Das Buch „In Stahlgewittern“ von Ernst Jünger mit Blick auf den Ukrainekrieg und die erlebten Schrecken als Ausgangspunkt für eine antimilitaristische Haltung waren Thema der Veranstaltung „Meisterwerke: In Stahlgewittern mit Wolfgang M. Schmitt und Ingar Solty“. Diese fand im Literaturforum im Brecht Haus statt.
Schrecken des Krieges
„Erich Maria Remarque hat Ernst Jüngers ,In Stahlgewittern‘ als Antikriegsroman gelesen“, gab Ingar Solty einen Einblick in die Rezeptionsgeschichte des 1920 erschienenen Buches. Wenn man Jüngers Ideenwelt teile, könne man es zwar auch als kriegsverherrlichend verstehen, doch enthielte es auch zahlreiche Auflistungen der Schrecken des Krieges. Diese würden in einer bildgewaltigen Sprache eindrücklich beschrieben. „Bei ,In Stahlgewittern‘ wird die Grausamkeit des Krieges deutlich, auch wenn Jünger ihn als „inneres Erlebnis“ zur Menschenzucht und der Herausbildung einer kämpferischen Menschenseele interpretieren wollte“, ging der Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) auf die Sichtweise des Autors ein.
Totale Vernichtung
Den Kriegseinsatz sehe er als Bruch mit der kleinbürgerlichen Gesellschaft. Den Idealen Schule, Beruf und Familiengründung setze der zu Kriegsbeginn 19-jährige den Kampf als sinnstiftende Erfahrung entgegen. Denn gemäß dem Philosophen Friedrich Nietzsche solle durch den Krieg ein „neues Menschengeschlecht“ entstehen. Allerdings sei auch bei Jünger eine veränderte Einstellung zum Krieg erkennbar. Beschrieb er den Kriegsausbruch 1914 noch als „eine trunkene Stimmung von Rosen und Blut“, kamen in „Feuer und Blut (1925) Zweifel auf: „Manchmal (…) will es mir scheinen, als ob man uns doch zu viel zugemutet hätte, als ob wir uns niemals so recht von Herzen mehr freuen könnten auf dieser Erde“, blickte er zurück. Und zum 65. Jahrestag der Schlacht bei Verdun 1976 machte er die totale Vernichtung deutlich: „Die Erde selbst [wird] vulkanisch. Das Feuer droht Freund wie Feind zu vernichten.“
Militärs warnen
Das Wissen um die totale Zerstörung im Krieg kann Solty auch bei führenden Militärs ausmachen. „Bei den Stabsoffiziersrängen der Bundeswehr herrscht ein klares Bewusstsein dafür, was die Grenzen des Militärischen in einem kriegerischen Konflikt sind“, erläuterte er. Nicht ohne Grund kämen mit Blick auf den Ukrainekrieg die kritischsten Stimmen aus den Reihen des Militärs. Auch Wolfgang M. Schmitt zog Parallelen. „Wir erleben gerade die Rückkehr des Abnutzungskrieges, wie man es auch aus dem Ersten Weltkrieg kennt“, fasste er die Kämpfe in der Donbas-Region zusammen. Während auf russischer Seite hunderttausende junge Männer aus Sibirien ebenso wie Strafgefangene in das Kriegsgebiet geschickt werden würden, gäbe es in der Ukraine ein Ausreiseverbot für Männer, um sie gegebenenfalls für den Kriegsdienst rekrutieren zu können.
Wirtschaft und Menschenmaterial
„Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges verständigten sich Michail Gorbatschow und Ronald Reagan über atomare Abrüstung“, machte Solty die Unterschiede zu früheren Blockkonfrontationen deutlich. Heutzutage gäbe es hingegen Diskussionen, wie ein Atomkrieg geführt werden müsste, ohne Vergeltungsschläge befürchten zu müssen. Dabei fragte sich der RLS-Referent, ob die Russische Föderation dem Krieg überhaupt gewachsen sei. „Die Wirtschaft Russlands ist mit dem Bruttoinlandsprodukt Italiens vergleichbar“, veranschaulichte er die ökonomische Leistung. Der Ukraine hingegen fehle es an Soldat*innen. „Die Regierung sucht 100.000 Männer, die sich nicht zur Registrierung zum Kriegsdienst zurückgemeldet haben“, ging er auf die personellen Probleme ein.
Konservatismus statt Räterepublik
Das Buch endet mit der Verleihung des „Pour le Mérite“, dem höchsten deutschen Orden, womit Jünger wohl all dem Schrecken – so schilderte er auch posttraumatische Belastungsstörungen – einen Sinn geben wollte. Diese Romantisierung traumatischer Erfahrungen hänge mit den Erfahrungen nach Rückkehr aus dem Krieg zusammen, vermutete Solty. „Sowohl Erich Maria Remarque wie auch Ludwig Renn beschreiben eindrücklich die Schwierigkeiten der Kriegsteilnehmer, im zivilen Leben wieder Fuß zu fassen“, bezog er sich auf zwei politisch links orientierte Schriftsteller. Statt als „heroisches Subjekt“ im Krieg zu kämpfen, hätte Jünger auch gegen den Kapitalismus zu Felde ziehen, sich an der Revolution von 1918/19 beteiligen oder sich 1924 dem Roten Frontkämpferbund anschließen können, zeigte er alternative Optionen auf. Doch stattdessen wurde Jünger einer der führenden Köpfe der sogenannten „Konservativen Revolution“.
Weiterführende Links:
- Literaturforum im Brecht Haus (11.9.2024): Meisterwerke: In Stahlgewittern. Mit Wolfgang M. Schmitt und Ingar Solty – https://www.youtube.com/watch?v=OdAmaTPEQZQ
- Die Linke SC-RH (18.11.2023): Den Krieg in der Ukraine beenden – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/international/den-krieg-in-der-ukraine-beenden/
- Lebendiges Museum Online: Ernst Jünger. In Stahlgewittern – https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/kunst-und-kultur/ernst-juenger-in-stahlgewittern