Mit Degrowth-Plan gegen Kapitalismus

01. Oktober 2025  Global
Geschrieben von Kreisverband

Kreuzfahrten – hier die Independence of the Seas – sollen der Vergangenheit angehören. 2019 wurde im deutschen Kreuzfahrtgeschäft ein Umsatz von über 5,1 Millionen Euro erzielt. Die Stiftung Warentest ermittelte, dass die Gehälter der Beschäftigten im Schnitt weniger als die Hälfte des deutschen Mindestlohns betrugen. (Wikimedia: Ernmuhl, CC BY-SA 3.0)

Wie der kapitalistische Wachstumszwang das Leben auf dem Planeten zerstört und wie eine Degrowth-Ökonomie dem Abhilfe verschaffen könne, erläuterte Matthias Schmelzer im Dissens-Podcast über „Ökologische Planung als kollektive Rückeroberung der Zukunft“.

Illusion „Grüner Kapitalismus“

Obwohl erneuerbare Energien im Einkaufspreis eindeutig billiger seien, investierten die Unternehmen immer mehr in Öl und Gas. Der Grund: „Bei fossilen Brennstoffen ist die Gewinnspanne viel größer“, erklärte Matthias Schmelzer. Darüber hinaus brauche eine kapitalistische Wirtschaft jedes Jahr ein Wachstum von etwa drei Prozent, um aufrecht erhalten werden zu können. „Die Wirtschaft würde sich also alle 23 Jahre verdoppeln“, rechnete der Wirtschaftshistoriker vor. Und bis 2100 werde die Weltwirtschaft dadurch auf das Siebenfache ihrer jetzigen Größe angewachsen sein. „Das bedeutet siebenmal mehr Autos und Konsumgüter, die alle mit grüner Energie hergestellt werden sollen“, führte er aus. „Es ist illusorisch, dass grüner Kapitalismus funktionieren kann.“

Einsparung durch Krisen

Im Kapitalismus seien die CO2-Emissionen nachweislich nur durch Krisen, nie aber durch Einsparungen aufgrund besserer Effizienz, gesunken. So war ein Rückgang der Treibhausgase einzig während der Ölkrise von 1973, der Finanzkrise 2007/08, oder durch die Lockdowns der Corona-Pandemie 2020/21 zu verzeichnen gewesen. Auch sei der Gedanke über die künstliche Speicherung von CO2 im Boden (CSS) in dem nötigen Ausmaß vollkommen unrealistisch. „Um die grünen Technologien im Norden aufzubauen, muss der globale Süden auf neokoloniale Weise massiv ausgebeutet werden“, spann Schmelzer den Bogen zu den ärmeren Ländern.

Rückgang der Nachfrage

„Das komplette CO2-Budget ist eigentlich jetzt schon vollständig aufgebraucht, so dass die Emissionen möglichst schnell zurückgefahren werden müssen“, warnte der Wissenschaftler. Dabei habe schon der IPPC betont, dass die schnelle Reduktion durch einen Rückgang an Nachfrage von Energie erfolgen müsse. „Degrowth will die Produktion und den Konsum in den Gesellschaften des reichen Nordens demokratisch und gezielt verringern“, erklärte der Degrowth-Forscher. So könne der ökologische Druck reduziert und globale Ungleichheit verringert werden.

Lebensstil für alle

So solle es weniger zerstörerische und rein auf Luxus orientierte Produkte geben, sondern mehr sozial und ökologisch sinnvolle Dienstleistungen wie Ernährung, Pflege, Erziehung, Reparatur kaputter Güter oder erneuerbare Energien. „Wir müssen weg von der imperialen Lebensweise hin zu einem universalisierbaren Verbrauch, der für alle Menschen möglich ist“, forderte er. Darin hätten SUVs, Privatjets und Kreuzfahrten keinen Platz mehr. Flankiert werden müsse dies von der Deckelung von Preisen für Verbrauchsgüter. „Es braucht eine demokratische Steuerung der Daseinsfürsorge durch Bürger*innenräte, Selbstverwaltungen und kommunale Energie- und Wohnraumversorgung“, stellte Schmelzer klar.

Die „Donut-Wirtschaft“

So könne man in diesen Bereichen die ökologische Planung – jenseits des freien Marktes – organisieren. Zur Veranschaulichung zog er die „Donut-Wirtschaft“ von Kate Raworth heran. Dabei umfasse der äußere Rand des süßen Gebäcks die neun planetaren Belastungsgrenzen, während der innere Rand das soziale Fundament – Grundbedürfnisse, die für alle Menschen gesichert sein müssen – darstelle. „In der Mitte zwischen beiden Grenzen ist Leben möglich“, sagte Schmelzer. Dafür sei es jedoch wichtig, gemeinschaftlich zu planen, was als verzichtbar gelte. „Gesellschaftliche Versorgungssysteme wie Mobilität, Wohnen und Gesundheit müssen so organisiert werden, dass sie das Wohlergehen innerhalb ökologischer Grenzen garantieren“, erläuterte er.

Ökologische und soziale Arbeitsplätze

Diese Umstellung bedeute ÖPNV und öffentlichen Fernverkehr anstatt autobasiertem Individualverkehr, keine Einfamilienhäuser, sondern bedürfnisorientiere Wohnraumentwicklung und kommunale Energieversorgung. Dabei müsste das, was lokal geplant und organisiert werden könne, auch auf der untersten Ebene direkt vor Ort geregelt werden. „Das Freiwerden von klimaschädlichen Jobs führt zu einer Beschäftigungsgarantie in ökologisch und sozial wichtigen Berufen“, erläuterte er. Denn dort bestehe – und das auch schon heute – ein enormer Personalmangel. Weitere Ziele des Wirtschaftsumbaus seien eine Arbeitszeitverkürzung für die unteren Lohngruppen bei vollem Lohnausgleich, etwa in Form einer 4-Tage- oder 30-Stunden-Woche.

Weiterführende Links:

« zurück