
Die Klimakatastrophe konfrontiere uns mit enormen Verlusterfahrungen, die dem kapitalistischen Versprechen nach persönlichem Aufstieg und einer besseren Zukunft für alle zuwiderlaufen. Andreas Reckwitz erläuterte in der Sendung „Sternstunde Philosophie: Müssen wir Angst vor der Zukunft haben“ im Schweizer Rundfunk und Fernsehen, wie Populist*innen sich diese Situation zunutze machten.
Kein Zukunftsoptimismus
Der westliche Wachstumsimperativ ist stets davon ausgegangen, die Natur unendlich ausbeuten zu können. „Das stößt mit dem Klimawandel an eine Grenze, so dass die Lebensbedingungen durch Extremwetterereignisse nicht besser, sondern schlechter werden“, erläuterte Andreas Reckwitz. Und beschrieb damit einen fundamentalen Wandel der Moderne, die stets auf einem Fortschrittsglauben und einer positiven Zukunft basierte. Doch bei ihren Neujahrsansprachen für das Jahr 2025 verbreiteten europäische Staatsoberhäupter keinen Zukunftsoptimismus, sondern sprachen erlittene Verlusterfahrungen an.
Siegeszug des Neoliberalismus
Dee Beginn der Moderne mit ihren aufklärerischen Blick nach vorne sei in der Zeit um 1789 mit der Französischen Revolution anzusiedeln, erklärte der Soziologe. In den 1970ern markierte das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ sowie die Ölkrise 1973 die beginnende Erosion der vorherrschenden positiven Zukunftserwartung – und läuteten somit die Epoche der Spätmoderne ein. Allerdings führte der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 zu einem Wiedererstarken des liberalen Fortschrittsglaubens. „Die Globalisierung wurde als eine positive Kraft gesehen“, beschrieb Reckwitz die damalige Atmosphäre.
Die Zukunft als Katastrophe
Diese produzierte jedoch auch zahlreiche Modernisierungsverlierer*innen – etwa arbeitslos gewordene Stahlarbeiter*innen im US-amerikanischen „Rust Belt“ –, deren Protest und Empörung den heutigen Populismus hervorbrachten. „Neben den bereits erfahrenen Verlusten gibt es noch die Verluste, die für die Zukunft erwartet werden“, skizzierte er das wenig hoffnungsvolle Lebensgefühl. Die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn brachte dies mit dem Begriff „Zukunft als Katastrophe“ auf den Punkt. Die Auswirkungen des Klimawandels seien schließlich überall spürbar. „Die Klimaforschung hat schon lange fundiert belegt, dass es – wenn wir weiter so machen wie bisher – zur Katastrophe kommt“, hielt Reckwitz fest.
Wut und Rache
„Die Moderne ist stets davon ausgegangen, die Dinge zu gestalten und steuern“, sagte er. Mit den Verlusten aufgrund der Klimakatastrophe sei dieser Glaube jedoch ins Wanken geraten. An diesen Verlusterfahrungen, sei es im Beruflichen durch Arbeitslosigkeit oder dass das soziale Prestige durch Gleichberechtigung der Geschlechter „bedroht“ werde , setze Populismus an. „Donald Trump hat schon 2016 bei seiner ersten Amtszeit die USA als am Boden liegend und korrupt beschrieben“, nannte Reckwitz ein Beispiel. Das Versprechen laute: Früher war alles besser. „Zentrale Emotionen sind Wut und Rache“, ging er auf die Gefühle der Wähler*innen ein.
Gerechtigkeit für Arme
Um sich gegen künftige Verluste wappnen zu können, sei es wichtig, sich die verschiedenen Szenarien, die eintreten könnten, bewusst zu machen. „Wenn man sich eingesteht, als Gesellschaft verletzlich zu sein, kann man daraus eine Widerstandsfähigkeit entwickeln“, so die Hoffnung des Wissenschaftlers. So habe man zunehmend schwierigere Lebensbedingungen, allerdings litten nicht alle gleichermaßen unter ihnen, wies Reckwitz darauf hin, dass vor allem ärmere Einkommensgruppen von Klimafolgen und Strukturwandel betroffen seien. „Dem müsste man mit der Gerechtigkeitsfrage entgegentreten“, forderte er.
Weiterführende Links:
- SRF (13.1.2025): Müssen wir Angst vor der Zukunft haben – https://www.youtube.com/watch?v=-OAAlF1s_V4
- Die Linke SC-RH (17.12.2024): Konsumgesellschaft und Klimakollaps – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/politik/konsumgesellschaft-und-klimakollaps/
- Die Linke SC-RH (19.4.2023): Politik und Populismus – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/unkategoisiert/politik-und-populismus/