Alfred Sohn-Rethel: Faschismus und Sozialismus

02. März 2025  Theorie
Geschrieben von Kreisverband

Alfred Sohn-Rethel (Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Die Frage der Förderung des Nationalsozialismus durch die deutsche Industrie und die Betriebsübernahme seitens der Lohnabhängigen beschäftigte den Ökonom und Philosoph Alfred Sohn-Rethel. Die 45. Folge des Theorie-Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung widmete sich seinem Buch „Geistige und körperliche Arbeit“.

Marxismus als „Religion“

Der 1899 geborene Alfred Sohn-Rethel verbracht seine ersten Jahre in Frankreich, bis seine Eltern zurück nach Berlin zogen. Während sein Vater aus einer künstlerischen Malerfamilie stammte, kam seine Mutter aus der jüdisch-großbürgerlichen Familie der Oppenheimer und hatte so enge Beziehungen zu Industrie und Hochfinanz. Sohn-Rethel las die drei Bände des „Kapitals“, so dass der Marxismus zu seiner „Religion“ wurde. Er studierte Chemie und Biologie in Darmstadt sowie Soziologie, Philosophie und Geschichte in Heidelberg, wo er 1928 auch promovierte.

Industrie und Faschismus

Durch seine Tätigkeit beim „Mitteldeutschen Wirtschaftstag“ lernte er die positive Haltung der Industrie gegenüber dem aufkommenden Nationalsozialismus aus eigener Anschauung kennen. Diese verarbeitete er in seiner Faschismus-Theorie. Diese besagte, dass der Staat bei der Industrie unproduktive Waren wie Panzer und Artillerie in Auftrag gibt, die nur er selbst abnehmen könne und zu deren Einsatz ein imperialistischer Raubkrieg nötig sei. Durch diesen Krieg komme es jedoch zu einer massiven Form der Kapitalvernichtung, unter der sowohl der Staat als auch die Wirtschaft zu leiden haben.

Brite und Kommunist

Sohn-Rethel nahm Kontakt zur linkssozialistischen Widerstandsgruppe „Neu beginnen“ auf, emigrierte 1936 jedoch nach Großbritannien, 1947 nahm er die britische Staatsbürgerschaft an und trat der dortigen Kommunistischen Partei bei. 1970 wurde sein Buch „Geistige und körperliche Arbeit“ ins Deutsche übersetzt, 1978 erhielt er schließlich eine ordentliche Professur in Bremen, wo er 1990 auch starb. In dem Buch ging er der Frage nach einer marxistischen Erkenntnistheorie nach. Denn seiner Einschätzung nach hätte Marx über die Kritik der politischen Ökonomie hinaus gelangen sollen.

Privilegierter Vernunftsphilosoph

Sohn-Rethel zufolge müsse die Erkenntnistheorie unsere Denkformen aus der Warenform ableiten. So kritisierte er etwa Kant und seine „Reine Vernunft“, da dieser sich nicht auf die arbeitenden Menschen bezogen hätte. Denn das Nachdenken über vernünftige Begriffe komme nur den Wohlhabenden zuteil, die das Privileg der „geistigen Arbeit“ hätten.

Arbeit und Tausch

Er befürchtete, dass exakte Naturwissenschaften nicht zum Sozialismus, sondern in eine Technokratie führen könnten. Während nach Marx die Ware ihren Wert als Ausdruck menschlicher Arbeit gewinnt, sieht Sohn-Rethel statt der Arbeit den Tauschprozess als ausschlaggebend an. Dabei stehe das Geld als Garant für die allgemeine Austauschbarkeit. Hier unterscheidet er zwischen Produktions- und Aneignungsgesellschaften. Bei ersterer steht die Arbeit im Fokus, während bei der zweiten der Tausch bedeutsam ist.

Lenkung durch Arbeiter*innen

Er argumentiert, dass es durch wissenschaftliches Management zu besserer Organisation der Arbeit und somit mehr Vergesellschaftung, etwa der Fließbandarbeit bei Ford oder der Arbeitsteilung in der Fleischindustrie komme. In der Aneignungsgesellschaft werde die Produktion abstrakt-wissenschaftlich durch „geistige Arbeit“ gelenkt und so die „körperliche Arbeit“ der Lohnabhängigen kontrolliert. Wenn letztere mehr Wissen aufbauten, könnte es zur Zusammenlegung von Kopf und Hand und somit der Sozialisierung in den Betrieben kommen, lautete Sohn-Rethels Hoffnung.

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