Was treibt junge Leute um?

11. Januar 2025  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Bei der Demonstration „Nie wieder ist jetzt“ setzten am 27. Januar 2024 in Gera laut Polizeiangaben 600 Menschen ein Zeichen gegen rechte Deportationspläne. (Wikimedia: Steffen Löwe Gera, CC BY 4.0)

Von den gesellschaftlichen Problemen profitieren vor allem die Rechten. Was können linke Aktivist*innen tun, um diesem Trend etwas entgegenzusetzen? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Podiumsdiskussion „Was treibt junge Leute um?“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Zivilgesellschaft in der Defensive

Als aktive Zivilgesellschaft in Bautzen, Zittau, Zwickau oder Plauen könne man kaum noch eine eigene Strategie verfolgen, da man nur damit beschäftigt sei, auf Ereignisse der Rechten zu reagieren, beschrieb Jakob Springfeld die Situation. Denn proaktive Aktionen wie ein Christopher Street Day oder eine Demo mit Fridays for Future endeten nur allzu oft in Anfeindungen und Bedrohungen. „Es muss uns wieder gelingen, bei den Problemen der Menschen vor Ort anzuknüpfen“, forderte der Autor des Buches „Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen rechts“. Denn alleine mit mehr Demokratiebildung an Schulen sei es nicht getan.

Klima- und Arbeiter*innenbewegung

Als der Automobilzulieferbetrieb GKN verkündete, das Werk in Zwickau zu schließen, mobilisierte die rechte Gewerkschaft „Zentrum“ mit der Behauptung, die Arbeitsplätze gingen wegen den Linken, Grünen und Fridays for Future verloren. „Die Wahrheit lautete, dass Stellen wegen niedriger Lohnkosten und somit Profitmaximierung ins Ausland verlagert werden sollten“, erklärte er. Deshalb gingen Aktivist*innen nach dem Beispiel der Arbeiter*innen von Florenz in den Betrieb. Dort hatten in einer vergleichbaren Situation Belegschaft und Klimabewegung ihr Werk besetzt, um statt Autoteile nun Lastenräder und Photovoltaikanlagen herzustellen.

Jugendarbeit statt Sparpolitik

„Wir stehen im Osten vor dem Dilemma, dass wir auf jede einzelne Person angewiesen sind“, thematisierte Springfeld die schwierigen Kräfteverhältnisse. Wenn durch eine breite Bündnisarbeit etwa ein Politiker der CDU spräche, seien deutlich mehr Leute als die zehn üblichen Antifas vor Ort. „Die Sparpolitik der Union sorgt dafür, dass zahlreiche Jugendzentren geschlossen werden“, beschrieb er die Problematik der Kompromisse. Doch brauche es gerade solche offenen Räume, in denen sich Jugendliche jenseits rechter Propaganda artikulieren könnten. „Wenn 10 Prozent einer Klasse rechtsextrem eingestellt sind, sorgen sie dafür, dass die restlichen sich nicht mehr trauen, etwas dagegen zu sagen“, sagte er. Nur durch emanzipatorische Alternativangebote anstatt der zahlreichen rechten Kampfsportclubs könne man die gesellschaftliche Schieflage bekämpfen.

Asylpolitische Katastrophe

Sie habe die Grünen – gemeinsam mit vielen anderen – verlassen, da sie das Gefühl hatte, mit ihrem Versuch nach Veränderung gescheitert zu sein, erklärte die frühere Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich. Die Partei sei trotz eines guten Programms in der Ampel-Koalition über den Tisch gezogen worden, kritisierte sie. So habe das Verändern durch Regieren nicht funktioniert. „Stattdessen wurde im asylpolitischen Bereich die schlimmsten Sachen der letzten zehn Jahre beschlossen“, rief sie die Zustimmung der Grünen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) in Erinnerung. „Wir sagen, dass es eine Alternative zu solch einer Politik braucht“, erklärte Heinrich.

Es braucht Klassenauseinandersetzungen

Deshalb sei die Initiative „Zeit für was Neues“ gegründet worden. „Die erfolgreichsten Momente in der Vergangenheit waren Klassenauseinandersetzungen“, legte sie die Linie fest. Denn zu geringe Löhne, hohe Mieten und Lebenserhaltungskosten gingen schließlich alle an. So hätten die jungen Menschen extreme soziale Sorgen, die von rechts jedoch immer auf die Migration gelenkt würden. „Wir müssen sagen: ,Das und das ist schlecht und wir verändern das gemeinsam‘“, erklärte Heinrich. Doch müsse man sich auch bewusst sein, dass durch die nächste Demo nicht alles automatisch besser werde. Stattdessen werde es schwierige und langwierige Kämpfe geben.

Zugehörigkeit und Identitätskrise

„Maskulinistische Influencer versprechen mit ihren traditionellen Männlichkeitsbildern finanzielle Freiheit und Beziehungen, in denen man alles machen kann“, erläuterte Noel Özden. Ebenso vermittelten sie ein Zugehörigkeitsgefühl, das an die Identitätskrisen junger Männer anknüpfe, führte der Peer-Trainer im Projekt „Caring Masculinities in Action“ aus. Auch der AfD-Abgeordnete Maximilian Krah positionierte sich mit Sätzen wie „Hör nicht auf Linke, sei nicht schwach, wähl rechts – lass dir nicht einreden, dass du lieb zu sein hast“ in diese Richtung.

Wunsch nach Gemeinschaft

Von linker Seite hingegen kämen nur Reaktionen, aber keine eigenen Inhalte. Doch gäbe es ein starkes Grundbedürfnis nach Gemeinschaft und eine tolle linke Community, die genau dies erfülle. So können junge Menschen glücklicher werden, ohne unbedingt rechten Narrativen zu folgen. „Die Themen müssen allerdings niedrigschwellig angesprochen werden“, skizzierte Özden das linke Engagement. Doch gäbe es ein Problem: Bei vielen Jugendlichen herrsche ein unfassbar großes Ohnmachtsgefühl. Hier böten rechte Influencer online einfache Strategien an. „Es gibt aber keine 1:1-Anleitung, um sich selbst stark zu machen“, sprach er die Komplexität linker Selbstermächtigung an.

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