
Blick auf Galeria Kaufhof am Alexanderplatz in Berlin-Mitte. Mit 35.000 Quadratmetern Fläche ist es eines der größten Kaufhäuser Berlins. Die Filiale wurde 2025 geschlossen. (Wikimedia: Bahnfrend, CC BY-SA 4.0)
Braucht es Luxuswohnungen für Reiche oder sollten leerstehende Gebäude lieber mit Gesundheitseinrichtungen und gemeinschaftlichen Orten des Zusammenkommens gefüllt werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Diskussion „Shoppingmalls zu Sorgezentren!“, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert wurde.
Wohnen ist eine Klassenfrage
Laut einer Faustregel brauche jede moderne Stadt drei Gebäude – eine Kirche, ein Rathaus und ein Warenhaus. „Wir wollen diese kapitalistische Stadt jedoch verändern und in einen feministischen Ort der Sorge umbauen“, erklärte Katalin Gennburg. Denn eigentlich würde die Stadt – da es sich um einen sozialen Raum handele – von den dort lebenden Menschen und ihren Bedürfnissen gestaltet. Die Realität sei jedoch eine andere. „die Frage, wie der Raum in der Stadt verteilt ist, ist eine Klassenfrage“, stellte die Linken-Politikerin fest. Denn die Reichen, die sich Eigentum kauften oder es erbten, hätten die Verfügungsgewalt über den Raum. Die Arbeiter*innen hingegen, die kein Vermögen aufhäufen könnten, müssten sich mit ihrem Geld durchkämpfen und davon auch noch ihre Mieten bestreiten.
Investor*innen wollen Luxuswohnungen
In der Stadt gäbe es immer weniger kommunale Flächen, auf denen sozialer Wohnungsbau betrieben werden könne. Stattdessen bauten Investor*innen neue Hotels, obwohl deren Auslastung nur bei 60 Prozent liege. Eine Option seien leerstehende Shopping-Center. „Wenn die leerstehen, ist das weder sozial noch ökologisch“, erläuterte Gennburg, die auch im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. Als Galeria Kaufhof im Laufe der Corona-Pandemie in der Krise war, sollte der Österreicher René Benko mit dem mittlerweile insolventen Signa-Konzern Luxuswohnungen dort errichten. „Das ist meiner Meinung [nach] der falsche Weg“, erklärte sie.
Ärzt*innenpraxen statt Leerstand
Wichtig sei, solche Investitionsspiralen zu durchbrechen und notfalls Warenhäuser auch zu kommunalisieren. „Dann könnten dort Konsumgenossenschaften und somit auch wieder Versorgungsstrukturen für die Menschen geschaffen werden“, erklärte sie. Diese Orte, die an den besten Infrastrukturpunkten der Stadt lägen, könnten dann auch Räume des Zusammenkommens sowie der gegenseitigen Hilfe und Care-Arbeit eröffnen. „Im Parkcenter Treptow sollte ein medizinisches Versorgungszentrum untergebracht werden“, forderte Gennburg. Denn da 40 Hausärzt*innen-Sitze nicht besetzt seien, gäbe in der Gegend einen enormen Bedarf.
Ausbeutung in vielen Bereichen
Sorgearbeit stehe im Schatten der Lohnarbeit, obwohl die gesamte Gesellschaft auf den schlecht oder gar nicht bezahlten Tätigkeiten der Pflege-, Erziehungs- oder Hausarbeit aufbaue, erläuterte Sophie Dilg. Sie werde meist von Frauen* und People of Colour erledigt, so dass diese aufgrund von Geschlecht, Ethnizität und Migrationsstatus ausgebeutet würden. Staatliche Dienstleistungen wie Kitas, Schulen, Pflege- und medizinische Versorgung gerieten durch die verordnete Austeritätspolitik immer mehr unter Druck. „Gute Sorgearbeit ist auf Kindergärten, einen guten ÖPNV, bezahlbare Wohnungen und ein breites Unterstützungsnetzwerk angewiesen“, erklärte die Stadtplanerin. Fehlten diese Rahmenbedingungen, steige der Druck auf die privaten Haushalte.
Stadtplanung neu denken
Modelle wie Mehrgenerationen-Wohnen, gemeinschaftliche Wohnformen oder Co-Housing berücksichtigten Sorgearbeit durch kollektive Waschräume und Räume für Pflege oder Kinderbetreuung. „Das Konzept der ,Sorgenden Städte‘ will Sorge ins Zentrum unserer Gesellschaft und Nachbarschaft rücken“, wies sie auf einen weiteren Ansatz hin. In Barcelona sähe man Care-Arbeit etwa als zentralen Punkt der Wirtschaftspolitik und setze so den Fokus auf Bedürfnisse, Teilhabe und Klimaschutz. In so genannten Superblöcken mit bis zu 30.000 Menschen sind deshalb alle Einrichtungen fußläufig in nur fünf Minuten erreichbar. „Dort ist die ambulante Pflege neu strukturiert worden, aber auch Gemeinschaftsküchen und Sportangebote für pflegende Angehörige etabliert worden“, zählte Dilg mehrere Maßnahmen auf.
Weiterführende Links:
- RLS (19.12.2024): Shoppingmalls zu Sorgezentren! Eröffnungspanel – https://www.youtube.com/watch?v=4E22suP5u-c
- Die Linke SC-RH (10.11.2024): Wohnen wie im „Roten Wien“ – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/wohnen-wie-im-roten-wien/
- Die Linke SC-RH (12.3.2023): Sorgearbeit. Hilfe in selbstorganisierten Netzwerken – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/gesellschaft/sorgearbeit-hilfe-in-selbstorganisierten-netzwerken/