Smartphones, Kakao und Bürgerkrieg

30. November 2024  International
Geschrieben von Kreisverband

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung

In der letzten Folge von dis:arm, dem friedenspolitischen Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung, sprachen Jan van Aken, der neue Vorsitzende der Partei Die Linke, und die Journalistin Linda Peikert über wirtschaftliche Ungerechtigkeiten. Sie zeigten auf, wie das Gewinnstreben von Großkonzernen, aber auch der Wunsch nach billigen Lebensmitteln im Supermarkt, an anderen Orten der Welt zu blutigen Kriegen führt.

Kakao sichert Existenzen

„Ein Konfliktrohstoff ist ein Gut, dass in der Konfliktregion vorhanden ist, auf dem Weltmarkt hohe Preise erzielt und somit für einen konstanten Nachschub an Geld und Waffen ins Krisengebiet sorgt“, erklärt Linda Peikert. Beispiele dafür seien etwa Diamanten – oder Kakao. Von einem Rohstoff-Konflikt spreche man hingegen dann, wenn ein bewaffneter Streit um knappe Ressourcen, beispielsweise fruchtbares Ackerland, entbrennt. „In der Elfenbeiküste war Kakao jahrzehntelang das wichtigste Exportprodukt“, erläuterte sie. Vor allem kleinbäuerliche Familienbetriebe konnten sich durch den Anbau von Kakaobohnen eine Existenz aufbauen – möglich durch einen staatlich gesicherten Absatzpreis und somit Schutz vor den Härten des Weltmarktes.

Neoliberale Verelendung

„In den 1990er Jahren setzen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds eine Liberalisierung des Kakaomarktes durch“, beschrieb die Journalistin das weitere Geschehen. So waren die Kleinbäuer*innen den Weltkonzernen schutzlos ausgeliefert. 1990 fielen die Preise, was eine gewaltige Wirtschaftskrise und große Verelendung der Bäuer*innen zur Folge hatte. Die sozialen Spannungen zwischen Einheimischen und Arbeitsmigrant*innen sowie Konflikte um Land und Einkommen eskalierten schließlich in einen fünf Jahre andauernden Bürgerkrieg. „Die verfeindeten Parteien finanzierten ihre Waffenkäufe mit dem Export von Kakao“, beschrieb sie. Die bittere Bohne wurde zu einem Konfliktrohstoff.

Spekulation schadet Bäuer*innen

Jan van Aken beleuchtete die internationalen Wirtschaftsbedingungen. „Der Kakao wird an der Börse in London gehandelt“, rief er in Erinnerung. Manche Spekulant*innen kauften das Naturprodukt automatisch, sobald der Preis unter ein bestimmtes Niveau sinke und verkauften wieder, wenn ein gewisses Level erreicht sei. „Sie erzielen Gewinne, ohne selbst je Kakao zu ernten oder zu verladen“, kritisierte er. Diese Chargen fehlten jedoch den Kleinbäuer*innen an der Elfenbeinküste und anderswo. Denn vom Ladenpreis von 1,50 Euro für eine Tafel Schokolade gingen nur maximal 10 Cent an die Bäuer*innen. Den Großteil des Profits teilten Großkonzerne, Händler*innen und Spekulant*innen unter sich auf. Die durch letztere erzeugten Preisschwankungen gefährdeten jedoch die Erzeuger*innen in ihrer Lebensgrundlage.

Diamanten für Waffen

„In Angola kämpfte die Rebell*innengruppe UNITA gegen die dortige Zentralregierung“, wechselte der RLS-Referent für internationale Krisen und Konflikte zu einem anderen Konflikt. Wurden die Rebell*innen unter anderem von den USA und der Bundesrepublik unterstützt, erhielt die Zentralregierung Hilfe von der Sowjetunion. Doch nach dem Ende des Kalten Krieges fielen die Geldgeber*innen für die UNITA weg. „Sie haben die Bevölkerung im Nordosten des Landes gezwungen, Diamanten zu schürfen, die sie an europäische Firmen verkauften“, beschrieb van Aken das neue Geschäftsmodell. 3,7 Milliarden Dollar erhielt die Miliz auf diese Weise, von denen sie sich weiterhin Waffen kaufen konnten. „Vor allem im belgischen Antwerpen wurden die Rohdiamanten geschliffen und zu Schmuck verarbeitet“, sagte er. Der Bürgerkrieg dauerte bis 2002, während Reiche sich glitzernde Ketten aus Angola kauften.

Bürgerkrieg um Coltan

Zwar erließ der UN-Sicherheitsrat 1998 ein Handelsverbot für Diamanten aus dem Territorium der UNITA und etablierte mit dem „Kimberley-Prozess“ eine dahingehende Zertifizierung. Doch findet einerseits nur eine lückenhafte Überwachung statt, andererseits werden notwendige Dokumente oftmals einfach gefälscht. Eine ähnliche Problematik ist in der Demokratischen Republik Kongo zu beobachten, wo sich etwa 80 Prozent der weltweiten Coltan-Vorkommen befinden. Dabei handelt es sich um ein Erz, das unerlässlich für elektrische Produkte, etwa Smartphones und Laptops, aber auch E-Autos wie die von Elon Musk, ist. „Verschiedene Milizen zwingen die Menschen vor Ort, das Coltan in Minen abzubauen“, erläuterte Peikert das System. Der Rohstoff würde dann ins Nachbarland Ruanda gebracht und von dort in den Welthandel eingespeist. „Für die Menschen gibt es kaum Schutzausrüstung, aber umso mehr Kinderarbeit“, wies sie auf die Bedingungen hin. Der Kampf um verschiedene Minen verlängere den blutigen Bürgerkrieg, während Firmen wie Apple erklärten, ihr Rohstoff käme als „sauberes“ Coltan aus Ruanda – wo es allerdings fast gar keine Minen gibt.

Fischfang und Piraterie

„In meiner Zeit im Bundestag haben wir uns oft mit der Frage auseinandergesetzt, warum aus Fischer*innen Pirat*innen werden“, sagte van Aken. Dabei sei es um „Atalanta“, den Bundeswehreinsatz vor Somalia, gegangen. Schwerbewaffnete Gruppen hatten Containerschiffe und deren Besatzung mitunter jahrelang gefangengenommen, um Lösegelder in Millionenhöhe zu erpressen. „Studien ergaben, dass zahlreiche der Akteure vormals Fischer*innen waren“, beschrieb er wissenschaftliche Ergebnisse. Doch nachdem große Fangflotten – etwa aus der EU oder China – die somalischen Fischgründe leergefischt hätten, seien diese in Existenznot geraten. „Es wäre besser gewesen, die Kriegsschiffe hätten vorher die Raubfischerei, als danach die Piraterie bekämpft“, überlegte er. Doch obwohl man mit chemischen Analysen leicht feststellen könne, aus welchem Gebiet ein Fisch im Supermarkt stamme, zeigten die Staaten keine Ambitionen, Konsequenzen für Verstöße gegen gesetzliche Fangquoten durchzusetzen.

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