Armutszeugnis: Hohe Energiekosten und Inflation

01. Januar 2025  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Sabine Nuss (links) und Eva Völpel. Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Ob unter hohen Lebenserhaltungskosten und Stellenabbau die Eigentümer*innen börsennotierter Unternehmen oder doch eher die Beschäftigten betroffen sind, fragte die 11. Folge des wirtschaftspolitischen Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). Diese setzte sich mit der Energiepreiskrise seit 2022 auseinander.

Problem der Kapitalverwertung

VW will 35.000 Stellen abbauen, der Stahlproduzent Thyssenkrupp entlässt 11.000 Arbeiter*innen. Eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (IHK) im August ergab, dass 37 Prozent der deutschen Industriebetriebe darüber nachdächten, ihre Produktion zurückzufahren oder ins Ausland zu verlagern – bei den Firmen mit mehr als 500 Angestellten waren es sogar mehr als die Hälfte. „Das zeigt uns, dass es aus Unternehmer*innensicht mit der Kapitalverwertung nicht mehr richtig rund läuft, erläuterte Eva Völpel.

Gegen Rente und Sozialstaat

Deutschland als Exportnation hat im Vergleich zu den restlichen europäischen Ländern einen relativ hohen Anteil an verarbeitendem Gewerbe, der auch das Wirtschaftswachstum beeinflusst. Die seitens des Arbeitgeber*innenverbandes Gesamtmetall finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) startete eine SOS-Wirtschaftskampagne mit 25 Punkten, wobei die von der IHK als Hauptproblem erkannten hohen Energiekosten kaum angesprochen wurden. Vielmehr lag der Fokus auf zu hohen Löhnen, einem zu großen Sozialstaat, Rente und Bürger*innengeld. Gemeinsam sind INSM, FDP und CDU die Punkte Deregulierung, Kürzungen und Entfesselung der Marktkräfte. „Allerdings beziehen sich Appelle à la ,Wir müssen mehr arbeiten und unsere Ansprüche herunterfahren‘ nie auf die Eigentümer*innen oder Anteilseigner*innen von Unternehmen, sondern allein auf die Beschäftigten oder Bürgergeld-Empfänger*innen“, kritisierte die RLS-Referentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Deutsches Schlusslicht

In Deutschland herrscht seit 2022 Rezession, das heißt die Wirtschaft schrumpft. So ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 um 0,3 Prozent zurück, für 2024 wird ein weiterer Rückgang um 0,2 Prozent erwartet. Auch für 2025 prognostizierte die aus den 38 wirtschaftsstärksten Nationen bestehende OECD, Deutschland werde beim Wachstum das Schlusslicht in der Organisation sein. Somit beschränkt sich die Wirtschaftsschwäche tatsächlich auf die Wirtschaftspolitik, wobei die Gründe im deutschen Exportmodell und dem Umgang mit der Energiepreiskrise im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine liegen.

Corona: 880 Milliarden Euro

Da die Bundesrepublik von den billigen fossilen Energielieferungen aus Russland abhängig war, stiegen die Energiepreise sowie die Lebenserhaltungskosten durch die hohe Inflation nach dem Überfall im Februar 2022 enorm an. So erhöhten sich die Energiekosten innerhalb von zwei Jahren um 50 Prozent, die der Lebensmittel um 30 Prozent. „Eine vierköpfige Familie musste somit im Monat mehrere hundert Euro zusätzlich ausgeben“, verdeutlichte Völpel die Folgen. Auch stieg die Inflation im Gegensatz zur Finanzkrise 2008 oder der Corona-Pandemie 2020/23 stark an. Allerdings gab es bei letzterer finanzielle Schutzschirme in Höhe von 750 Milliarden Euro sowie Konjunkturpakete von 130 Milliarden Euro.

Energie: Nur 300 Milliarden

Bei der Energiepreiskrise wurden durch die Ampel sowohl sehr gut verdienende Menschen entlastet als auch das 9-Euro-Ticket eingeführt und eine Energiepreispauschale ausgezahlt. Die Gesamtkosten beliefen sich auf etwa 100 Milliarden Euro, für die Energiepreisbremse – die jedoch nie vollständig abgerufen wurde, veranschlagte man 200 Milliarden Euro. Allerdings gab es nach monatelangem öffentlichkeitswirksamen Streit in der Regierungskoalition und steigenden Umfragewerte der AfD keine Eingriffe ins Preissystem, sondern lediglich staatliche Subventionen, die rückwirkend von den Firmen beantragt werden konnten. Diese verspätete Auszahlung führte zu einem starken Rückgang in der Produktion.

Die Reallöhne sinken

Die sich so ergebende Schrumpfung der Wirtschaft ging jedoch zulasten der Beschäftigten – im Expert*innengremium der Bundesregierung hatte einzig die Ökonomin Isabella Weber für eine echte Preisbremse gestimmt. Im Frühjahr 2023 wurden die staatlichen Subventionen gestoppt und die Krise für beendet erklärt – mit Verweis darauf, dass die Preise nicht mehr so stark erhöht wurden wie zuvor. Allerdings blieben die Preise des täglichen Lebens um ein Vielfaches teurer als vor der Krise. „Mit Blick auf Corona sind die Reallöhne sogar um 10 Prozent gesunken“, rief Völpel in Erinnerung. Dies stelle in der Geschichte der Bundesrepublik den größten Kaufkraftverlust seit 1945 dar.

„Enormer Kaufkraftverlust“

Auch habe die Ampelregierung keinen Brückenstrompreis eingeführt. Diese von den Gewerkschaften geforderte Maßnahme hätte einen staatlich festgelegten Preis für Unternehmen vorgesehen. Mit Kriterien wie Tariftreue, Arbeitsplatzgarantien und Standorttreue sei so ein günstiger Strompreis möglich gewesen, bis nach der erfolgreichen Dekarbonisierung der Wirtschaft die Energiekosten durch die erneuerbaren Energien von selbst gesunken wären. Ein weiteres Problem stellte der langsame Netzausbau hinsichtlich der Solar- und Windkraftenergie dar. Auch kaputte Brücken, marode Bahngleise und reparaturbedürftige Straßen trieben die Kosten für die Unternehmen in die Höhe. Doch die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Sommer 2023 ausgerufene „finanzpolitische Normalisierung“ – also Sparhaushalt und Schuldenbremse – bremste nun auch die Konjunktur aus. „Die unteren Einkommen bis hin zur Mittelschicht haben extrem hohe Kaufkraftverluste und auch die Wirtschaft hat sich nicht erholt“, fasste Völpel das Resultat zusammen.

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