
Mit Erbschaftsteuer, Vermögensabgabe und Grunderbe gegen Ungleichheit und eine auseinanderdriftende Gesellschaft anzukämpfen, fordert Martyna Linartas in ihrem Buch „Unverdiente Ungleichheit“. Sie präsentierte es nun im Rahmen einer Buchvorstellung bei der Veranstaltung „Linksbündig“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Deutsche Erbengesellschaft
Der Ökonom Thomas Piketty spricht von einer „Erbengesellschaft“ und meint damit, dass bei sehr hoher Vermögensungleichheit die Vermögen in reichen Familien von Generation zu Generation weitergeben werden. Vor rund 100 Jahren lag der Anteil von Erbschaften und Schenkungen bei 50 Prozent. In der Weimarer Republik und der jungen Bundesrepublik wurde politisch gegengesteuert – jetzt sei man in Deutschland jedoch wieder auf diesem Niveau, erläuterte Martyna Linartas. „Trotzdem glauben drei von vier Deutschen, wir leben in einer Leistungsgesellschaft“, sprach sie eine verzerrte Wahrnehmung an.
Gesellschaft ohne Solidarität
Dadurch werde Ungleichheit individualisiert und von den strukturellen Ursachen abgelenkt. „Nach dieser Lesart sind nur Fleiß, nicht das Einkommen der Eltern, das eigene Geschlecht oder die Hautfarbe für Reichtum ausschlaggebend“, erklärte die Politikwissenschaftlerin. Dieses Denken zerstöre jedoch die Solidarität in einer Gesellschaft, da „jeder seines Glückes Schmied“ sei – Alleinerziehende und Menschen mit Migrationsgeschichte hätten sich also einfach nur ein bisschen mehr anstrengen können. „Dabei wissen wir, wie Ungleichheit reduziert werden kann – durch Vermögen- und Erbschaftsteuern“, betonte sie.
Erbschaftssteuer bei 90 Prozent
Vom Zentrumspolitiker Matthias Erzberger stamme der Satz, ein guter Finanzminister sei der beste Sozialisierungsminister. Deshalb müssten Erbschaften hoch und progressiv besteuert werden, damit es in der jungen Weimarer Republik nicht mehr entscheidend sei, in welche Familie man hineingeboren sei, erklärte der Finanzminister seine demokratische Überzeugung. So lag die Erbschaftssteuer bei 90 Prozent und musste von allen Reichen entrichtet werden – ganz im Gegensatz zur Bundesrepublik heute.
Der bedürftige Milliardär
Das bekannteste Beispiel ist Matthias Döpfner, CEO von Axel Springer. Er profitierte, nachdem er eine Schenkung von einer Milliarde Euro erhalten hatte, von der 2016 eingeführten Verschonungsbedarfsprüfung. Statt wegen des 50-prozentigen Steuersatzes 500 Millionen Euro Steuern zu zahlen, entrichtete er keinen einzigen Cent, weil er als „bedürftig“ galt. Zu dem Zeitpunkt hatte Döpfner sein geschätztes Vermögen von 470 Millionen Euro in Aktien des Springer-Konzerns angelegt. Da er dies als „Betriebsvermögen“ deklarierte, bekam das Finanzamt trotz der Milliarden-Schenkung keinen Cent Steuern.
Vermögensteuer bei 7 Prozent?
Zwar waren sich 80 Prozent der von Linartas interviewten Manager*innen einig, dass soziale Ungleichheit ein Problem sei. Doch statt für eine, wie von ihnen behauptet, angeblich wirtschaftswachstumsschädliche Besteuerung von Vermögen plädierten sie für mehr Ausgaben in der Bildung. Dabei führt nicht das deutsche Schulsystem, sondern der sozioökonomische Status der Eltern zum Erfolg. Vermögen wachsen hingegen im Durchschnitt um 7 Prozent im Jahr. „Soll das immer weitere Ansteigen von Vermögen verhindert werden, muss die Steuer also mindestens 7 Prozent betragen“, erklärte sie. Jedoch diskutiere man nicht einmal über 1 Prozent.
Vermögensabgabe und Spitzensteuersatz
Die Wissenschaftlerin setzt auf Vermögensteuer, eine starke Erbschaftssteuer – äquivalent zur Einkommensteuer – und einer Vermögensabgabe. So hatte das Lastenausgleichsgesetz von 1952 unter Konrad Adenauer (CDU) eine Abgabe von 50 Prozent auf Vermögen festgelegt, die innerhalb von 30 Jahren abzuzahlen war. „Nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Spitzensteuersatz bei Einkommen bei 95 Prozent“, rief sie in Erinnerung. Stattdessen wurde die Mehrwertsteuer – die besonders Geringverdienende belastet – deutlich gesenkt. „Überreiche Multimillionär*innen und Milliardär*innen bekommen kein Einkommen aus ihrer Lohnarbeit“, stellte Linartas fest. Deshalb seien sie von der Einkommensteuer gar nicht betroffen. Gleichzeitig profitierten sie von der Infrastruktur des Wirtschaftsstandorts Deutschland, ohne dafür etwas finanziell beizutragen.
Grunderbe gegen Ungleichheit
Was tun gegen die Ungleichheit? Schon Thomas Paine, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, hatte sich für ein Grunderbe eingesetzt. Denn seiner Auffassung nach seien Vermögen etwas gesamtgesellschaftliches. In „Ungleichheit. Was wir dagegen tun können“ beschrieb Anthony Atkinson 2018 15 Maßnahmen zu deren Reduzierung – darunter das Grunderbe. Auch deutsche Wissenschaftler*innen kamen zu dem Ergebnis, dass mit solch einem Erbe der Vermögensaufbau auch für Ärmere möglich gemacht werden könne. „Bisherige Instrumente wie Bildung oder eine progressive Besteuerung haben schließlich nichts bewirkt“, bilanzierte Linartas nüchtern. Je nach Modell würden junge Menschen bis 25 Jahren Beiträge von 20.000 bis 190.000 Euro erhalten, Das könne Startchancen eröffnen und die Vermögensungleichheit signifikant verändern.
Weiterführende Links:
- RLS (15.4.2025): Unverdiente Ungleichheit. Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann – https://www.youtube.com/watch?v=jmlF9Fhma6k
- Die Linke SC-RH (11.2.2025): Armutszeugnis. Mit Fakten für gerechte Steuern – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/armutszeugnis-mit-fakten-fuer-gerechte-steuern/
- Die Linke SC-RH (7.2.2025): Armutszeugnis. Steuerpolitik für Reiche – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/armutszeugnis-steuerpolitik-fuer-reiche/
- Die Linke SC-RH (13.9.2023): Thomas Piketty. Ungleichheit im Kapitalismus – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/wirtschaft/thomas-piketty-ungleichheit-im-kapitalismus/