Die Übernahme von medizinischen Einrichtungen durch Investor*innen, um eine möglichst hohe Rendite durch teure Operationen zu erzielen und die Folgen thematisiert die siebte Folge des Wirtschaftspodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Gibt es Auswege?
Medizinische Versorgungszentren
Seit 2004 gibt es Medizinische Versorgungszentren (MZV). Dabei sind mehrere Fachärzt*innen unter einem Dach angesiedelt, wobei sie eng mit lokalen Krankenhäusern zusammenarbeiten. So kommt es zu einer starken Kooperation der ambulanten und stationären Versorgung. Mit diesem System orientieren sich die MZV an der Poliklinik der DDR. Bundesweit gibt es gut 4.500 MVZ, in denen rund 28.000 Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen tätig sind. 43 Prozent sind in Trägerschaft eines Krankenhauses und weitere 43 Prozent in vertragsärztlicher Trägerschaft.
Private Equity-Firmen
Allerdings machen sich mehr und mehr Private Equity-Firmen daran, solche MZV aufzukaufen. Mit dem Versprechen, ihren Kapitalinvestor*innen – häufig Pensionsfonds – Rendite von bis zu 20 Prozent zahlen zu können, erwerben sie mit deren Anteilen und dazu aufgenommenen Krediten die medizinischen Einrichtungen. Es kommt zu Umstrukturierungsmaßnahmen, um Personalkosten zu senken, gleichzeitig steigt die Arbeitsbelastung für die verbliebenen Angestellten. Die Kredite werden als Schulden auf das Konto der Praxen verschoben, so dass diese mit bis zu 92 Prozent verschuldet sind und kaum noch Eigenkapital haben. Ist die Rendite erreicht, wird die Einrichtung meist nach sieben Jahren weiterverkauft.
Kassenbeiträge und teure OPs
MVZ sind für Kapitalanleger*innen deshalb so attraktiv, weil die Krankenkassen durch die Beiträge der Bürger*innen für einen beständigen Cash-Flow sorgen. In Kiel gehören etwa die Hälfte der Augenärzte Private-Equity-Unternehmen. Dies führt dazu, dass dort vor allem ambulante Operationen oder onkologische Behandlungen wie beim Grauen Star, die preislich nicht gedeckelt sind, durchgeführt werden. Daher kommt es in diesen Bereichen zu Überversorgungen, während das Angebot bei grundlegenden, aber vom Staat finanziell reglementierten Maßnahmen sinkt.
Gesundheitszentren gehen Pleite
Bei zahnärztlichen MVZ machten solche investitionsgetragene MVZ (IMVZ) 30,4 Prozent aus, Tendenz steigend. Die Sorge ist, dass zahlreiche der hochverschuldeten Einrichtungen entweder Pleite gehen oder von den Kommunen – und somit den Steuerzahler*innen – teuer aufgekauft werden müssen, um die Pleite und die daraus folgende Verschlechterung der medizinischen Grundversorgung zu verhindern. Die Bundesärztekammer fordert deshalb, dass das System der IMVZ beendet wird.
Keine Besserung in Sicht
So dürften fachfremde Investor*innen nicht im Gesundheitsbereich anlegen und die MVZ müsste in die lokale Gesundheitsversorgung eingebunden sein, anstatt von Firmen mit Sitz in Steueroasen übernommen zu werden. Bis jetzt hat allerdings noch keinerlei Regulation seitens des Bundesministeriums für Gesundheit stattgefunden.
Weiterführende Links:
- RLS (20.8.2024): #7: Profite statt Gesundheit: Die Arztpraxis als Kapitalanlage – https://www.youtube.com/watch?v=HBME_96TDvk
- Die Linke SC-RH (27.4.2022): Vergesellschaftung. Gesundheit und Pflege – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/gesellschaft/vergesellschaftung-gesundheit-und-pflege/
- RLS (2017): Gesundheit ist eine Ware – https://www.rosalux.de/publikation/id/6940/gesundheit-ist-eine-ware