
Ihre Erfahrungen aus dem NSU- sowie dem Reichsbürger*innen-Prozess und eine neue gesellschaftliche Kultur des Zuhörens waren Schwerpunkte von Kathrin Röggla. In der Reihe „Linksbündig“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung stellte sie ihr Buch „Nichts sagen. Nichts hören. Nichts sehen“ vor.
Kultur des Hörens
Man werde darauf trainiert, zu senden, zu sprechen, nach vorne zu gehen, erläuterte Kathrin Röggla. Eine Kultur des Zuhörens existiere hingegen kaum. „Man hört nicht zu, wenn man davon ausgeht ,dass das Gegenüber lügt oder Unsinn redet“, führte die Professorin für Literarisches Schreiben aus. Ähnlich sei es, wenn man nicht zuordnen könne, was gerade los sei. „In den Medien gibt es eine sehr hohe Geschwindigkeit des Diskurses“, sagte sie. Demgegenüber stünde Gremienarbeit wie dem Rundfunkrat Berlin-Brandenburg oder Gerichtsprozesse, wo durch den institutionellen Rahmen eine andere Art des Zuhörens geschaffen werde.
Wichtiger Austausch
„Vor Gericht organisieren Aktivist*innen ein abwechselndes Community-Hören, weil die einzelne Person von der Komplexität des Gehörten überfordert wäre“, erklärte sie. Beispielhaft für diese Praktik sei der NSU-Prozess gewesen. Aber auch beim aktuellen Reichsbürger*innen-Prozess gegen Heinrich XIII. Prinz Reuß sei man auf die anderen Zuhörer*innen angewiesen, die an den jeweiligen Verhandlungstagen vor Ort waren. „Der Austausch ist wahnsinnig wertvoll“, beschrieb Röggla ihre Erfahrungen als Gerichtsbeobachterin.
Gemeinsam gegen den Rechtsstaat
Allerdings habe man bereits in der Warteschlange zum extra errichteten Verhandlungssaal in Frankfurt-Sossenheim Aussagen gehört, Ausländer lebten von „unseren“ Sozialleistungen und gehörten deshalb abgeschoben. „Die da oben“ würden ihrem eigenen Land schaden, indem man Massen an Leuten ins Land lasse. Unter den Zuhörer*innen machte Röggla Pforzheimer Corona-Protestler*innen ebenso aus wie Leser*innen des „Demokratischen Widerstands“ sowie Parteianhänger*innen von „Basis“ oder AfD. Auf der Anklagebank saßen unter anderem der frühere Oberst der Bundeswehr Maximilian Eder, der mit seiner Eliteeinheit die Polizist*innen von der Straße „wegräumen“ wollte, ebenso wie eine einstige Richterin und AfD-Bundestagsabgeordnete. Schon im Sommer 2021 hatte sie vermeintliche Kampfgenoss*innen durch die Keller des Bundestags geführt.
Das Unsagbare sagbar machen
„Die Extreme Rechte hat die Institutionen längst in den Blick genommen“, warnte sie. Die Technik der Aushöhlung sei dabei ein wichtiger Schritt. Aber auch das Besetzen von Begriffen mit rechten Erzählungen, das Umdeuten und Verschieben sei eine ausgeprägte Methode. Denn so solle die Grenze des Sag- und Machbaren gemäß dem rechten Vordenker Götz Kubitschek stets provozierend vorgestoßen werden.
Comedy statt Kultur?
Mit Blick auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erklärte Röggla: „Wir befinden uns im Zeitalter der Eroberungszielgruppen und Quotenfixierung“. Seitens der ARD versuche man einem durch Marktforschungen ermittelten fiktiven Publikum das zu geben, was es wolle. Der Medienstaatsvertrag liste neben Unterhaltung auch noch Kultur als zu erfüllende Aufgabe auf, um Gesellschaft anders zu denken. Doch gäbe es jenseits von Leuchtturmprojekten wie der Berichterstattung über die Berlinale nur noch ganz wenige Kulturproduktionen, abgesehen von Comedy. So sollten in der Literaturkritik in der gesamten ARD im Jahr nur 13 Bücher besprochen werden. „Verschiedenen Perspektiven und Diskussionszusammenhänge werden nicht mehr als Kultur wahrgenommen“, warnte sie.
Weiterführende Links:
- RLS (8.4.2025): Nichts sagen. Nichts hören. Nichts sehen. Buchvorstellung mit Kathrin Röggla – https://www.youtube.com/watch?v=XmX18UDSdsY
- Die Linke SC-RH (19.12.2022): Martina Renner. „Reichsbürger-Razzia“ und Rechtsextremismus – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/gesellschaft/martina-renner-reichsbuerger-razzia-und-rechtsextremismus/
- Die Linke SC-RH (14.2.2023): NSU-Prozess. Schützen Polizei und Verfassungsschutz? – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/gesellschaft/nsu-prozess-schuetzen-polizei-und-verfassungsschutz/