Drohnenkrieg nach 9/11

12. November 2024  International
Geschrieben von Kreisverband

Eine mit einer Hellfire-Rakete bewaffnete MQ-1 Predator-Drohne (gemeinfrei)

Die Auswirkungen von Drohneneinsätzen im „Krieg gegen den Terror“ seit 2001 und die Gefahren autonom agierender Kampfdrohnen erläuterte der Politikwissenschaftler Norbert Schepers bei seinem Vortrag „Die Drohnenkriege. Vom Krieg gegen den Terror zu den Roboterkriegen der Zukunft?“, organisiert vom Kurt-Eisner-Verein.

Aufklärung und Tötung

Obwohl unbemannte Flugkörper schon seit 120 Jahren bekannt sind, kam der große Aufschwung der Drohnen in den 1990er Jahren. Vor allem im Jugoslawienkrieg der NATO wurden sie zur Aufklärung und Informationsbeschaffung genutzt. Nach dem Anschlag von al-Quaida auf das World Trade Center am 11. September 2001 kam es schließlich zum Einsatz von Kampfdrohnen, um die Jagd auf Terrorist*innen voranzutreiben. „Die Predator-Drohne könnte als Sinnbild für den, ‘war on terror‘ gelten“, fasste Schepers die Folgen zusammen.

Hinrichtung ohne Prozess

Wurden Aufklärungsdrohnen vormals im Krieg zur Kartierung von Luftabwehrstellungen für nachfolgende Kampfjets eingesetzt, änderte sich ihr Einsatzgebiet hin zu Regionen, in denen kein erklärter Krieg geführt wurde, etwa Pakistan oder Jemen. Dort konnten die mit Hellfire-Raketen bestückten Modelle bis zu 1,5 Tage kreisen, um Mitglieder der Taliban oder al-Quaida zu jagen. „Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie zu einem Terrornetzwerk gehören, werden mittels einem Drohnenangriff ohne Gerichtsprozess hingerichtet“, erläuterte der Politikwissenschaftler das Konzept.

Kaum Überlebende

Bei sogenannten „signature strikes“ seien Mustererkennungen, etwa junge Männer in wehrfähigem Alter, die sich in einer Grenzregion aufhalten, für einen Angriff ausschlaggebend. Auch fließe die massenhafte Datenauswertung der NSA, die Edward Snowden publik gemacht hatte, in die Entscheidung zu einem Luftschlag mit ein. „In der betroffenen Bevölkerung im Irak führten die Drohnenangriffe zu einem großen Zulauf von antiamerikanischen Widerstandsgruppen“, benannte er eine Konsequenz. Wissenschaftler, die den US-geführten Drohnenkrieg im Jemen analysierten, kamen zu dem Schluss, dass es bei den Attacken zu viele Todesopfer und zu wenig Überlebende gäbe, die von den Geheimdiensten als Informationsquellen verhört werden könnten.

Posttraumatische Belastungsstörungen

Im Norden Pakistans kam es zwischen Mai 2009 und Juni 2011 zu zwölf Luftschlägen gegen Rettungskräften, die Opfern von Drohnenangriffen zu Hilfe eilen wollten. 2012 sahen laut dem Pew Research Center‘s Global Attitude project 74 Prozent der Pakistaner*innen die USA als einen Feind an. Drohnenpilot*innen steuern ihre Flugobjekte bis zu zwölf Stunden am Tag, wobei die Entscheidung zum Angriff bei der nächsthöheren Kommando-Ebene liegt. Doch wegen der Geheimhaltung dürfen die Soldat*innen auch nach einer monatelangen Beobachtung einer Zielperson nicht über das Erlebte sprechen. „Sie bleiben mit dem Tötungsbefehl letztendlich allein und leiden oftmals unter posttraumatischen Belastungsstörungen“, sagte Schepers mit Blick auf die Täter*innen, die gleichzeitig auch Opfer seien.

Autonome Kampfdrohnen

Mittlerweile arbeiten über 50 Staaten an eigenen Drohnen-Projekten, wobei die Türkei und die Volksrepublik China einen hohen Marktanteil besitzen. „Es werden mehr US-Soldat*innen für Drohnen ausgebildet als Pilot*innen für Kampfjets“, beschrieb der Forscher die Entwicklung. Diese gehe jedoch zu einer weitgehenden Automatisierung, da die anfallenden Datenmengen von der Drohne selbst verarbeitet werden sollen. Das Ziel: eine selbstständig agierende Kampfdrohne. Auf solch einer automatisierten Auswertung basiere beispielsweise der „Iron Dome“ Israels, mit dem sich der Staat gegen die Raketen der libanesischen Hisbollah schütze. Auch Kriegsschiffe der NATO und Russlands verfügten über automatisierte Luftabwehrsysteme.

Fehler kosten Leben

Allerdings seien automatisierte Systeme auch fehleranfällig. So meldete ein satellitengestütztes Frühwarnsystem der Sowjetunion am 26. September 1983 den Start fünf US-amerikanischer Interkontinentalraketen. Der diensthabende Offizier Stanislaw Petrow bewerte die Computermeldung als Fehlalarm, wodurch er einen nuklearen Gegenschlag der UdSSR verhinderte. Der Molnija-Satellit hatte Sonnenstrahlen irrtümlicherweise als den Abschuss von Atomraketen codiert. Bei vollautomatischen Kampfdrohnen könne es ohne Eingreifen des Menschen zu tödlichen Fehlentscheidungen kommen.

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