Armutszeugnis: Die CDU und der Klimaschutz

12. März 2025  Politik
Geschrieben von Redaktion

Sabine Nuss (links) und Eva Völpel (Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Die Union will das Gebäude- und Heizungsgesetz abschaffen und beim CO2-Sparen voll auf den freien Markt und die CO2-Bepreisung setzen. Die 13. Folge des wirtschaftspolitischen Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) ging unter dem Titel „Sozialer Sprengstoff“ der Frage nach, wer die Verlierer*innen einer solchen Politik sind.

Erderwärmung bei 4 Grad?

„Man hat den Eindruck, dass man sich angesichts der wirtschaftlichen Lage Klimaschutz nicht mehr leisten kann“, gab Sabine Nuss ihre Eindrücke aus dem vergangenen Bundestagswahlkampf wieder. Strebte das vor 15 Jahren beschlossene UN-Klima-Abkommen von Paris die Begrenzung der Erderwärmung für 2100 auf 1,5 Grad an, lagen die Temperaturen 2024 jedoch schon bei 1,6 Grad. Laut dem Meteorologen Sven Plöger werde man mit den jetzigen Maßnahmen 2,7 Grad erreichen. Andere Wissenschaftler*innen gingen für das Ende des Jahrhunderts bereits von einer Erwärmung von bis zu 4 Grad aus – was eine enorme Klimamigration zur Folge haben werde. „Klimaschutz ist mit dem herrschenden Wachstumsfetischismus nicht machbar“, fasste die ehemalige Geschäftsführerin des Karl Dietz Verlags zusammen.

Energiewende ist ungerecht

„Fast 90 Prozent der Menschen machen sich Sorgen wegen dem Klimawandel“, bezog sich Eva Völpel auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung vom Dezember 2023. Gleichzeitig hätten sie Angst, dass die Wärmewende zu Wohlstandsverlust und die Verkehrswende zum Verlust von Arbeitsplätzen führten. „Gut die Hälfte der Befragten beschreibt die Umsetzung der Energiewende als ungerecht – besonders den CO2-Preis“, erklärte die RLS-Referentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik. Nur 30 Prozent sähen darin ein wirksames Mittel. Stattdessen forderten die Menschen, das 2021 im Koalitionsvertrag festgeschriebene Klimageld einkommensabhängig zurückzuverteilen – so dass Menschen mit geringeren Einkommen, die weniger CO2 verursachten, mehr davon profitierten.

Klimaschutz für Wohlhabende

Denn 2027 wird es aufgrund des Europäischen Emissionshandels zu einem enormen Preisanstieg kommen, so dass vor allem heizen und tanken teurer wird. Das kann, sofern nicht sozial abgefedert, zu einer Gefahr werden. Schon 2023 führte die Leipziger Mitte-Studie aus: „Über Klimapolitik sind Personen bis weit in die Mitte über Populismus erreichbar und lassen sich über völkisch-autoritäre Angebote bis hin zum Rechtsextremismus und der Billigung von politischer Gewalt verführen.“ So können sich wohlhabende Leute ein E-Auto für 40.000 Euro leisten und Eigenheim-Besitzer*innen eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach installieren. „Niemand spricht über Geringverdienende und Mieter*innen“, kritisierte Völpel.

Der „Plan“ der CDU

Laut CDU hat die Ampel-Regierung unter Beteiligung der FDP bei der Energiewende einen planwirtschaftlichen Ansatz verfolgt und so das Land deindustrialisiert. Die Union will auf EU-Ebene das Verbrenner-Aus für 2035 rückgängig machen sowie trotz gesetzlich verankerter Klimaziele das unter Angela Merkel (CDU) beschlossene Gebäude-Energiegesetz abschaffen. Stattdessen soll die Atomkraft eine neue Renaissance erleben. Bei der Speicherung von CO2 im Boden gibt man sich „technologieoffen“, obwohl diese Methode keinesfalls technisch ausgereift ist. Als Leitinstrument wird der CO2-Preis gesehen, so dass der freie Markt entscheidet, wo Emissionen eingespart werden.

Der Emissionshandel

Dabei wird für jede ausgestoßene Tonne CO2 ein Preis gezahlt, so dass CO2-intensive Produktionsprozesse und Güter teurer werden. Unternehmen sollen dies als Anreiz nehmen, CO2-ärmere Alternativen zu entwickeln. Der Preis bildet sich durch die Verknappung von CO2-Zertifikaten und deren Handel am freien Markt. Lag der CO2-Preis pro Tonne 2005 bei 10 Euro, waren es 15 Jahre später 50 Euro, aktuell ist man bei 80 Euro. „Seit 2005 gilt in der EU das „Emission Trading System 1 (ETS1), das die Industrie mit Stahl- und Zementproduktion, die Energieversorgung und die Luftfahrt einschließt“, erläuterte Völpel. Das seien etwa 40 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen der EU. Dadurch sei der Ausstoß europaweit bis 2023 um 48 Prozent gesunken. „Um die Klimaneutralität 2045 zu erreichen, müsste sich die Einsparungsquote verdoppeln“, wies sie auf den zu langsam wirkenden Mechanismus hin.

CO2-Preis bei 200 Euro

In Deutschland konnten die Klimaziele alleine durch den rezessionsbedingten Rückgang der Industrie-Emissionen erreicht werden. Gleichzeitig sorgte der gesetzlich vorgegebene Ausbau der erneuerbaren Energien dafür, dass schmutziger Kohlestrom mehr und mehr aus den Netzen verdrängt wurde. Bei Agora Energiewende geht man davon aus, dass es beim 2027 in Kraft tretenden ETS2, der auch den Gebäudesektor und den Verkehr einschließe, zu CO2-Preisen von 200 Euro komme. Dadurch werde der Liter Benzin um 38 Cent teurer. „Das Klimageld, das die Verbraucher*innen entlasten soll, soll bei 180 Euro im Jahr betragen“, erläuterte Völpel. Die Linke halte jedoch eine Höhe von 320 Euro für notwendig. Sonst könne die bereits jetzt schon bestehende Armut durch das ETS2 noch weiter zugespitzt werden, so dass Menschen mit geringen Einkommen die Klimatransformation vor allem als Bedrohung erleben, warnte sie.

Arme machen Klimaschutz

„Die Leute, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind, tun schon jetzt am meisten dafür, CO2 einzusparen“, erklärte sie. Sie hätten schlichtweg nicht genügend Geld, um viel Treibhausgase emittieren zu können. Das Fazit: Die untere Hälfte der Bevölkerung lebt bereits jetzt am ökologischsten. „Der Staat kann durch den Ausbau des ÖPNV unterstützen, damit die Menschen gänzlich aufs Auto verzichten können“, schlug Völpel eine sozial gerechte Transformationsstrategie vor. Auch müssten Mieter*innen das Recht haben, energetische Sanierungen in ihren Wohnungen einfordern zu können, ohne dass sich dadurch die Warmmiete erhöhe. „Dazu braucht es ausreichend Förderprogramme“, adressierte sie an die künftige Bundesregierung.

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