Deutsche Medien, Chomeini und Afghanistan

18. September 2024  International
Geschrieben von Kreisverband

Mudschahedin in der nordöstlichen Provinz Kunar in der Nähe von Asmar, 1985 (Erwin Lux, CC BY-SA 3.0)

Die falsche Wahrnehmung des Islam in deutschen Medien war Schwerpunkt des Vortrags „Stereotype über Muslim*innen und ihre Entstehungsgeschichte in der BRD“. Dieser wurde von der Stiftung Demokratie Saarland organisiert.

„Scheichs gegen Europa“

Nicht die in Deutschland lebenden muslimischen Arbeitsmigrant*innen aus der Türkei, Marokko oder Algerien waren für die Medien der Gradmesser über „die Muslime“, sondern außenpolitische Ereignisse, stellte Alexander Konrad bei seinen Recherchen von 1970 bis 2000 fest. Titelte der „Spiegel“ 1973 „Ölscheichs gegen Europa“ – im Zuge des Jom-Kippur-Krieges gegen Israel drosselten die arabischen OPEC-Staaten die Erdölproduktion, so dass der Preis um 70 Prozent anstieg. Während dies mit wenig Bezug auf den Islam geschah, sollte sich dies mit der Iranischen Revolution 1979 ändern.

Mit Turban und Krummsäbel

Die von den USA gestützte Pahlavi-Dynastie herrschte autoritär und unterdrückte sowohl kommunistische als auch islamische Bewegungen. Schließlich wurde der Schah von einem breiten Bündnis aus Marxist*innen und Muslim*innen unter der Führung des im französischen Exil lebenden Ruhollah Chomeini gestürzt. Nun blickte vom „Spiegel“-Cover Chomeini mit erhobenem Krummsäbel und der Überschrift „Chaos im Iran“. Einer, der live vor Ort berichtete, war der ARD-Korrespondent Peter Scholl-Latour. „Er sah nicht Menschen oder politische Prozesse als ausschlaggebend für Ereignisse, sondern die jeweilige Kultur“, skizzierte Konrad dessen Herangehensweise.

Keine politische Einordnung

Obwohl er als scheinbarer Asien- und Islamkenner gehandelt wurde, verwechselte Scholl-Latour unter anderem mongolische Herrscher mit den vom 16. bis 19. Jahrhundert in Indien regierenden Moguln. Die Trauermärsche, die im Gedenken an von iranischen Sicherheitskräften getöteten Demonstranten organisiert wurden, ordnete der Korrespondent nicht in diesen politischen Kontext ein, sondern schrieb von einer „schiitischen Wonne am Tod“. Auch sah er in den Massenprotesten nicht die Menschen als handelnde Akteur*innen, sondern das einfache Volk als „vom Islam“ beeinflusst.

Eine islamische Invasion?

Scholl-Latours Fazit lautete schließlich: „Im Grunde hat sich das Abendland nie in einer so gefährlichen Situation befunden wie seit dem Sturm der Sarazenen und später der Türken.“ Damit spielte er auf die Expansion islamischer Herrscher an, etwa von Abd ar-Rahmān (732: Schlacht von Tours und Poitiers) oder Mehmed IV. (1683: Belagerung von Wien). Damit projizierte er die Gefahr eines iranischen Angriffs auf Europa, was jedoch nie der Fall war, da es Chomeini einzig um die Festigung seiner Macht im Inneren ging – was er mit dem theokratischen Regime auch erreichte.

Angst vor „dem Russen“

Eine weitere mediale Zuschreibung folgte ebenfalls 1979, als die der Sowjetunion nahestehende afghanische Regierung in interne Machtkämpfe zerfielt und die Rote Armee, um für „sichere Verhältnisse“ zu sorgen, intervenierte. Im Westen wurde das nicht als eine Wiederherstellung bisheriger Einflusssphären gesehen, sondern als eine expansive Aggression interpretiert. „Laut Umfragen hatten daraufhin 35 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung Angst vor einem sowjetischen Angriff auf Deutschland und somit einem Dritten Weltkrieg“, schilderte Konrad die damalige Atmosphäre.

Islamistische Freiheitskämpfer

Konservative wie der CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer sahen in den islamistischen Mudschahedin Freiheitskämpfer gegen die sowjetischen Truppen. Nach einem Afghanistan-Besuch schrieb der Bundestagsabgeordnete über die extreme Grausamkeit der russischen Soldaten und die Gastfreundschaft der Mudschahedin mit ihrem tiefen islamischen Glauben. „Todenhöfer lud über die Konrad-Adenauer-Stiftung den Islamisten Gulbuddin Hekmatyār nach Deutschland ein und man traf sich mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß“, erläuterte Konrad das Engagement des Juristen.

Kriegerischer Islam?

Mit der durch Michail Gorbatschow einsetzenden Entspannungspolitik ab 1987 änderte sich jedoch der mediale Diskurs. Das „Feindbild“ der Sowjetunion war nicht mehr opportun, so dass nun die Kriegsverbrechen der Mudschahedin thematisiert wurden. Ihnen gegenüber stand die Rote Armee als Garant für die staatliche Ordnung. „Der Islam wird jetzt als kriegerisch konnotiert“, fasste der Kulturwissenschaftler den Wandel zusammen.

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