
Die Gefahren von sozialer Ungleichheit für die Demokratie und die individuellen Auswirkungen auf Alleinerziehende und in Ostdeutschland lebende Menschen waren Thema in Martyna Linartas‘ Buch „Unverdiente Ungleichheit“. Dies wurde im Rahmen der Buchvorstellung „Linksbündig“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung präsentiert.
12 Millionen Euro heißt „Mittelschicht“
„Friedrich Merz hat erklärt, Teil der oberen Mittelschicht zu sein“, erinnerte Martyna Linartas an Aussagen des künftigen Bundeskanzlers (CDU). Als Aufsichtsrat beim deutschen BlackRock-Ableger konnte er durch das US-Vermögensverwaltungsunternehmen ein eigenes Vermögen von 12 Millionen Euro aufbauen und sich so unter anderem ein Privatflugzeug zulegen. 2018 hatte er festgestellt, nicht zur Oberschicht zu gehören. „Dieses Phänomen der maßlosen Fehleinschätzung scheint weit verbreitet zu sein“, erweiterte sie den Fokus. Sowohl Reiche als auch Menschen in Armut gingen davon aus, selbst finanziell zur „Mitte“ zu gehören.
Keine Verteilungsdebatte
Im Umkehrschluss brauche es somit keine Politik der Umverteilung, damit das untere und obere Ende einander wieder näherkämen. „Das ist der ,Vorteil‘, wenn die Menschen nicht um die extreme Vermögensungleichheit und ihren Platz in der Gesellschaftspyramide wissen“, erläuterte die Politikwissenschaftlerin das System dahinter – so werde die Debatte gar nicht erst geführt. Für sie stelle die immer weiter anwachsende Ungleichheit jedoch eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar. Denn die damit einhergehende gesellschaftliche Spaltung führe bei Menschen in Armut und der Mitte zu einem Vertrauensverlust der politischen Institutionen. Vermögende hingegen steigerten ihren Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren.
Erben statt arbeiten
Vor allem die Steuerpolitik sei Ausdruck dieser mächtigen Lobby. Denn während Arbeit und Leistung sich finanziell immer weniger lohnten, bauten die reichsten Dynastien Deutschlands ihre Vermögen immer weiter aus. „Die Vorstellung, dass Deutschland eine Leistungsgesellschaft ist, ist ein Märchen“, stellte Linartas klar. Denn über die Hälfte aller Vermögen entstünden nicht durch eigene Arbeit, sondern aufgrund von Erbschaft oder Schenkungen – Tendenz steigend. Bei Milliardenvermögen sei dies sogar mit 80 Prozent geradezu die Regel. Und je reicher Personen seien, desto mehr CO2 verursachten sie, sprach die Forscherin die ökologische Tragweite an. Somit ließen Überreiche das Pariser Klimaabkommen und das 1,5 Grad-Ziel unerreichbar werden.
Alleinerziehende sind armutsbetroffen
Die Hans-Böckler-Stiftung legte 2023 eine Studie vor, derzufolge Armut ein Risiko für die Demokratie darstelle. Denn das Gefühl, gesellschaftlich nicht anerkannt zu sein, gehe mit fehlendem Vertrauen in staatliche Institutionen einher. „Mehr als die Hälfte der Armutsbetroffenen hat nur wenig Vertrauen in Parteien und Politik“, sagte sie. Laut Statistischem Bundesamt sind Personen, die 60 Prozent des mittleren Einkommens verdienen, von Armut betroffen. Bei Alleinstehenden sind das 1.350 Euro im Monat, bei zwei Erwachsenen mit zwei Kindern 2.830 Euro. Fast zwei Drittel aller Armutsbetroffener sind Kinder, junge Menschen bis 25 Jahre, Rentner*innen und Alleinerziehende. Letztere stellten mit 43 Prozent die größte Gruppe dar. „Die Erziehung der Kinder macht einen Vollzeitjob geradezu unmöglich“, wies Linartas auf die strukturellen Probleme hin, von denen zu 80 Prozent Frauen betroffen seien.
Ungleichheit in Ost und West
Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Lebensverhältnisse in Ost und West äußerst ungleich. So verdienen Beschäftigte im Osten etwa 17 Prozent weniger. Liegt das Median-Vermögen im Westen bei 127.900 Euro, ist es im Osten nur ein Drittel davon, also 43.400 Euro. Auch seien in Ostdeutschland Erbschaften viel seltener und fielen deutlichen geringer aus (52.000 Euro) als im Westen (92.000 Euro). Ein Grund liegt in der „Treuhand“, die 1990 zur Eigentümerin von 8.000 Kombinat-Betrieben wurde. Diese wurden dann zerschlagen und privatisiert.
Westdeutsche Bereicherung
„85 Prozent des Volkseigentums der DDR wurde von Westdeutschen aufgekauft, 10 Prozent von internationalen Investor*innen, nur 5 Prozent verblieb in ostdeutschem Besitz“, verdeutlichte Linartas die Dimensionen. Deshalb bezeichnen Wissenschaftler*innen dies auch als die größte Vernichtung von Vermögen in Friedenszeiten. Die Konsequenz: 3 Millionen Ostdeutsche wurden arbeitslos. Allerdings gäbe es auch einen direkten Zusammenhang zwischen staatlicher Austeritätspolitik und dem Erstarken der AfD. „Eine nachhaltige solidarische Finanzpolitik könnte das beste Mittel gegen den politischen Rechtsextremismus sein“, zeigte sie eine Lösungsstrategie auf.
Weiterführende Links:
- RLS (15.4.2025): Unverdiente Ungleichheit. Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann – https://www.youtube.com/watch?v=jmlF9Fhma6k
- Die Linke SC-RH (12.2.2025): Überreiche zerstören die Demokratie – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/ueberreiche-zerstoeren-die-demokratie/
- Die Linke SC-RH (7.2.2025): Armutszeugnis. Steuerpolitik für Reiche – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/armutszeugnis-steuerpolitik-fuer-reiche/