
Gefährden höhere Unternehmenssteuern Arbeitsplätze oder gehen alle Firmen dann ins Ausland?Die 12. Folge des wirtschaftspolitischen Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung räumte bei „Wie Steuerpolitik die Superreichen noch reicher macht“ mit so mancher Lobby-Lüge auf und zeigte, dass Mehreinnahmen von 75 Milliarden Euro realistisch sind.
Mythos Arbeitsplatz-Abbau
„In Umfragen spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung für eine Umverteilung und die Wiedereinführung der Vermögensteuer aus“, erläuterte Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Allerdings hielte sich hartnäckig die Behauptung, dass durch die Besteuerung von Reichen Arbeitsplätze wegfallen würden. „1996 lag der effektive Steuersatz bei 60 Prozent“, erinnerte die Finanzexpertin. Doch hätte diese staatliche Regulation keineswegs zu Massenentlassungen geführt. Im Vergleich zu heute seien die Steuern für Unternehmen damals sogar doppelt so hoch gewesen wie jetzt. Die aktuelle Forschungslage bestätige sogar, dass bei Standortfaktoren die Höhe der Steuern keine nennenswerte Rolle spiele. „Entscheidend ist, ob es qualifizierte Arbeitskräfte gibt und die generelle Gewinnaussicht“, nannte sie die Prioritäten der Vorstände.
Lobby-Lüge Steuerflucht
Auch die Gefahr, dass Firmen bei höheren Steuersätzen ins „billigere“ Ausland abwanderten, sei überschaubar. „Die Motivation zur Steuerflucht wird in Deutschland durch die sogenannte ,Wegzugsteuer‘ deutlich begrenzt, kommentierte sie die Drohung der Lobbyist*innen. Hingegen würden im Erbfall die größten Vermögen am geringsten besteuert, kritisierte sie. Dem Gerücht, dass bei einer höheren Erbschaftssteuer auch „das Häuschen der Oma“ vom Staat weggenommen würde, trat sie mit den geltenden Freibeträgen entgegen. „Kinder dürfen von ihren Eltern steuerfrei 400.000 Euro überschrieben bekommen, Ehepartner*innen sogar eine halbe Million“, sagte sie. So kämen viele Menschen überhaupt nicht in die Situation, eine Erbschaftssteuer entrichten zu müssen.
Milliarden für die Mehrheit
Durch geänderte Steuersätze könne man hingegen bis zu 75 Milliarden Euro mehr einnehmen, erläuterte sie. „Besitzen Menschen mehr als 100 Millionen Vermögen, könnten mit einer zweiprozentigen Steuer bis zu 28 Milliarden Euro erwirtschaftet werden“, erklärte Jirmann. Streiche man bei der Erbschaftssteuer die Ausnahmen für Unternehmen und ersetze sie durch eine Stundung der Beträge, bedeute das jährliche Mehreinnahmen von 10 Milliarden. Darüber hinaus könnte die Erbschaftssteuer aber auch grundsätzlich gestärkt werden, regte sie an. „Große Konzerne mit einer großen Marktmacht erwirtschaften große Gewinne“, sagte sie. Bei mehr als 10 Prozent Umsatzrendite könnte auf die darüberliegenden Gewinne eine höhere Steuer entrichtet werden. „Solch eine Übergewinnsteuer würde bis zu 20 Milliarden Euro einbringen“, erklärte sie.
Gerechte Erbschaftssteuer ist machbar
„In Wahlkampfzeiten machen große Medienkonzerne wie Springer Stimmung gegen eine mögliche Vermögensteuer“, wies Eva Völpel auf das Protegieren Wohlhabender durch die „vierte Gewalt“ hin. Dabei könnten solche fiskalischen Maßnahmen, beispielsweise im Falle der Erbschaftssteuer, auch über Jahre hinweg gestreckt werden oder das Unternehmen könne dafür zinsgünstige Kredite aufnehmen. Alternativ könne auch der Staat als „stiller Teilhaber“ auftreten. „Deutschland hat innerhalb der OECD einen der höchsten Freibeträge bei der Erbschaftssteuer“, rief sie in Erinnerung.
„Bedürftige“ Millionär*innen
Im vergangenen Jahr wurden in 24 Fällen Vermögen von je 240 Millionen Euro übertragen, wofür ein Steuersatz von lediglich 4,5 Prozent anfiel, beschrieb die RLS-Referentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik den Umgang mit der aktuellen Erbschaftssteuer. Eigentlich sei dabei eine Besteuerung bis zu 50 Prozent möglich, doch wegen zahlreicher Ausnahmeregelungen wie etwa der „Bedürftigkeit“ der dann millionenschweren Erb*innen könne man sie auf 4,5 Prozent beschränken. Würden beispielsweise 30 Immobilien vererbt, müssten dafür regulär Steuern entrichtet werden. „300 Wohneinheiten gelten als Betriebsvermögen und in Kombination mit der ,Bedürftigkeit‘ muss fast nichts gezahlt werden“, nannte sie ein weiteres Praxisbeispiel für die Begünstigung Wohlhabender.
SPD und Grüne versagen
„Obwohl sich bei der letzten Bundestagswahl die SPD für eine Revitalisierung der Vermögensteuer ausgesprochen hat und die Grünen eine globale Besteuerung von Milliardär*innen einführen wollten, ist nichts davon in den Koalitionsvertrag gekommen“, kritisierte sie die beiden Senior-Partner in der Ampelregierung. Eine Steuer für Vermögende könnte bei weltweit 3.000 Milliardären jährliche Mehreinnahmen von 250 Milliarden Euro bringen, erläuterte Völpel.
Weiterführende Links:
- RLS (10.1.2025): #12: Soziale Ungleichheit: Wie Steuerpolitik die Superreichen noch reicher macht – https://www.youtube.com/watch?v=MeQBXIlFppA
- Die Linke SC-RH (26.12.2024): Das Parteiprogramm der Linken – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/das-parteiprogramm-der-linken/
- Die Linke SC-RH (7.3.2024): Armutszeugnis. Von oben und unten – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/wirtschaft/armutszeugnis-von-oben-und-unten/