
Eine staatliche Regulierung der Automobil-Industrie, die sozial-ökologische Transformation zu grüner Produktion und echte Demokratie in den Betrieben sind laut Hans-Jürgen Urban Kernelemente zur Lösung der Klimakrise. Unter dem Titel „Die Polykrise stellt uns vor ganz neue Herausforderungen“ sprach er im Podcast „Was tun?“
Umbrüche und Krisen
Für Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG-Metall, befinden wir uns in einer Polykrise. „Die Krisen durchdringen sich wechselseitig, so dass die Lösung der einen Krise zur Verschärfung der anderen führen kann“, erläuterte er. Einerseits sorgten Globalisierung, Digitalisierung und der demografische Wandel zu gesellschaftlichen Umbrüchen. Doch würden diese von extremen Schocks wie der Finanzkrise 2007, der Corona-Pandemie und den geopolitischen Kriegen der Gegenwart begleitet.
Zuspitzung der Klassenauseinandersetzung
In der Automobil- und Stahlindustrie sei die Dekarbonisierung, also statt bisheriger Verbrenner-Motoren der Bau von E-Autos, durchaus Thema. „Zeitgleich gibt es zugespitzte Klassenauseinandersetzungen“, erklärte der promovierte Soziologe. Denn die Überlegungen des VW-Managements, mehrere Werke zu schließen, bedeuteten in diesem Sinne die Aufkündigung der Sozialpartnerschaft. Doch verschränkten sich die Auseinandersetzungen der Beschäftigten mit den Unternehmensvorständ*innen zugleich mit der ökologischen Krise. „Die deutsche Automobilindustrie hat Antriebe jenseits des Verbrenners viel zu spät auf die Agenda gesetzt“, lautete Urbans Fazit.
Weniger Autos und grüner Stahl
Schon Anfang der 90er Jahre hatte die IG Metall das Konzept „Auto, Umwelt und Verkehr“ entwickelt, das den heutigen Anforderungen sehr nahe komme. Doch seien E-Autos nicht „die“, sondern nur Teil einer Lösung, betonte er. So brauche es vor allem Mobilitätskonzepte, die Verkehr vermeiden, indem er von der Straße auf die Schiene verlagert werde. Die dann verbliebenen Verkehrsträger müssten gut vernetzt und CO2-arm betrieben werden. „Der Ausbau des ÖPNV und des Güterverkehrs braucht ebenso Stahl wie neue Windkraftanlagen“, erläuterte Urban. Dies müsse mit „grüner“ Produktion geschehen.
Lohnabhängige und Klimabewegung
Allerdings müsse die Entwicklung, welche Branche wachse, demokratisiert und reguliert werden. „Nicht der freie Markt und die Profitrate dürfen entscheiden, sondern die Mehrheit“, plädierte er. Darum müsse auch die Automobilindustrie politisch reguliert werden. Möglichkeiten wären neue Produkte und eine Verringerung der Kapazitäten. Denn das Wachstum dürfe nur so organisiert werden, dass es die Natur nicht überfordere. „Die Lohnabhängigen sollten sich als Teil der ökologischen Bewegung zur Dekarbonisierung sehen, die diese Transformation jedoch sozial-ökologisch gestalten“, sagte Urban. Denn so könne wasserstoffbasierte Stahlproduktion auch in Deutschland möglich sein.
Klare Regeln für Unternehmen
Aufgabe der IG Metall sei es, sich für eine radikale CO2-Reduktion einzusetzen und gleichzeitig den Beschäftigten neue Perspektiven in der geänderten Arbeitswelt – etwa den Übergang in einen neuen Beruf – zu ermöglichen. „Öffentliche Subventionen dürfen nicht als Dividendenausschüttungen bei Aktionär*innen oder Boni-Zahlungen im Vorstand landen“, hielt Urban fest. Kriterium müsste stets die Standort- und Beschäftigungsgarantie sein. Auch sollten die Transformationspläne zur grünen Produktion mit den Betriebsräten ausgehandelt werden.
Demokratie im Betrieb
Da der Kapitalismus an seine planetaren Grenzen stößt, könnten die Gewerkschaften nicht mehr die Wertschöpfungsgewinne durch Verteilungskämpfe – etwa durch höhere Löhne oder Arbeitszeitverkürzung – umverteilen. „Wir müssen fragen: Wie findet ökonomische Wertschöpfung statt“, erklärte Urban. Neben der Demokratisierung der Wirtschaft brauche es auch Druck auf den Staat, damit dieser die notwendige Transformation finanziell gewährleiste. „In den Belegschaften gibt es enorme Ängste, ob man nach so einem Transformationsprozess noch seinen Arbeitsplatz hat“, führte er aus.
Mit Mitsprache gegen den Faschismus
Hier setzten rechtsautoritäre Kräfte an. So wurde beispielsweise der Slogan plakatiert „Mein Diesel würde AfD wählen“. Seiner Einschätzung nach breiteten sich rechte Deutungsmuster wie ein Ölteppich auch in den Betrieben immer weiter aus und würden größer. „Menschen, denen es gelungen ist, Einfluss auf die Verteilungsprozesse im Betrieb zu nehmen, weisen eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen autoritäre Deutungsmuster auf“, erläuterte Urban die aktuelle Studienlage. So wirke Demokratie in den Betrieben auch positiv in die gesamte Gesellschaft hinein.
Weiterführende Links:
- Was tun? (10.11.2024): Die Polykrise stellt uns vor ganz neue Herausforderungen – https://was-tun.podigee.io/54-ig-metall-mosaik-linke
- Die Linke SC-RH (7.4.2023): Verkehrswende. Kritik der E-Auto-Mobilität – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/verkehrswende-kritik-der-e-auto-mobilitaet/
- IG Metall (27.6.2023): Speed Matters. Weichen für die Mobilitätswende stellen – https://www.igmetall.de/download/20230627_IGM_Debattenpapier_zur_Mobilit_tswende_2023_4227a0d235410485d129c689f29244e5273a4001.pdf