
Selbstbefähigung, die eigene Lebenswelt zu verändern, statt Bevormundung durch faschistische oder stalinistische Ideologie, ist das Ziel einer marxistischen Theorie nach Bertolt Brecht. Die 48. Folge des Theorie-Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigte sich mit dessen „Buch der Wendungen“.
Flucht aus Deutschland
Der 1898 in Augsburg geborene Bertolt Brecht meldete sich als Kriegsfreiwilliger, wurde jedoch nicht eingezogen, so dass er 1917/18 sein Notabitur ablegte. In München begann er ein Medizinstudium, besuchte allerdings auch Seminare zur Gegenwartsliteratur. Seine Theateraufführungen wurden ab 1930 von den Nationalsozialisten gestört, kurz vor dem Reichstagsbrand im Februar 1933 floh er über Prag, Wien, Zürich und Paris, bis er fünf Jahre lang Exil in Dänemark erhält.
Kritik an der SED
Das Werk „Das Buch der Wendungen“ ist ein Text, der erst nach seinem Tod herausgegeben wurde, allerdings entstanden die 319 Einzelteile auf der Flucht. 1939 ging Brecht nach Schweden und von dort ein Jahr später nach Finnland, wo er 1941 ein Visum für die Vereinigten Staaten erhielt. 1948 kehrte er in die sowjetische Besatzungszone zurück und wurde 1951 mit dem Nationalpreis 1. Klasse der DDR ausgezeichnet. Nach dem 17. Juni 1953, als Streiks von Arbeiter*innen von sowjetischen Panzern niedergeschlagen wurden, forderte Brecht von der SED eine Veränderung der Produktionssphäre und setzte sich für eine große Aussprache mit den Arbeiter*innen ein. 1956 starb er in Ostberlin.
Marx, Lenin und Trotzki
Im „Buch der Wendungen“ lässt Brecht den Philosophen Ma-Ti in fernöstlicher Dialogform über die Werke von Marx, Lenin und Trotzki sprechen. So werden zentrale Probleme der marxistischen Theoriebildung thematisiert. Er zielt darauf ab, dass die Menschheit handlungsfähig ist und selbst die Geschichte verändern könne. Mit dem Buch will er eine auf Tugend und Sittlichkeit basierende Verhaltenslehre schaffen, wobei das Sittliche das sei, was den ausgebeuteten Klassen bei der Abschaffung der Klassen helfe. „Was passiert, wenn die Klassen gar nicht mehr existieren?“, lautet eine zentrale Frage.
Ausbeutung im Nationalsozialismus
Für Brecht ist die Freiheit des Einzelnen von entscheidender Bedeutung. Deshalb solle der Staat so eingerichtet sein, dass zwischen dem Nutzen des Einzelnen und der Allgemeinheit kein Unterschied bestehe. Die Freiheitsrechte der Person dürften nicht hinter den Gesellschaftsinteressen zurückstehen. Im Nationalsozialismus propagierte man hingegen „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“. Das bedeutete, dass Arbeiter*innen bescheiden sein mussten und keine höheren Löhne fordern sollten. Die unterdrückende Ausbeutung sollte einfach fortbestehen.
Bevormundung unter Stalin
Er will, dass der Einzelne sich zur Geltung bringe und öffentliche Diskussionen anstoße, wie die Gesellschaft sein solle. Dabei spricht Brecht vom „Egoismus der Allgemeinheit“. Die Sowjetunion unter Josef Stalin kritisiert er, da solche Diskurse der Einzelnen zu kurz kämen. Stattdessen würden Parteisekretäre von oben eingesetzt, um die Arbeiter*innen zu bevormunden. Im Gedicht „Die Lösung“ (1953) rät Brecht der mit der Bevölkerung unzufriedenen SED-Führung, sich einfach ein neues Volk zu wählen. Statt mit Militär gegen Arbeiter*innen vorzugehen, sollten seiner Ansicht nach die Menschen zum Eingreifen befähigt werden, um eine große Umwälzung herbeizuführen. Ziel ist eine Neuordnung der Gesellschaft im Sinne der Arbeiter*innen.
Weiterführende Links:
- RLS (2.4.2025): tl;dr #48: Bertolt Brecht: «Das Buch der Wendungen» – https://www.youtube.com/watch?v=tyM9QRyFqjQ
- Die Linke SC-RH (30.10.2023): Wer wählte Hitler? – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/wer-waehlte-hitler/
- Die Linke SC-RH (11.8.2923): VVN-BdA: Die frühen Konzentrationslager 1933/34 – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/vvn-bda-die-fruehen-konzentrationslager-1933-34/