Armutszeugnis: Staat und Rüstungskonzerne

18. Juni 2025  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Sabine Nuss (links) und Eva Völpel (Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Wie staatliche Aufrüstungspläne die Taschen von Rheinmetall-Aktionär*innen füllen und dass Klimaschutz und Bildung leer ausgehen, war Thema der 16. Folge des Wirtschaftspodcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS).

Die Sektkorken knallen

Für die Rüstungsindustrie ist der Staat eine leicht zu melkende „Cashcow“, da es seitens der privaten Konzerne zu enormen Profiten kommt. Denn wenn die Bundesregierung verkünde, man müsse schnell und massiv aufrüsten, seien die Preise von Diehl Defence, Heckler & Koch oder Airbus Defence eben entsprechend hoch. „Kostete eine Rheinmetall-Aktie vor dem Ukrainekrieg noch 96 Euro, liegt ihr Wert mittlerweile bei 1400 Euro, sprach Eva Völpel die Verzehnfachung der Gewinne an. Denn seit März ist für Waffen und Kriegsgerät eine staatliche Verschuldung ohne Limit möglich, weil der Bereich der Aufrüstung aus der Schuldenbremse herausgenommen wurde.

Deutschland auf Platz 4

Aktuell fließen 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Verteidigung, 3 Prozent würden jährlichen Ausgaben von 130 Milliarden Euro entsprechen, konservative Stimmen fordern eine Ausweitung auf 5 Prozent. Laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI ist Deutschland schon jetzt bei den weltweiten Militärausgaben auf Platz 4. Parallel dazu wird auch auf europäischer Ebene aufgerüstet, denn seitens der Europäischen Union sollen in den kommenden vier Jahren mindestens 800 Milliarden Euro in Aufrüstung fließen.

Der Krieg Russlands

Doch ist solch eine europaweite Aufrüstung nötig? Russland führt seit drei Jahren seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine, hat jedoch keines seiner erklärten Kriegsziele – den Sturz der demokratischen Regierung in Kiew oder die vollständige Besetzung der Ostukraine – erreicht. Dennoch sieht der französische Präsident Emmanuel Macron sein Land durch die russischen Streitkräfte bedroht. Dem stehen die NATO, ein Militärbündnis aus 32 nordatlantischen und europäischen Staaten gegenüber.

NATO-Staaten liegen vorn

„2023 gaben allein die europäischen Staaten 430 Milliarden US-Dollar für Verteidigung aus“, rief die RLS-Referentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik in Erinnerung. Russlands Militärausgaben beliefen sich hingegen nur auf 300 Milliarden. Auch mit Blick auf Rüstungsproduktion, Großwaffensysteme oder Truppenstärke lägen die europäischen Staaten vor der Russischen Föderation.

Panzer sind „totes Material“

Und die Erzählung, dass Aufrüstung den allgemeinen Wohlstand stärke? „Nach großen Katastrophen wie der Flut im Ahrtal 2021 müssen unzählige zerstörte Gebiete wieder aufgebaut werden – laut BIP entsteht so ein großes Wirtschaftswachstum“, weist Völpel auf die problematische Gleichsetzung von BIP und Wohlstand hin. Auch beachte das BIP unbezahlte Haus- oder Erziehungsarbeit ebenso wenig wie ehrenamtliche Tätigkeiten in Vereinen. Mit Aufrüstung kurbele der Staat mittels Verschuldung lediglich die private Rüstungsproduktion an – die damit unreproduktive Gebrauchswerte wie Panzer und Kampfhubschrauber herstellen, aber keine nutzbaren Konsumgüter.

Kinder oder Waffen fördern?

Würde man stattdessen in zivile Infrastruktur investieren, sei der gesellschaftliche Gewinn laut Ökonom Tom Krebs viel größer. So bringe beim Ausbau der Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen jeder investierte Euro drei Euro zurück. Denn so könnten viele Mütter leichter Vollzeit arbeiten, was sich volkswirtschaftlich gesehen schnell bemerkbar mache. Bei einem Euro, der in Rüstungsprojekten investiert werde, sei hingegen nur ein Output von 50 Cent zu erwarten. Und schließlich stelle die Rüstungsindustrie eine wirtschaftliche Nischen-Sparte dar. Das Institut der deutschen Wirtschaft bezifferte die Angestellten in diesem Sektor im Jahr 2020 auf 55.000. „Im deutschen Einzelhandel sind über drei Millionen Menschen beschäftigt, in den Gesundheitsberufen sogar sechs Millionen“, setzte Völpel das in Relation.

Aufrüstung oder Klimaschutz?

In Zeiten stetiger Teuerungen und eklatanten Fachkräftemangel stünden die Ressourcen, die für Panzer & Co. genutzt werden würden, allerdings nicht mehr für Busse, E-Autos oder Windräder zur Verfügung, gab sie zu bedenken. Denn Ökonomen sehen die Produktion von Rüstungsgütern in direkter Konkurrenz zu einer grünen Industriepolitik. „Die Aufrüstung macht effektiven Klimaschutz fast unmöglich“, hielt Völpel fest. Dies sieht auch der schwarz-rote Koalitionsvertrag so, der Infrastrukturmaßnahmen zur Gesamtverteidigung als überragendes öffentliches Interesse festschreibt, das gegenüber anderen staatlichen Aufgaben zu priorisieren sei.

„Blackbox“ Beschaffungswesen

Auch jenseits der unbegrenzten Kredite für Aufrüstung ist das deutsche Beschaffungswesen eine Abfolge wirtschaftlich-militärischer Skandale. So erhielt der Jagdbomber der Bundeswehr „Starfighter“ (Stückpreis: sechs Millionen DM) den Beinahmen „Witwenmacher“, da 116 Piloten bei Abstürzen tödlich verunglückten. Laut Forscher*innen seien bis zu 45 Prozent der Gelder für Großwaffensysteme unnötige Zusatzkosten. Als sogenannte „Goldrand-Lösung“ würden hochtechnologisierte Prestige-Projekte angeschafft, die man eigentlich gar nicht benötige. „Sicherheit kann nicht nur militärisch gedacht werden“, forderte Völpel. Denn echte Sicherheit schließe auch Armutsbekämpfung, die Reduzierung sozialer Ungleichheit, Investitionen in Bildung und den Ausbau der Gesundheitsversorgung mit ein.

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