Kapitalismus, Konkurrenz und die Automobilbranche

05. Januar 2025  Politik
Geschrieben von Kreisverband

2022 wurde der chinesische Konzern BYD der größte Hersteller von Elektro- und Hybridfahrzeugen weltweit. Im vierten Quartal 2023 konnte er mehr Elektroautos ausliefern als Tesla. Hier ein BYD e6 in London. (Wikimedia: Warren Whyte, CC BY-SA 4.0)

Die Frage, inwieweit die von Marx und Engels beschriebene „Verelendungstheorie“ heute noch ihre Berechtigung hat und was die schwächelnde deutsche Automobilindustrie über kapitalistische Konkurrenz aussagt, waren Themen der 280. Episode von „Wohlstand für alle“.

Armut und Sozialkürzungen

In der letzten Zeit hat sich die Zahl der Bedürftigen an deutschen Tafeln veranderthalbfacht. „Mittlerweile sind 1,6 Millionen Menschen auf die private Wohltätigkeit von Ehrenamtlichen angewiesen“, beschrieb Wolfgang M. Schmitt die Situation. Gleichzeitig müssten die Organisationen ihre Lebensmittel rationieren, da die Spenden nicht für alle reichen. „Und Friedrich Merz fordert Sozialkürzungen“, ergänzte er die Reaktionen des Kanzlerkandidaten von CDU/CSU.

Konkurrenz und Lohndumping

Die Idee einer Verelendung der Arbeiter*innen war schon lange vor Karl Marx und Friedrich Engels existent. So hatte ein französischer Ökonom schon 1766 festgestellt, dass aufgrund der gegenseitigen Konkurrenz der Arbeiter*innen sich deren Lohn auf das Existenzminimum beschränke. „Der von den Arbeitgeber*innen gezahlte Lohn ist gerade so hoch, dass er für Lebensmittel und Wohnen reicht“, stellte Schmitt fest.

Das Elend des Pauperismus

Auch Marx und Engels hatten 1848 im „Manifest der Kommunistischen Partei“ etwas ähnliches festgestellt. „Der Leibeigene hat sich zum Mitglied der Kommune in der Leibeigenschaft herangearbeitet wie der Kleinbürger zum Bourgeois unter dem Joch des feudalistischen Absolutismus“ zitierte Schmitt die Aufstiegsmöglichkeiten im feudalistischen System. „Der moderne Arbeiter dagegen, statt sich mit dem Fortschritt der Industrie zu heben, sinkt immer tiefer unter die Bedingungen seiner eigenen Klasse herab. Der Arbeiter wird zum Pauper, und der Pauperismus entwickelt sich noch schneller als Bevölkerung und Reichtum“, führte der YouTuber die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich weiter aus.

Wo sich Marx irrte

Etwas Vergleichbares hatte Engels schon 1845 in seiner Schrift „Die Lage der Arbeiter in England“ festgestellt. Doch habe sich die Theorie der massenhaften Verelendung der Arbeiter*innenklasse in den reichen Industrienationen nicht bewahrheitet. „Schon Anfang des 19. Jahrhunderts gab es eine ,Arbeiter*innenaristokratie‘, die von den Erfolgen des heimischen Kapitalismus profitierte und so ein relativ gutes Leben führte“, beschrieb Schmitt Beobachtungen damaliger Soziolog*innen. Und ab den 1950er Jahren kam es im Westen zu einem allgemeinen Anstieg des Lebensstandards, so dass die hohen Wachstumsraten auch den ärmeren Schichten zugute kamen. „Hier wurde das Subsistenzminimum nicht mehr unterschritten“, wies er auf die nicht eingetroffene Vorhersage von Marx und Engels hin.

Reichtum bedeutet Elend

„Der Fahrstuhl-Effekt“ besagt, dass alle Bevölkerungsschichten gleichzeitig reicher werden, auch wenn es innerhalb der Gesellschaft große Ungleichheiten gibt“, charakterisierte Ole Nymoen die Situation der Nachkriegszeit. Die absolute Verelendungstheorie gehe vom Unterschreiten des Existenzminimums aus, während die relative Verelendung das Verhältnis zum gesamten Wohlstand betrachte, differenzierte der Journalist. So könne es etwa sein, dass die Löhne der Arbeiter*innen innerhalb von 10 Jahren um 10 Prozent stiegen, das Einkommen der Reichen hingegen um 20 Prozent. „Das bedeutet, dass sich die Schere zwischen arm und reich vergrößert hat“, analysierte er. Etwas ähnliches könne man auch im 1867 erschienenen ersten Band des Kapitals nachlesen, in dem Marx schreibt, die Akkumulation von Reichtum auf der einen Seite bedeute auch die Akkumulation von Elend auf der anderen.

Die kapitalistische Konkurrenz

Solch eine Situation sei auch heute erkennbar, wenn man die Reallöhne der Beschäftigten mit den Gewinnen der börsennotierten Konzerne vergleiche. „Die Güter in den Kaufhäusern, die wegen der hohen Preise nicht gekauft werden, zeigen, dass den Arbeiter*innen im Kapitalismus viel verwehrt bleibt“, kommentierte Nymoen die kaum gestiegenen Löhne. Eine Rezession, wie sie aktuell in Deutschland herrsche, habe Engels auch 1885 in Großbritannien beschrieben. Damals entwickelten sich andere Staaten zu Konkurrenten auf dem Weltmarkt, so dass das Land seine Monopolstellung bei der Industrieproduktion verlor. „Die britischen Arbeiter*innen waren nun gezwungen, zu den geringeren Löhnen der ausländischen Arbeitskräfte-Konkurrenz zu arbeiten“, erläuterte er.

Lohneinbuße zur Wettbewerbsfähigkeit

„Die Volksrepublik China hat Deutschland beim Bau von Autos mittlerweile überflügelt“, zog Schmitt Parallelen zur Gegenwart. Bis zum Aufkommen von E-Autos und der Digitalisierung hätten Mercedes und Co. ein weltweites Monopol auf hochpreisige Limousinen gehabt. Doch dann habe der Tesla als „ein Smartphone auf vier Rädern“ neue Maßstäbe gesetzt. Im Ausland habe man auf diesen Wandel reagiert, in Wolfsburg und Stuttgart nicht. „Die Beschäftigten bei VW sollen sich mit einem Lohnverzicht zufriedengeben, da ihre Arbeitsplätze sonst ins billigere Ausland verlagert werden“, sagte Schmitt. Die Arbeiter*innen in den reichen Industrienationen werden so etwas ärmer, während die Menschen in ärmeren Ländern etwas wohlhabender würden. So entstünden beispielsweise in China unglaublich viele neue Jobs in der Automobilbranche.

Arbeit oder Bitcoin?

„An der Rede Christian Linderns (FDP) im Bundestag zu Bitcoin und Krypto-Währung merkt man, dass selbst die Liberalen nicht mehr an einen breiten wirtschaftlichen Aufstieg in Deutschland glauben“, wandte sich Nymoen der Zukunft zu. Reich könne man also nicht mehr durch Arbeit, sondern eher noch über Krypto-Scams werden, lautete die digitalkapitalistische Agenda der Wirtschaftsliberalen.

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