
Christoph Butterwegge (links) gemeinsam mit Dietmar Bartsch, 2016 Vorsitzender der Linksfraktion (Die Linke/Uwe Steinert, CC BY 2.0)
Welche strukturellen Ursachen für Armut in Deutschland gibt es und was kann Politik dagegen tun? Christoph Butterwegge sprach bei der Stiftung Demokratie Saarland über eine „Umverteilung des Reichtums“.
Armut durch Hartz IV
Warum gibt es in Deutschland überhaupt so viel Armut – 16,8 Prozent der Bevölkerung sind von relativer Armut betroffen –, fragte Christoph Butterwegge. Ein Grund sei die Deregulierung des Arbeitsmarktes im Rahmen der Agenda 2010 von Gerhard Schröder (SPD). Dadurch kam es zu Lockerungen beim Kündigungsschutz, Erleichterung der Leiharbeit, die Barrieren für Honorar- und Werkverträge wurden gesenkt. Auch führte man prekäre Beschäftigungsverhältnisse wie Minijobs ein. „Die stellten sich vor allem für Frauen als reinste Armutsfalle heraus“, erklärte der Professor. Schlussendlich waren zeitweise bis zu 25 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor tätig.
Profite durch Niedriglohnsektor
Ebenso kam es zum Abbau des Sozialstaates, etwa die Teilprivatisierung der Altersvorsorge mit der Riester-Rente. Diese ab 2001 eingeleitete Maßnahme sah vor, dass der Staat nicht eingreifen müsse, wenn das Rentenniveau in der Folge von 53 Prozent auf 43 Prozent sank. Die Nachfolgeregierung unter Angela Merkel (CDU) und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) steuerten jedoch nach und stabilisierten sie bei 48 Prozent. Doch warum wurden Niedriglohnsektor und sinkende Renten angestrebt? „Die Erwerbsarmut der einen bedeuten hohe Gewinne für andere“, führte der Wissenschaftler aus.
Steuererleichterung für Reiche
Dies mache sich vor allem bei der Steuerpolitik bemerkbar, die frei nach dem Matthäus-Evangelium („Wer hat, dem wird gegeben und wer nichts hat, dem wird auch das noch genommen“) konzipiert sei. So wurden etwa die Börsenumsatz- und die Gewerbekapitalsteuer gänzlich abgeschafft sowie die Vermögenssteuer seit 1997 gar nicht mehr erhoben, obwohl sie im Artikel 106 des Grundgesetzes steht. „Der Spitzensteuersatz sank von 53 Prozent auf 43 Prozent, die Körperschaftssteuer liegt nur noch bei 25 Prozent“, zählte Butterwege weiter auf. Die Kapitalertragsteuer wurde von 53 Prozent auf 25 Prozent herabgesetzt. „Davon profitieren Menschen mit großen Einkommen und Vermögen“, fasste er zusammen. Die Mehrwertsteuer, die vor allem für Geringverdienende spürbar ist, wurde hingegen von 16 auf 19 Prozent erhöht.
Eine Versicherung für alle
Was müsste getan werden, um der Spaltung in Arm und Reich entgegenzuwirken? „Der Mindestlohn muss so erhöht werden, dass er Armut vermeidbar macht“, blickte Butterwegge nach Großbritannien. Auch müsse man die Tarifbindung, etwa durch verbindliche Flächentarife, stärken. „Leiharbeit gehört verboten und sachgrundlose Befristungen abgeschafft“, forderte er. Würden diese Maßnahmen umgesetzt, könnten die Menschen von ihrem Lohn auch leben. Ebenfalls brauche es eine solidarische Bürger*innenversicherung, in die Selbstständige, Beamt*innen und Abgeordnete einzahlten. Die aktuelle Beitragsbemessungsgrenze von 8.050 Euro im Monat, müsse aufgehoben werden, damit darüberliegende Einkommen auch ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend angemessen in die Sozialversicherung einzahlten.
Vermögensabgabe durchsetzen
„Ein starker Sozialstaat kann Armut besser verhindern“, stellte der Politikwissenschaftler fest. Ebenso brauche es aber auch eine gerechte Steuerpolitik. Notwendig sei, den Solidaritätszuschlag von der Finanzierung der Wiedervereinigung zu einem Krisen-Soli umzuwandeln und die Abgaben zu verdoppeln. Zahlen müssten nur Menschen, die mehr als 10.000 Euro im Monat verdienten. 1952 hatte eine CDU-FDP-Regierung mit dem Lastenausgleichsgesetz eine Abgabe von 50 Prozent auf alle Vermögen beschlossen, die innerhalb von 30 Jahren abzuzahlen war. „Heute könnte die Bundesregierung eine Vermögensabgabe von 10 Prozent einführen die innerhalb von 5 Jahren zu zahlen ist“, sagte er mit Blick auf Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD). Neben der Erhebung höherer Steuern für Wohlhabende müssten auch Subventionen beim Agrardiesel oder die Pendler*innenpauschale abgeschafft werden.
Weiterführende Links:
- Stiftung Demokratie Saarland (1.4.2025): Umverteilung des Reichtums – https://www.youtube.com/watch?v=wyEAdtJWujE
- Die Linke SC-RH (28.4.2025): „Mittelschicht-Mythos“ und Armut – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/mittelschicht-mythos-und-armut/
- Die Linke SC-RH (29.9.2023): Vermögenskonzentration in Deutschland besorgniserregend – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/vermoegenskonzentration-in-deutschland-besorgniserregend/