Ausbeutung in Deutschland und weltweit

29. Dezember 2024  Global
Geschrieben von Kreisverband


Abhängen von ausgenommenen Schlachtrindern im Kühlraum eines Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetriebs. In diesem Arbeitsumfeld sind häufig migrantische Belegschaften beschäftigt, beispielsweise beim deutschen Tönnies-Konzern. (Flickr: Watershed Post, CC BY 2.0)

Die Frage, was „Überausbeutung“ aus marxistischer Perspektive bedeutet und wer in der Bundesrepublik von solchen Praktiken betroffen ist, war Thema der Marx-Herbstschule. Der Vortrag „Wie sind Ausbeutungsregime strukturell verbunden?“ wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert.

Die Akkumulation des Kapitals

Im Kapitalismus geben Arbeiter*innen mehr aus, als mit ihrem Lohn kompensiert wird. „So arbeiten sie einerseits für ihre eigene Reproduktion, andererseits leisten sie Mehrarbeit, die den Kapitalist*innen zugute kommt“, rief Janina Puder die marxistischen Grundzüge in Erinnerung. Das Abschöpfen der so erarbeiteten Profite durch die Kapitalist*innen bezeichne man auch als die Akkumulation des Kapitals. Da die Arbeiter*innen über keinerlei Produktionsmittel verfügen, müssen sie ihre Arbeitskraft auf dem „Markt“ verkaufen, um ihre Lebensunterhaltskosten zu decken.

Überausbeutung bedeutet Mehrarbeit

Während die Kapitalist*innen die Ausbeutung der Arbeiter*innen immer mehr ausweiten wollen, versuchen diese wiederum, dies zu begrenzen oder gar gänzlich abzuschaffen. Möglichkeiten dazu stellen kollektive Arbeitskämpfe oder politische Maßnahmen wie die Arbeitszeitbegrenzung oder die Einführung eines Mindestlohns dar. „Bei Überausbeutung verschiebt sich das Verhältnis von notwendiger Arbeit immer mehr hin zur Mehrarbeit“, erläuterte die Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Lateinamerika. Praxisbeispiele seien längere Arbeitszeiten bei gleichbleibendem Lohn. Marx und Engels hätten solche Vorkommnisse bei den schlechten Arbeitsbedingungen von irischen Frauen in Großbritannien festgestellt.

Kein Geld zum Leben

Das Unterschreiten der Reproduktionsuntergrenze äußert sich darin, dass die Arbeiter*innen nicht mehr genügend Geld für Lebensmittel, Wohnung, Kleidung und den individuellen Entwicklungsstand des jeweiligen Landes haben. Diese Lebenserhaltungskosten unterschieden sich etwa in der Bundesrepublik oder Bangladesch voneinander. „Weltweit gesehen kommt Überausbeutung“ häufiger im globalen Süden vor“, erläuterte die Forscherin der Universität Kassel.

Ausbeutung migrantischer Menschen

Doch auch in Deutschland sind solche Tendenzen zu erkennen – besonders in Bereichen mit einem hohen Anteil migrantischer Arbeit. Dabei sind Kriterien wie Geschlecht oder die Staatenangehörigkeit von Bedeutung. „Arbeitgeber*innen nutzen die unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten ihrer Mitarbeiter*innen, um die Belegschaft zu fragmentieren“, erklärte Puder. So würden bestimmte Arbeitskräfte etwa schlechter entlohnt. Zugleich unterdrücke man die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiter*innen. Darüber hinaus unterliegen migrantische Arbeitskräfte zusätzlichen Mehrfachbelastungen. Neben gesellschaftlichem Rassismus seien sie sowohl von Arbeits-, aber auch Migrationsgesetzen betroffen. Häufig werden sie in unattraktiven Branchen wie der 24-Stunden-Pflege, der Fleischindustrie oder im Bausektor beschäftigt.

Kolonialismus besteht fort

Bafta Sarbo ging auf die historische Entwicklung des Überausbeutungsbegriffs ein, der auf die Dependenz-Theorie zurückzuführen ist. Diese besagt, dass einstige Kolonien auch nach ihrer Unabhängigkeit noch auf die frühere Kolonialmacht angewiesen seien. Häufig sei die Wirtschaft stark auf den Export von Rohstoffen ausgerichtet, die dann in den imperialistischen Zentren weiterverarbeitet würden. Die Ursache liege darin, dass wegen des geringen Lohnes der Arbeiter*innen die inländische Kaufkraft sehr gering sei und das Kapital somit nicht gewinnbringend abgesetzt werden könne. Eine weitere Erwähnung des Begriffs ist in den USA der 1940er Jahre feststellbar. „Die Kommunistische Partei der Vereinigten Staaten beschrieb damit die Situation Schwarzer Frauen“, erläuterte die Sozialwissenschaftlerin. Denn sie hätten als Frauen sowohl reproduktive als auch als Arbeiter*innen produktive Aufgaben zu bewältigen.

Weiterführende Links:

« zurück