Mit Aufrüstung zum Frieden?

22. Juni 2025  Global
Geschrieben von Kreisverband

Regenbogenfahne auf einem Ostermarsch mit dem Begriff Frieden in hebräischer Schreibweise für Schalom und arabischer für Salām. (Bernd Schwabe in Hannover, CC BY 3.0)

Wie kann Widerstand jenseits der militärischen Logik von Mittelstrecken-Raketen und Atombomben aussehen? Dieser Frage ging die Veranstaltung „Europa rüstet auf. Kommt so der Frieden?“ des Schweizer Radio und Fernsehens nach.

Die Aufrüstungsspirale beenden

„Je mehr aggressive Waffen wir aufbauen, desto mehr fühlt sich der Gegner bedroht und wird ebenfalls Aggressionspotenzial aufbauen“, beschrieb Olaf Müller die Spirale der Aufrüstung. Deshalb spreche er sich als relativer Pazifist für defensive Waffen an der NATO-Ostgrenze aus, nicht jedoch für eine europäische Atombombe. Der politisch-gesellschaftliche Diskurs sei jedoch ein anderer. „Das macht mir Sorgen“, bekannte der Philosoph offen.

Zivilen Widerstand organisieren

Menschen mit einem optimistischen Weltbild neigten stärker zum Pazifismus, so Müller. Sie setzten darauf, dass die einfachen Soldat*innen ganz normale Menschen seien. „Bei Hunger, Kälte und Beschuss radikalisiert man sich ins Böse hinein“, erklärte er menschliche Reaktionen auf Bedrohungssituationen. Als Beispiel führte er den zivilgesellschaftlichen Widerstand in der ukrainischen Stadt Slawutytsch. Die 250.000-Einwohner*innen-Stadt nahe Tschnernobyl war zu Beginn des russischen Überfalls 2022 kampflos eingenommen worden. In der Folge organisierte die Bevölkerung friedliche Massendemonstrationen.

Deeskalierend wirken

„Daraufhin kam es zu Verhandlungen, infolge dessen der inhaftierte ukrainische Bürgermeister freigelassen wurde“, zeigte er diese alternative Handlungsmethode auf. Die Ukrainer*innen ihrerseits verzichteten auf bewaffneten Widerstand und räumten den russischen Truppen das Recht ein, in den Häusern nach vorhandenen Waffen zu suchen. „Während der gesamten Besatzungszeit gab es keine Folterungen oder Hinrichtungen“, kam er auf die so zum positiven gewendete Situation zu sprechen. Deshalb wünsche er sich auch – als gleichwertige Möglichkeit zum Wehrdienst – das Training solcher sozialer Verteidigungsformen. „Das sind deeskalierende Maßnahmen gegenüber einem bewaffneten Gegner“, erläuterte Müller.

Abschreckung ohne große Aufrüstung

Obwohl Militärs sagten, Russland könne nach einem Waffenstillstand mit der Ukraine erneut aufrüsten, sei der russische Verteidigungshaushalt geringer als die Militärausgaben der EU. „Bei der Bundeswehr hat man mir gesagt, dass der Angreifer bei der Eroberung einer Stadt zehnmal stärker sein muss als der Verteidiger“, rief der einstige Wehrdienstleistende militärische Grundsätze in Erinnerung. Deshalb müsse man für eine erfolgreiche Abschreckung also nicht einmal so viel ins Militär investieren wie Russland, so seine Folgerung. „Zur Sicherung der Grenze braucht es Luftabwehrsysteme, aber keine in Deutschland stationierten US-Mittelstrecken-Raketen, die bis nach Moskau reichen“, stellte Müller klar.

„Keine Appelle“

„Ich habe seit 15 Jahren verfolgt, was Wladimir Putin sagt“, erklärte die Politphilosophin Katja Gentinetta. Deshalb sei der Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 das gewesen, was irgendwann habe geschehen müssen. Denn Putin habe seit seinem Regierungsantritt 1999 massiv aufgerüstet. Wer Menschen mit Waffen bedrohe, verstehe ihrer Einschätzung nach keine moralischen Appelle, sondern nur Machtverhältnisse. „Es hat unzählige Versuche gegeben, mit ihm Gespräche zu führen, doch hat er trotzdem seine Ziele weiterverfolgt“, bilanzierte sie das Scheitern diplomatischer Bemühungen.

Konsens ist wichtig

Bei solch einem Gegenüber auf „das Gute“ im Menschen zu vertrauen, sei für sie eine Illusion. So habe etwa Jürgen Habermas festgestellt, dass ein Dialog nur dann ein Dialog sei, wenn beide Partner*innen wahrhaftig aufträten und an einem Konsens interessiert seien. „Das funktioniert bei Putin nicht“, sagte Gentinetta. Wenn kein gerechter Friede in Aussicht stehe, könne Diplomatie auch nichts bewirken, so ihre Einschätzung.

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