Ukraine: Bringen mehr Waffen den Frieden?

21. Februar 2025  International
Geschrieben von Kreisverband

Beschossener Wohnkomplex in Kiew, Bohatyrska-Straße, 14. März 2022. (dsns.gov.ua, CC BY 4.0)

Der Fokus auf wirtschaftliche Sanktionen und Verhandlungen unter chinesischer Beteiligung sind laut Jan van Aken Möglichkeiten, wie der russische Angriffskrieg in der Ukraine beendet werden könnte. Im taz-Talk sprach der Vorsitzende der Linken mit Vertreter*innen von Grünen und SPD.

Waffen ohne Verhandlungen

„Es darf nicht sein, dass ein starkes Land ein schwächeres überfällt und damit davonkommt“, erklärte Jan van Aken. Doch dürfe man die Lösung auch nicht nur in Raketen, Panzern und Bomben sehen. „Man debattiert zwischen ,Waffenlieferungen‘ und ,gar nichts‘“, beschrieb er die Situation in Deutschland. Doch dazwischen gäbe es sehr viele Handlungsmöglichkeiten. Schließlich hätten uns drei Jahre Waffenlieferung zahlreicher NATO-Staaten keinen Schritt näher an Verhandlungen gebracht.

EU finanziert Russlands Krieg

„Nach dem vollumfänglichen Überfall hätte die EU ein sofortiges Öl-Embargo verhängen können“, blickte der Vorsitzende der Linken zurück. Stattdessen habe Europa im ersten Kriegsjahr jedoch lieber hunderte Milliarden Euro direkt in Putins Kriegskasse gezahlt, als mit einem Sondervermögen „Heizkosten“ den teureren Ölpreis sozial aufzufangen. Ein Öl-Stopp hätte die russische Kriegsmaschinerie geschwächt und den Ausgang der Friedensverhandlungen im April 2022 in Istanbul entscheidend beeinflusst, war er sich sicher. „Doch die EU war nicht bereit, etwas zu tun, was sie etwas kostet – da sind Waffenlieferungen einfacher“, kritisierte er die Wirtschaftsunion.

Sicherheit durch UN-Blauhelme

Auch die Frage materieller Sicherheitsgarantien für die Ukraine kämen in der deutschen Debatte nicht vor, sagte van Aken. „Darüber redet niemand, weil sich die Diskussion nur um ,Tauris: ja/nein‘ dreht“, beschrieb er die Verengung des Diskurses. Am Tag eines Waffenstillstandes könne die Demarkationslinie etwa von UN-Blauhelmen aus chinesischen, brasilianischen, europäischen und weiteren NATO-Kontigenten gesichert werden. „Putin würde niemals auf chinesische Soldat*innen schießen lassen – das ist eine echte Sicherheitsgarantie ohne militärische Aufrüstung des Landes“, beschrieb der ehemalige UN-Biowaffen-Inspekteur seine Idee.

China setzt auf Diplomatie

Dass solch ein Szenario durchaus realistisch sei, machte er an den vergangenen diplomatischen Initiativen der Volksrepublik fest. So hatte China im Januar 2023 ein 12-Punkte-Papier für das Ende des Krieges veröffentlicht. Dabei forderte es die Anerkennung der Souveränität aller Staaten, die Einhaltung internationalen Rechts und Angriffe auf Zivilist*innen und zivile Infrastruktur zu vermeiden. Im Mai 2024 legten China und Brasilien ein gemeinsames Verhandlungsangebot vor. „Selbst die Konrad-Adenauer-Stiftung ist der Meinung, dass China durch den Krieg ganz viel zu verlieren und nichts zu gewinnen hat“, sprach van Aken die zugrundeliegenden Motive der chinesischen Führung an. Denn China lebe als größter Exporteur vom Welthandel – und dieser werde durch den Krieg massiv beschädigt. „Wenn Xi Jinping einlädt, wird Putin kommen“, betonte er die Verhandlungsmacht Chinas.

Energieproblem für Deutschland

„Ein Erdöl-Stopp hätte für uns erhebliche Energieprobleme bedeutet“, wandte Robin Wagener gegen die Vorschläge des Linken-Abgeordneten ein. Trotz solch eines Embargos wären die russischen Truppen in das Nachbarland einmarschiert, schlussfolgerte der Grünen-Politiker. „Die Ukrainer*innen wollen Luftverteidigung, um sich vor den russischen Angriffen zu schützen“, erklärte er. Denn Russland zerstöre gezielt die Strom- und Wasserversorgung des Landes, um weite Teile unbewohnbar zu machen und so die Menschen zur Flucht in den Westen zu zwingen.

Aufnahme in NATO?

Putin brauche das deutliche Signal, dass er das, was er wolle, nicht erreichen könne, stellte er klar. „Ich weiß nicht, ob es gelingt, alles mit Militär zu Ende zu bringen“, überlegte Wagener, der im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags sitzt. Für ihn sei es außerhalb der NATO nicht vorstellbar, die Ukraine mit solch einer Menge an Waffen auszustatten, dass sie sich nach einem möglichen Waffenstillstand selbstständig gegen einen erneuten Angriff Russlands verteidigen könne. „Wir Europäer*innen sind gefragt, die Sicherheit auf dem Kontinent zu übernehmen“, appellierte er. Denn China habe durchaus ein Interesse daran, als ein größeres Land ein kleineres anzugreifen, sagte der Politiker.

Ukraine: Unabhängige Presse

„Die Tonlage hat sich verändert“, sprach taz-Redakteurin Barbara Oertel die Stimmung in der Ukraine an. Habe kurz nach der russischen Invasion im Februar 2022 noch überall von „Sieg“ gesprochen, sie dies nach drei Jahren Krieg nicht mehr der Fall. „Die Menschen machen sich keine Illusionen über die Lage an der Front“, erklärte sie. Das sei auch auf Journalist*innen zurückzuführen, die sowohl Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierten als auch die militärische Situation hinterfragten. Dies sei etwas, was für Kolleg*innen in Russland unmöglich sei. Ein Reporter in Charkiw – der ukrainischen Partnerstadt Nürnbergs – sei nur knapp mit dem Leben davongekommen, als eine russische Rakete in die Fassade des Nachbarhauses einschlug, beschrieb sie das Leben der Menschen vor Ort.

Mehr Waffen bringen keinen Sieg

Dass alleine durch Waffenlieferungen ein Ende des Krieges herbeizuführen wäre, war für Gesine Schwan keine Handlungsoption. „Ich glaube nicht, dass, wenn man vor eineinhalb Jahren grenzenlos Waffen geliefert hätte, die Ukraine gegen Russland gewonnen hätte“, nahm die SPD-Politikerin das abwartende Verhalten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Schutz. Denn dies hätte Putin nicht akzeptiert. Allerdings sei sie dafür, dass die Luftabwehr schneller und umfassender geliefert worden wäre. Ein frühzeitiges Erdöl-Embargo bezeichnete sie als „innenpolitisch schwierig“.

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