Die Probleme, die mit Deutschlands Export-fokusierter Wirtschaft einhergehen, beleuchtet die 11. Folge des wirtschaftspolitischen Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). Andere Länder, etwa die USA und China, investieren hingegen Billionen in eine eigene nachhaltige Energieproduktion.
Konsum im Ausland
In Deutschland setzt man mit der Exportorientierung dezidiert auf den Außenhandel. Statt für den inländischen Binnenmarkt zu produzieren, liegt der Fokus auf dem Konsum im Ausland. „2022 betrug der Anteil der gesellschaftlichen Produktion, der exportiert wurde, über 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts“, erläuterte Eva Völpel. Mehr Güter würden lediglich von den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China in andere Länder verkauft. Das deutsche Exportmodell baue schließlich auf niedrigen Löhnen und Sozialabgaben auf, um auf dem Weltmarkt „konkurrenzfähig“ zu bleiben. Eine Orientierung am Konsum im Binnenmarkt würde hingegen mit höheren Löhnen einhergehen, um die deutsche Kaufkraft der Waren zu stärken.
Deutsche Profite durch Schulden
Da die Produkte jedoch von ausländischen Staaten gekauft würden, habe dies zur Folge, dass sich zahlreiche Länder massiv verschulden müssen, um die Waren von Mercedes, Siemens & Co. bezahlen zu können. Doch auch hier profitiert die Bundesrepublik gleich zweimal. Denn die so benötigten Kredite werden ebenfalls zu großen Teilen von der vermögenden Klasse in Deutschland zur Verfügung gestellt, so dass diese bei der Rückzahlung auch die anfallenden Zinsen einstreichen können. „Wegen der profitablen Exporte sind die Investitionen der deutschen Unternehmen im eigenen Land jedoch zu gering“, warnte die RLS-Referentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik.
USA und China investieren
Gleichzeitig ist das Exportmodell sehr anfällig für globale Schwankungen, etwa beim Zusammenbruch der Lieferketten durch die Corona-Lockdowns oder dem Fehlen von billigem russischen Öl und und Gas nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine. Auch geopolitische Konkurrenzen und damit einhergehende Zölle in den Abnahmeländern machen die deutschen Produkte teurer. „Sowohl die USA als auch China setzen viel mehr Staatshilfen beim Ausbau grüner Technologien ein“, erläuterte Völpel. Dies sei besonders in der E-Auto-Produktion, bei der Herstellung von Batteriezellen oder Photovoltaik der Fall. So ist die Volksrepublik in vielen Bereichen Exportweltmeister. Unter Joe Biden förderten die USA den Umbau zur dekarbonisierten Wirtschaft mit zwei Billionen Dollar, auch mit dem Inflation Reduction Act.
Milliarden für Aktionär*innen
Doch statt dieser globalen Entwicklungen ebenfalls mit einer staatlich gesteuerten Industriepolitik zu begegnen, antwortete man in Deutschland mit der Kritik am Verbrenner-Aus für 2035. Doch bräuchte die Automobilindustrie vielmehr einen demokratisch geplanten Umbau weg vom fossilen Individualverkehr hin zu nachhaltigen Formen des öffentlichen Nahverkehrs. Mittlerweile sind die Klagen der Auto-Industrie groß. Dennoch hatte der VW-Konzern von 2021 bis 2023 rund 22 Milliarden Euro an seine Aktionär*innen ausgeschüttet. Im Sommer 2024 wurden weitere 4,5 Milliarden Euro verteilt und im Herbst über Werkschließungen und Massenentlassungen gesprochen. „Die Hinwendung zum Binnenmarkt und den Bedürfnissen der Bevölkerung unter einer nachhaltigen Produktionsweise ist sinnvoller“, zog Völpel einen Vergleich zur Überproduktion von PKWs.
Die gewinngetriebene Inflation
Die an der University of Massachusetts lehrende Professorin für Volkswirtschaftslehre Isabella Weber forscht viel zum Inflationsgeschehen. So wies sie etwa nach, dass nach dem 24. Februar 2022 zahlreiche Unternehmen ihre Preise erhöhten, auch wenn sie von den gestiegenen Energiekosten gar nicht selbst betroffen waren. „Es handelte sich also um eine gewinngetriebene Inflation, die zu einer Umverteilung von unten nach oben führte, hielt Völpel fest. Weber fordere einen wirtschaftspolitischen Katastrophenschutz, der etwa das Anlegen von Reserven für Lebensmittel und Energieträger miteinschließe. Damit – und mit strategisch eingesetzten Preiskontrollen – sollten Preisspitzen überwunden und sich somit Zeit für notwendige Gegenmaßnahmen verschafft werden.
Mietendeckel und Tarifbindung
Aufgabe der Politik sei es, die wirtschaftlichen Sorgen der Vielen ins Zentrum zu stellen und so deren Situation zu verbessern. Beispiele seien etwa die Einführung eines Mietendeckels. Auch müsse den Menschen bewusst werden, dass die Schuldenbremse und die damit verhinderten Zukunftsinvestitionen sowie die Inflation den Rechten in die Hände spiele. Um dem zu begegnen, will Die Linke etwa die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und Hygieneprodukte abschaffen und so Millionen Menschen entlasten. Wichtig ist auch der Ausbau der sozialen Daseinsfürsorge und Infrastruktur. Denn diese sozialen Dienstleistungen kämen wiederum der Allgemeinheit zugute. „Es braucht auch einen höheren Mindestlohn und eine flächendeckende Tarifbindung der Unternehmen“, ist sich Völpel sicher.
Weiterführende Links:
- RLS (13.12.2024): #11: Krisenpolitik im Wahlkampf: Was steckt hinter der Wirtschaftsschwäche? – https://www.youtube.com/watch?v=yfxhYHss1pw
- Die Linke SC-RH (1.5.2024): EU. Der neue Staatsinterventionismus – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/europa/eu-der-neue-staatsinterventionismus/
- Sablowski, Thomas (2023): Krise mit Folgen – https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/krise-mit-folgen/