Klimakrise und ziviler Ungehorsam

19. Oktober 2024  Politik
Geschrieben von Kreisverband


Demonstration des Grünen Fingers von Ende Gelände vom Bahnhof zurück zum Camp im Anschluss an eine Blockadeaktion in Wilhelmshaven, 13.8.2022. (Leonhard Lenz, CC0)

Die unterschiedlichen Sichtweisen auf zivilen Ungehorsam erläuterte der Soziologe Armin Pfahl-Traughber. Dabei ging er auch auf die antikapitalistisch ausgerichtete Gruppe Ende Gelände ein. Der Vortrag wurde von der Stiftung Demokratie Saarland organisiert.

Agrar-Subventionen oder Klima

Die unterschiedliche Sichtweise auf sogenannten „Zivilen Ungehorsam“ machte Armin Pfahl-Traughber anhand der medialen Berichterstattung in den Medien deutlich. Jugendliche blockierten Straßen, um mehr Klimaschutz einzufordern und wurden in eine Ecke mit Terrorist*innen gestellt, während die Politik in Bauern, die mit Traktor-Blockaden für die Beibehaltung ihrer Subventionen eintrat, ein berechtigtes Anliegen sah. Bedeutsam sei seiner Meinung nach das Spannungsverhältnis zwischen dem Individuum, das den Rechtsstaat akzeptiert, aber aus moralischen Gründen Gesetze übertritt.

Umdenken bewirken

Unter zivilem Ungehorsam verstand der Politikwissenschaftler das appellierende gewaltfreie Handeln gegen die herrschende Politik. Durch den öffentlichen Protest, der einen Rechtsbruch darstellt, soll bei Politiker*innen ein Umdenken angestoßen werden. Als Begründer wird der US-Amerikaner Henry David Thoreau gesehen, der in den 1840er Jahren aus Protest gegen die Sklaverei keine Steuern mehr zahlte und deshalb ins Gefängnis kam. „Besser als diese individualistische Einzeltat wäre das Organisieren von Gleichgesinnten mit Verweis auf die Amerikanische Verfassung“, kritisierte Pfahl-Traughber.

Widerstand oder Ungehorsam

Wichtig sei die Unterscheidung von Legalität, also dem Befolgen von Gesetzen, auf der einen Seite. Dem gegenüber stünde die Legitimität, die persönliche moralische Anerkennung einer Gesetzgebung. Dabei braucht es dem Forscher für zivilen Ungehorsam zufolge einen demokratischen Rechtsstaat. „Mahatma Gandhis Salzmarsch war gewaltfreier Widerstand und kein ziviler Ungehorsam“, bilanzierte er. Der Grund: Das Britische Empire gründete sich in Indien auf seine militärische Kolonialmacht und war nicht durch demokratische Wahlen der indischen Bevölkerung legitimiert. Im Gegensatz dazu agierte Martin Luther King in den Vereinigten Staaten, einem demokratischen Verfassungsstaat.

Alle Gesetze sind gut

Pfahl-Traughber unterschied vier verschiedene Sichtweisen zu zivilem Ungehorsam. Die negierende Auffassung, der manche konservativ-liberale Denker*innen anhingen, sieht alle Gesetze in einer Demokratie als legitim an. Ihr zufolge stünden Rechtsbrecher*innen außerhalb des demokratischen Aushandlungsprozesses. Die legalisierende Perspektive will zivilen Ungehorsam rechtlich verankern, da es dadurch zu einer notwendigen Erneuerung der Demokratie käme.

Strafrecht akzeptieren

Der konstitutionelle Blickwinkel sieht ein bestimmtes politisches Problem in Konflikt zu den Verfassungswerten. Um darauf aufmerksam zu machen, brächen Personen einzelne Gesetze, wobei sie die strafrechtlichen Folgen akzeptierten, weil die rechtsstaatliche Ordnung anerkannt sei. Gruppierungen, die diese Sichtweise vertreten, sind Fridays for Future und große Teile der Letzten Generation. Auch unter Mitgliedern von Extinction Rebellion sei diese Auffassung weit verbreitet.

Basisdemokratisch und antikapitalistisch

Zuletzt bestünde die Möglichkeit, mit zivilem Ungehorsam als einem transformativem Prozess, das kapitalistische System zu überwinden. Einer der philosophischen Vordenker war Herbert Marcuse. Als Klimaschutzgruppe ist hier Ende Gelände zu nennen, der ein früherer Referatsleiter des Bundesamts für Verfassungsschutz sehr skeptisch gegenübersteht. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Verfassung nicht kapitalistische Profite schützt, sondern Grundrechte. Ende Gelände versteht sich als basisdemokratisch organisierte, antikapitalistische, antifaschistische, feministische und antikoloniale Gruppe. Das könne man laut Sprecherin Jule Fink als linksradikal bezeichnen.

Kapitalismus und Klimawandel

Vom Verfassungsschutz wird Ende Gelände hingegen als linksextremer Verdachtsfall gesehen. Die Position, dass der Kapitalismus den Klimawandel antreibt, ist außerdem Teil vieler wissenschaftlicher Befunde und Analysen. Dass Klimagerechtigkeit im Kapitalismus nicht möglich ist, hat der Club of Rome schon in den 80ern festgestellt.

Auf Zerstörung hinweisen

Die Aktionen von Ende Gelände sind besonnen und richten sich gezielt gegen Orte der Zerstörung wie Braunkohletagebaue oder Kraftwerke, um diese als solche überhaupt sichtbar zu machen. Sie sind wichtige Signale, die aufrütteln und auf die Profiteure der fossilen Industrie hinweisen.

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