Solidarisches Wirtschaften oder Kapitalismus

14. April 2025  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Solidarische Landwirtschaft ist eine Form des Commoning, in dem die allein auf Geld basierende Beziehung zwischen den Menschen durchbrochen wird. (Flickr: Christopher Paquette, CC BY 2.0)

Wie Privateigentum, Kapitalismus und die Klimakrise zusammenhängen und was alternative Wirtschaftsformen sein können wurde bei der Veranstaltung „Jenseits des Privateigentums“ erörtert. Dabei sprachen Sabine Nuss und Jonna Klick im Literaturforum im Brecht-Haus.

Ungleichheit im Kapitalismus

„Privatvermögen ist kein persönliches Vermögen“, machte Sabine Nuss klar. Die Zahnbürste, das Essen im Kühlschrank – alles was man zum Leben verbraucht und konsumiert, ist das sogenannte „persönliche“ Vermögen. Privatvermögen hingegen sei produktives Eigentum, das beim Einsatz Erträge erwirtschafte. „Das Privateigentum an Produktionsmitteln, also das Betriebsvermögen, ist in Deutschland äußerst ungleich verteilt“, erklärte sie. Die Vielen, die nicht über sie verfügen, müssen ihre Arbeitskraft verkaufen und in den Fabriken derer arbeiten, denen die Maschinen gehören. „Soziale Ungleichheit ist somit existenziell für den Kapitalismus.“

Wachstumszwang und Klimakatastrophe

Der Mensch sei als soziales Wesen auf Arbeitsteilung angewiesen. Vergesellschaftung ist dabei die Reproduktion einer Gesellschaft über ebendiese Arbeitsteilung. Und in der kapitalistischen Produktionsweise erfolge diese über private Produktion. „Private Unternehmen produzieren isoliert voneinander für einen Markt, ohne genau zu wissen, wie viele ihrer Güter überhaupt benötigt werden“, fasste die frühere Geschäftsführerin des Karl Dietz Verlags das System zusammen. Da andere Firmen jedoch das gleiche herstellten, stünde man mit diesen in Konkurrenz. Das zwinge alle dazu, Kapital anzusammeln, um damit effizientere Maschinen zu kaufen, um mit diesen billiger produzieren zu können als die Anderen. „Die Privateigentumsgesellschaft bedeutet automatisch Wachstumszwang – das ist maßgeblich für den Klimawandel“, beleuchtete sie den Zusammenhang von Wirtschaft und Klimakatastrophe.

Kein Nutzen für die Mehrheit

Die Ideologie des Privateigentums werde jedoch mit einer angeblichen Effizienz legitimiert. So unterstelle man, dass der Mensch ein nutzenmaximierendes Wesen sei, das ständig mehr haben wolle und nur das Privateigentum dazu führe, dass er einer Lohnarbeit nachgehe, um Geld zu verdienen. Denn das so verursachte Wirtschaftswachstum solle als Wohlstand allen Menschen zugute kommen. „Effizienz heißt, dass sich das Kapital gut verwerten lässt – ob es dadurch zu Ressourcenverbrauch, Raubbau oder Umweltschäden kommt, interessiert nicht“, zeigte Nuss die Schattenseite dieses Denkens auf. Eine nachhaltige Effizienz würde hingegen wenig Ressourcenverbrauch, wenig Arbeitseinsatz und einen größtmöglichen Nutzen bedeuten, also die Bedürfnisse von möglichst vielen Menschen befriedigen, etwa durch ausreichend viele Wohnungen, gesunde Lebensmittel oder eine gute Gesundheitsfürsorge. „Davon ist Kapitalismus weit entfernt“, kritisierte sie.

Vergesellschaftung per Grundgesetz

Im Zuge der Industrialisierung ab den 1850er Jahren bildete sich die Arbeiter*innenbewegung, die sich auch für die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln einsetzte. Das sei in der Novemberrevolution 1918 das Hauptanliegen gewesen – weit vor dem Acht-Stunden-Tag oder dem Allgemeinen Wahlrecht, erinnerte Nuss. Die Menschen in den Betrieben wollten selbst die Macht darüber haben, zu entscheiden, wie sie produzieren wollten. „Heutzutage haben Arbeiter*innen mittels Gewerkschaften ein Mitspracherecht bei ihrer eigenen Ausbeutung“, blickte sie in die Gegenwart. Das Grundgesetz halte mit Artikel 15 allerdings die Möglichkeit bereit, Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zu vergesellschaften und in Gemeineigentum zu überführen. „Der Artikel ist in den 75 Jahren der Bundesrepublik noch kein einziges Mal zur Anwendung gekommen“, zog sie eine bittere Bilanz. Jedoch wolle die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ den Gesetzestext mit Leben füllen.

Verlorenes Leben „zurückkaufen“

„Wenn ich 40 Stunden pro Woche einer unbefriedigenden Lohnarbeit nachgehe, will ich für diese verlorene Lebenszeit eine Entschädigung“, kam Jonna Klick auf die Konsequenzen der Entfremdung durch den Arbeitszwang zu sprechen. Oft erfolge dies über Konsum, da man mit den gekauften Gütern machen könne, was man wolle – etwa, mit einem Verbrenner-Pkw über die Autobahn zu fahren, ohne sich Gedanken über die Leute, die vom Klimawandel betroffen sind, zu machen. „Das treibt die Umweltzerstörung noch weiter voran“, thematisierte er die Verantwortung der Konsument*innen.

Der marktkonforme Staat

Um finanziell handlungsfähig zu sein, sei jeder Staat auf Steuereinnahmen angewiesen. Sozialmaßnahmen könnten in diesem Sinne nur durch florierende Unternehmen und ihre Steuern erwirtschaftet werden. „Deshalb ist jeder Staat bestrebt, in seinem Territorium möglichst gute Bedingungen für Kapitalakkumulation zu schaffen“, führte er weiter aus. Auch linke Regierungen seien dieser Staatslogik unterworfen. Und selbst wenn in einem Unternehmen die Beschäftigten die demokratische Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel hätten, produzierten sie immer noch in einem kapitalistischen Marktumfeld in Konkurrenz zu anderen. „Sie müssen Waren verkaufen, um selbst Geld für die Güter des eigenen Bedarfs zu erwirtschaften“, verdeutlichte Klick.

Soziale Beziehungen stärken

Eine mögliche Alternative sah er in Commons, was im Deutschen als „Allmende“ bekannt ist – also gemeinschaftlich genutzte Weideflächen und Wälder. „In der heutigen Diskussion sieht man darin eine Reproduktion jenseits von Markt und Staat“, erläuterte er. Denn das beinhalte Güter und soziale Beziehungen, die durch bedürfnisorientierte Selbstorganisation entstünden. Beispiele seien Solidarische Landwirtschaften (Solawis) oder gemeinsam gestaltete Nachbarschaftszentren.

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