Jan van Aken: Worte statt Waffen

15. September 2024  Global
Geschrieben von Kreisverband

Eine Patrouille der UN-Friedenstruppe in Zypern (UNFICYP) in der Pufferzone, 17. Juni 2021 (Thaizacastilho, CC BY-SA 4.0)

Eine vorausschauende Friedenspolitik, um Kriege präventiv zu verhindern sowie jahrzehntelange Versöhnungsarbeit nach blutigen Konflikten sind Forderungen, die Jan van Aken in seinem Buch „Worte statt Waffen“ formuliert. Dieses stellte er bei der Veranstaltung „linksbündig“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) vor.

Friedensschulen in Indonesien

Dass ein Krieg nicht mit einem Friedensschluss beendet sei, machte Jan van Aken am Beispiel der indonesischen Friedensaktivistin Lian Gogali deutlich. 1998 war es auf der Insel Sulawesi zu einem zweijährigen Bürgerkrieg zwischen christlichen und muslimischen Bewohner*innen gekommen. Nach dem Ende des Krieges richtete Gogali „Friedensschulen“ ein, in denen sie Frauen beider Seiten in Kontakt brachte. „Du hast meinen Ehemann ermordet!“, war zu Beginn eine der häufigsten Aussagen.

Wirtschaft und Waffen

„Erst mit der Zeit verstanden die Frauen, dass ihre Männer auch selbst Täter waren, die andere Frauen zu Opfern gemacht hatten“, wies er auf die fatale Dynamik des Krieges hin. Diese Erkenntnis machte gegenseitiges Verständnis und Versöhnung möglich. Nach 15 Jahren Friedensarbeit leben beide Religionen wieder Tür an Tür. „Sind die Wunden nicht geschlossen, ist der nächste Krieg vorprogrammiert“, warnte der RLS-Referent für internationale Krisen und Konflikte. Begünstigt würde der Ausbruch von Konflikten etwa durch ungleiche Weltwirtschaftsbeziehungen oder Waffenexporte.

Geschäfte mit Islamist*innen

Waffenexporte als Mittel der Konfliktlösung sah er demzufolge kritisch. Als Beispiel zog er die demokratische Selbstverwaltung in Nordsyrien heran. Die Frage sei nicht „Liefere ich Waffen an die Kurd*innen?“, sondern: „Wie kann die Bundesregierung die Kurd*innen im Kampf gegen den IS am besten unterstützen?“, betonte er eine neue Sichtweise. Denn um 2014 finanzierte sich die islamistische Terrororganisation fast ausschließlich durch Spenden religiöser Stiftungen aus den Golfstaaten. „Aber da Katar 17 Prozent der VW-Aktien hält, unternahm die Bundesregierung – nichts“, beschrieb van Aken das Scheitern ziviler Lösungsstrategien. Es sei wohl einfacher, Waffen in Krisengebiete zu liefern, als die deutsche Automobilbranche zu gefährden.

Geldflüsse stoppen

Und auch der Umgang mit dem NATO-Partner Türkei hätte auf Regierungsebene ein anderer sein können. „Täglich kamen hunderte IS-Kämpfer über die türkische Grenze, um mit Gewalt ihr Kalifat zu errichten“, sagte er. Hätte es Druck aus Deutschland gegeben, wären die finanziellen Ressourcen aus Katar versiegt sowie die personelle Rekrutierung über die Türkei ausgeblieben. „Das wäre ein viel präventiverer Ansatz gewesen“, lautete sein Urteil. Denn die unkontrollierte Weiterverbreitung von Waffen macht ein Kriegsgebiet nie sicherer.

Öl, Nickel, Autos

Rückblickend hätte er auch 2014 nach der russischen Annexion der Krim ein sofortiges Ölembargo gegen Russland befürwortet. „Das hätte den Staat massiv getroffen und die Eskalation von 2022 vielleicht verhindert“, überlegte van Aken. Denn entweder wirkten Sanktionen schnell und heftig – oder gar nicht, weil der Gegenüber sich auf sie einstellen kann. „Die EU lies sich bis Dezember 2022 Zeit, um die Öllieferungen über den Seeweg zu stoppen“, erläuterte er. Auch unterliege der zweitreichste Russe und enge Freund Putins – Wladimir Potanin – keinerlei europäischer Sanktionen. „Er ist Chef über große Nickelvorkommen und baut mit BASF in Norwegen ein neues Werk auf“, erklärte er die Gegensätze von Rohstoffsicherung für die deutsche Autoindustrie und Diplomatie.

Gemeinsame Friedensgespräche

Die Konrad-Adenauer-Stiftung habe schon kurz nach dem 22. Februar 2022 festgestellt, dass China durch den russischen Krieg nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren hätte. „Die Regierung hat den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verurteilt und liefert keine Waffen an Russland“, beschrieb van Aken deren Politik. Gemeinsam mit Brasilien wolle die Volksrepublik zu Friedensgesprächen einladen. Wenn die USA und die EU das Vorhaben unterstützten, könne man Selensky und Putin an einen Tisch bringen, so die Hoffnung.

Waffen in alle Welt

Dem Ruf nach Aufrüstung begegnete der ehemalige UN-Biowaffeninspekteur mit Zahlen. „Die europäischen NATO-Staaten geben doppelt so viel für ihre Armeen aus als Russland“, sagte er. Bei diesen Verhältnissen bräuchte es keine zusätzlichen 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Ebenfalls kritisierte er die gängige Praxis der Waffenexporte. „Der Verkauf von Waffen an Nicht-EU- oder NATO-Staaten ist eine absolute Ausnahmeregelung“, verwies er auf die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“. Doch diese Ausnahme machte mittlerweile 60 Prozent der Exporte aus. „Ich wünsche mir, dass über jeden einzelnen Antrag im Bundestag diskutiert und beschlossen wird“, brachte er eine Alternativhandhabung ein.

Blauhelme für den Frieden

Um nach einem Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland für Frieden zu sorgen, seien seiner Ansicht nach UN-Blauhelme geeignet. „Wenn der Krieg beendet ist und es eine über 1000 Kilometer lange Demarkationslinie zwischen den Staaten gibt, sollte diese von UN-Truppen kontrolliert werden“, lautete sein Vision. Allerdings grenze er sich dabei scharf von „robusten“ Einsätzen wie in Mogadischu (1992), Ruanda (1994) oder Sebrenica (1995) ab. Denn diese Aufträge, in einem laufenden Krieg den Frieden zu erkämpfen, seien allesamt gescheitert.

Neutral und unbewaffnet

Demgegenüber plädierte van Aken für die „klassischen“ Einsätze, die es seit 1948 gab. Sie erfolgten nur, wenn der Krieg vorbei war und alle Seiten mit dem UN-Einsatz einverstanden waren. In solch einem Fall kontrollierten die unbewaffneten und neutralen UN-Soldaten das Gebiet zwischen den früheren Konfliktparteien, um ein Wiederaufflammen der Kampfhandlungen zu vermeiden. Ein erfolgreiches Beispiel sei der UN-Einsatz, der seit 1974 die Pufferzone zwischen (dem griechischen) Zypern und türkischen Nordzypern kontrolliert.

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