gender-Wahn“ deutlich. Durch Talkshows, Interviews und Platz in den Zeitungen werde diesem Denken in der Öffentlichkeit ein noch größerer Resonanzraum ermöglicht. Andere Parteien übernähmen die Sprache und das Konzept der AfD, indem man sich deren autoritären Lösungen zuwende. Dabei verspreche der Kapitalismus den Menschen ein gutes Leben, enthalte es ihnen aber gleichzeitig vor und mache sie selbst dafür verantwortlich. „Das daraus resultierende Konkurrenzdenken hat Anknüpfungspunkte an ein faschistisches Gesellschaftsbild“, erläuterte er. Denn hier gelte nur das Recht des Stärkeren. Die CDU Sachsen könne man inhaltlich mittlerweile nicht mehr von der AfD unterscheiden, warnte er.
Verschiebung nach rechts
Autoritäre Einstellungen seien Teil der kapitalistischen Ordnung, die auf Ungleichheit sowie rassistischer und geschlechtsspezifischer Diskriminierung aufbaue, beschrieb Judith Goetz. Sie gehörten fest zur bürgerlichen Gesellschaft, der Rechtsextremismus treibe sie lediglich ins Extreme. „Deren ,Lösungen‘ basieren auf Bedrohungsszenarien und Feindbilder“, sagte sie. In Österreich könne man diese Diskursverschiebung nach rechts und deren Normalisierung schon seit Jahrzehnten beobachten. „Die konservativ-rechtsextreme Regierungskoalition ging schnell dazu über, feministisch-frauenpolitischen Einrichtungen die finanziellen Mittel zu kürzen“, blickte sie zurück.
Solidarische Praxis
Die AfD stelle einen modernisierten Rechtsextremismus dar, der sich der veränderten Gesellschaft anpasse. Denn der Extremismus habe sich mit der Demokratie arrangiert und arbeite daran, sie mit demokratischen Mitteln von innen heraus auszuhöhlen. Ziele seien etwa, Minderheitenschutz und Hilfe für verletzliche Gruppen abzuschaffen. „Das ständige Mobilisieren und Demo-Organisieren gegen AfD-Veranstaltungen frisst viele Ressourcen“, gab Goetz die Erfahrung verschiedener Antifaschist*innen wider. Im Vergleich dazu käme das Setzen eigener Gesellschaftsentwürfe jenseits der Partei zu kurz. „Wir müssen in den sozialen Medien gegenhalten“, forderte sie. Andererseits könne man auch durch Engagement in Nachbarschaftsgruppen Menschen für eine solidarische Praxis und gegen autoritäre Abschottungspolitik begeistern.
Weiterführende Links:
- Dissens (28.8.2024): Rechts, wo die Mitte ist – https://podcast.dissenspodcast.de/271-afd
- Die Linke SC-RH (4.2.2024): GEAS. Europa gegen Flüchtlinge – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/geas-europa-gegen-fluechtlinge/
- Mense; Goetz (2025): Rechts, wo die Mitte ist – https://unrast-verlag.de/produkt/rechts-wo-die-mitte-ist/