Repression bei den Armen und Entlastung Wohlhabender sind Bausteine des künftigen Haushalts. Obwohl die Kommunen einen Investitionsrückstau von 186 Milliarden Euro haben, hält die Ampel-Regierung an der Schuldenbremse fest. Die sechste Folge von Armutszeugnis, dem Wirtschaftspodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung, beschäftigte sich mit dem aktuellen Thema.
Bestverdienende gewinnen
Kürzlich wurden die Eckpunkte des kommenden Haushalts bekannt. So sollen als eine Maßnahme etwa bei Bürgergeldempfänger*innen drei Monate lang 30 Prozent der Gelder einbehalten werden, wenn diese keine Arbeit annehmen. Die „kalte Progression“ soll mit 23 Milliarden Euro reduziert werden – auch wenn Berechnungen der letzten Steuerreform sagen, dass 70 Prozent der gesamten Entlastungen den 30 Prozent der Bestverdienenden zugute kommen. Der Kinder- sowie der Kindersofortzuschlag sollen um jeweils fünf Euro im Monat steigen.
Mehr Geld fürs Militär
Die Bundesregierung geht davon aus, 100.000 Menschen mehr in Arbeit zu bringen, vor allem Rentner*innen, Bürgergeldempfänger*innen und Flüchtlinge. „Dadurch soll die Wirtschaft um 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen“, schildert Eva Völpel die damit verbundenen Erwartungen. Auch der Verteidigungshaushalt soll um 1,2 Milliarden Euro wachsen. „Ab 2028 könnte das 2-Prozent-Ziel der NATO aus dem Kernhaushalt kommen“, gibt die RLS-Referentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik zu bedenken. So könne dieser Posten statt bisher 52 Milliarden Euro dann 80 Milliarden umfassen.
Es wird gespart
Der Wirtschaftsweise Achim Truger hatte festgestellt, dass im Haushalt mindestens 20 Milliarden Euro eingespart werden müssten. Dies erfolgt beispielsweise dadurch, dass die Zinskosten für Staatsanleihen über die ganze Laufzeit verbucht werden, was einen mittleren einstelligen Milliardenbereich ergibt. Auch könne wegen der schlechten Konjunktur ein Nachtragshaushalt von elf Milliarden Euro aufgenommen werden. Bisher beruhte die Netto-Neuverschuldung von 0,3 Prozent des BIP auf einer Schätzung. Eine Änderung des Berechnungsverfahrens ermögliche, mehr Schulden aufzunehmen. Auch werden finanzielle Transaktionen, also staatliche Einnahmen oder Ausgaben, die das Finanzvermögen des Bundes nicht verändern, von der Schuldenbremse ausgenommen.
Bankenkrise und Schuldenbremse
Ihren Ursprung hat die Schuldenbremse einerseits in der rot-grünen Steuerreform, die durch die Entlastung der Wohlhabenden dazu führte, dass dem Staat jährlich 51 Milliarden Euro verloren gingen. Die Bankenkrise von 2007/2008 sorgte zusätzlich für eine enorme Neuverschuldung. Mit der Einführung des Euros wurde die europäische Schuldenbremse etabliert, 2009 galt in der Bundesrepublik die deutsche Schuldenbremse – wo es bis 1969 noch Common Sense war, für Investitionen in die Zukunft Kredite aufzunehmen.
Es braucht Investitionen
Mittlerweile haben die Kommunen jedoch einen Investitionsrückstau von 186 Milliarden Euro. Oftmals könnten wegen der Auflagen weder Schulen saniert noch notwendige Klimamaßnahmen getätigt werden. „Die Hans-Böckler-Stiftung hat errechnet, dass es zusätzlich 60 Milliarden Euro für neue Investitionen bräuchte“, verdeutlichte Völpel den Bedarf der Gemeinden und Städte. Die Bahn erhält Eigenkapital des Bundes, muss dafür jedoch eine Rendite von 5,9 Prozent erwirtschaften, die ins Finanzministerium zurückfließt. „Deshalb werden die Nutzungsgebühren für die Schienen erhöht, so dass es für Fernkunden und den Gütertransport teurer wird“, erklärte sie.
Klimasicher statt schuldenfrei
Der Staat unterscheide sich jedoch von der „Schwäbischen Hausfrau“, da die Schulden, die man für Zukunftsinvestitionen aufnehme, für eine bessere Zukunft und mehr Wertschöpfung sorgten. „Generationengerecht wäre, unseren Kindern ein Land zu hinterlassen, das für den Klimawandel gewappnet ist, keine schwarze Null und eine marode Infrastruktur“, kritisierte Völpel das neoliberale Paradigma. Darüber hinaus sei es momentan so, dass die Wohlhabenden dem Staat Geld liehen, die Zinsen jedoch von allen Beschäftigten erwirtschaftet werden müssten. „Auch innerhalb einer Generation muss es gerecht zugehen“, wies sie auf die Unterschiede von Arm und Reich hin.
Investieren und reparieren
Alternativen zum Status quo könnten – wie bei der Bundeswehr – Sondervermögen für den Klimawandel oder die Bildung sein, um dadurch die mit einer 2/3-Mehrheit festgeschriebene Schuldenbremse zu umgehen. Auch könnte die konjunkturelle Neuverschuldung von 0,3 Prozent auf ein Prozent angehoben werden. Den besten Weg sah Völpel hingegen in der Regierungspraxis bis 1969, bei der für Investitionen und Reparaturmaßnahmen von Infrastruktur Kredite aufgenommen werden können.
Weiterführende Links:
- RLS (12.7.2024): #6 Die Schuldenbremse: trotz Kritik schwer abzuschaffen – https://www.youtube.com/watch?v=uR255OrydUM
- Die Linke SC-RH (4.4.2024): Schuldenbremse oder Zukunftsinvestition? – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/schuldenbremse-oder-zukunftsinvestition/
- ZDF (12.3.2024): Die Anstalt. Schuldenbremse voraus – https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-12-maerz-2024-100.html