Die Situation in Gaza und dem Westjordanland

22. November 2024  International
Geschrieben von Kreisverband

Palästinenser*innen untersuchen die Schäden nach einem israelischen Luftangriff im Gebiet El-Remal in Gaza-Stadt am 9. Oktober 2023 (Palestinian News & Information Agency (Wafa) in contract with APAimages, CC BY-SA 3.0)

Bombardierungen, Flucht und Hunger im Gazastreifen sowie Vertreibung und Gewalt durch Siedler*innen im Westjordanland waren Schwerpunkte des Vortrags von Chris Whitman. Die Veranstaltung „Ausweitung der Kampfzone. Zum Krieg in Gaza und dem Libanon“ wurde von Medico International organisiert.

Militärische Besetzung

Der erste israelische Evakuierungsbefehl für die nördlichen 40 Prozent des Gazastreifens erfolgte im Oktober 2023. „Davon waren 70 Prozent der Bevölkerung betroffen“, verdeutlichte Chris Whitman die Dimensionen. Allerdings wären noch etwa 400.000 Menschen im Norden geblieben. „Ein sogenannter ,Plan der Generäle‘ sieht vor, alle Palästinenser*innen zu evakuieren, sämtliche Lebensmittellieferungen und medizinische Versorgung einzustellen und eine Säuberungskampagne zu starten“, beschrieb der Leiter des Medico-Büros Israel/Palästina Überlegungen im Militär. Abgeschlossen sollte dies mit der Besetzung des Territoriums durch die Armee.

Hunger und Kälte

„Allein im letzten Monat sind mindestens 1.100 Menschen durch die israelischen Bombardements getötet worden“, erläuterte er. Von den 2,2 Millionen im Gazastreifen lebenden Menschen befänden sich 1,8 Millionen im Süden. Die meisten von ihnen lebten in Küstennähe in Zelten und seien auf Nahrungslieferungen per Lkw angewiesen. Doch das wenige Essen würde entweder geplündert, gestohlen oder auf dem Schwarzmarkt verkauft. Einem UN-Bericht zufolge dauere es zweieinhalb Jahre, um mit den von Israel zugelassenen Lieferungen die Zelte wetterfest für den nahenden Winter zu machen. „Die Menschen im Norden wollen lieber in ihren eigenen Häusern durch Bomben getötet werden als im Süden in Zelten zu verhungern“, fasste Whitman die Situation zusammen.

Kolonialpolitik im Westjordanland

Die meisten Palästinenser*innen wurden im vergangenen Jahr schon mindestens siebenmal vertrieben. „Hier wird das Fehlen einer politischen Lösung sichtbar“, kritisierte er. Seitens der israelischen Regierung strebe man einzig einen militärischen Sieg über die Hamas an. Doch weder werde die Hamas dadurch besiegt noch eine einzige Geisel zurückgebracht werden können. „Ein Friede ist so nicht möglich“, mahnte Whitman. Doch auch im Westjordanland sei die Situation schwierig. „Hier haben die Siedler*innen, die Armee und der Staat freie Hand bei ihrer Kolonialpolitik“, warnte er. Nach den Angriffen der Hamas aus dem Gazastreifen sei auch das Gebiet der Palästinensischen Autonomiebehörde abgeriegelt und ein getrenntes Straßensystem geschaffen worden. Teile davon würden komplett von Siedler*innen-Milizen kontrolliert werden.

Illegale Siedlungen

„In dieser Atmosphäre werden wahrscheinlich bestehende Siedlungen erweitert und neue gegründet“, so seine Prognose. Seien im letzten Jahrzehnt pro Jahr durchschnittlich zehn neue Außenposten von nationalistisch-religiösen Siedler*innen gegründet worden, habe es seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 45 Neugründungen gegeben. Darüber hinaus habe die Regierung rund 70 Siedlungen zu legalen Bauten erklärt. „Den Anfang machen zwei oder drei Siedler*innenfamilien in Wohnwagen, die eine Armeepatrouille erhalten“, beschrieb er den Beginn eines Außenpostens. Die Soldat*innen gingen in den umliegenden palästinensischen Dörfern auf Streife und begännen, dort Kinder zu verhaften.

Gewalt durch Siedler*innen

„90 Prozent der Personen, die im Westjordanland verhaftet wurden, lebten weniger als 900 Meter von israelischen Siedlungen entfernt“, bezog er sich auf ausgewertete Daten. Im Laufe der Zeit hörten die palästinensischen Familien auf, das Ackerland in der Gegend zu bestellen und suchten sich entferntere Arbeitsplätze. „Daraufhin erklären die Siedler*innen das Land als ungenutzt und verleiben es sich ein“, führte Whitman aus. So habe etwa die Zahl der Angriffe durch Siedler*innen im letzten Jahr um über 100 Prozent zugenommen. Mittlerweile seien im Westjordanland 720 Palästinenser*innen getötet worden. „Die palästinensischen Städte werden mit Siedlungen und Militärposten umgeben und jeder Widerstand der Bevölkerung sofort niedergeschlagen“, zog er ein bitteres Fazit.

Weiterführende Links:

« zurück