Die europäischen Strafzölle als Reaktion auf angeblich wettbewerbsverzerrende Subventionen Chinas war Thema in der 10. Folge von Armutszeugnis. Der Wirtschaftspodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigte sich mit der „grünen“ Wirtschaftsmacht der Volksrepublik.
E-Busse in Afrika
Mit chinesischen Solarpaneelen kann der globale Süden seine Dekarbonisierung kostengünstig vorantreiben, ist Sabine Nuss überzeugt. So sollen in Kooperation mit der Volksrepublik in verschiedenen afrikanischen Staaten große E-Bus-Flotten entstehen. „Nigeria will 12.000 E-Busse produzieren“, nannte die ehemalige Geschäftsführerin des Karl Dietz Verlags eine Größenordnung. In der gesamten Bundesrepublik fahren aktuell hingegen nur 1.900 Busse elektrisch.
Ausgelagerte Umweltkatastrophe
Einen Vorsprung machte sie auch bei Seltenen Erden aus. Dabei handelt es sich um 17 metallische Elemente, die nur in geringen Mengen im Erdreich seien, so dass Unmengen an Boden zerstört und mit Chemikalien, Säure sowie Trinkwasser behandelt werden müsse, um sie aus dem Gestein herauszulösen. „In Europa sind die Abbaugebiete in den 70er- und 80er Jahren aus Umweltschutzgründen geschlossen worden“, machte Nuss die gravierende Naturzerstörung deutlich. Nun werde das schmutzige Geschäft in China erledigt, dass 60 Prozent der Abbaugebiete und 87 Prozent der Verarbeitungsstätten hat. „94 Prozent der nach Deutschland importierte Seltenen Erden stammen aus der Volksrepublik“, beschrieb sie das Auslagern der Umweltschäden.
Seltene Erden zur Energiewende
Nachdem es zu Handelsstreitigkeiten wegen US-amerikanischer Zölle gekommen sei, habe China Exportkontrollen für die Seltenen Erden Gallium und Germanium eingeführt, die für die Halbleiterproduktion, beispielsweise in Solarpaneelen, essenziell sind. Obwohl die USA und die EU der Volksrepublik wettbewerbsverzerrende Subventionen bei der Produktion von E-Autos vorwerfen, profitierten ausländische Konzerne in China, beispielsweise VW, selbst von den dortigen Unternehmensförderungen.
Gute und böse Subventionen
„China kritisierte die Industrieländer dafür, dass sie ihre Agrarprodukte mit Unmengen an Steuergeldern subventionieren“, bezog sich Nuss auf Merle Groneweg, Vorstandsmitglied der handelspolitischen NGO PowerShift. Beim Treffen der Welthandelsorganisation (WHO) in Dohan hatten die Vertreter*innen der Volksrepublik die Zerstörung lokaler Märkte durch westliche Subventionen angeprangert. Der chinesische Staatskapitalismus mit seiner langfristigen Planung von Prozessen und die nicht allumfassende Dominanz des Marktes erleichtere den gesellschaftlichen Umbau zur Dekarbonisierung, überlegte Nuss. Andererseits basierten die Verkehrskonzepte für Millionenstädte auf der umfassenden Datenauswertung sämtlicher Verkehrsteilnehmer*innen.
Ausbeutung der Arbeiter*innen
„Die Preise für chinesische Produkte sind so günstig, weil die Arbeiter*innen, etwa Uigur*innen in sogenannten Umerziehungslagern, ausgebeutet werden“, erinnerte Merle. Trotz der dortigen Zustände würden deutsche Firmen die Komponenten jedoch beziehen, um sie ihrerseits weiterzuverarbeiten. Somit kaufe man Bauteile für E-Autos, Batterien und auch ganze Solarpaneelen, obwohl Deutschland die Dekarbonisierung im eigenen Land aktiv behindert habe. Als Beispiele führte die Mitarbeiterin am Seminar für Ostasienstudien der Humboldt-Universität Berlin den verspäteten Kohleausstieg 2038 sowie den Widerstand gegen das europäische Verbrenner-Aus 2035 an.
Umweltschutz oder Wirtschaftswachstum
Mario Draghi, der frühere Chef der Europäischen Zentralbank, trat dafür ein, die EU im Bereich der grünen Technologien für klimaneutrales Wirtschaften zum Weltmarktführer zu machen. Damit stehe die Gemeinschaft Wirtschaftskommentatoren zufolge jedoch in mehreren Widersprüchen, erläuterte Eva Völpel. Zwar würde der Import billiger Solarmodule aus China der europäischen Dekarbonisierung helfen, andererseits würde dabei die Wettbewerbsfähigkeit der Union im Bereich der erneuerbaren Energien erschwert werden. Und durch chinesische Produkte sei manchen Analyst*innen zufolge ein Sicherheitsrisiko gegeben.
Kooperation statt Konkurrenz
Dem gegenseitigen Konkurrenzdenken um die Wettbewerbsfähigkeit staatskapitalistischer Länder gegen die Wirtschaftskraft kapitalistischer liberaler Demokratien will sich die RLS-Referentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik entziehen. Als ersten Schritt solle man statt des euphemistischen Wortes „Wettbewerbsfähigkeit“ ehrlicherweise von „Konkurrenz“ sprechen. Auch sei es nötig, dass die linken Kräfte europäische Sozialstandards durchsetzen, um „bessere“ Standortbedingungen auf Kosten der nationalen Arbeiter*innen zu verhindern. Von Gewerkschaften forderte sie eine Abkehr vom Standort-Konkurrenzdenken. „Ein Werk in Osnabrück darf nicht gegen eines in China ausgespielt werden“, machte sie den internationalen Ansatz der Arbeiter*innenbewegung deutlich. Kooperativen seien Beispiele, in denen Zusammenarbeit statt Konkurrenz gelebt werden würden.
Weiterführende Links:
- RLS (8.11.2024): #10: Wettbewerbsfähigkeit: Wie uns eine Ideologie spaltet und Nationalismus befördert – https://www.youtube.com/watch?v=yvyZoTuTZDY
- Die Linke SC-RH (27.10.2024): Armutszeugnis. Wettbewerbsfähigkeit – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/armutszeugnis-wettbewerbsfaehigkeit/
- Klimareporter: Chinas Klima- und Umweltpolitik – https://www.klimareporter.de/tag/chinas-klima-und-umweltpolitik