Die Ökonomie der Befreiung

09. Januar 2025  Wirtschaft
Geschrieben von Kreisverband

Gemälde von Diego Rivera am Palacio Nacional in Mexico-Stadt (Wolfgang Sauber, CC BY-SA 3.0)

Die Mitbestimmung der Beschäftigten als Ausdruck wirtschaftlicher Freiheit ist eines der zentralen Vermächtnisse von Karl Marx. Ingar Solty sprach beim Jakobiner-Klub im Literaturforum im Brecht-Haus über den Denker der politischen Ökonomie, die Klimakrise und grünen Kapitalismus.

Freiheit bedeutet Mitbestimmung

Marx zufolge ist der Mensch nur so gut oder schlecht wie die ihn umgebenden Strukturen – und diese seien veränderbar, erläuterte Ingar Solty die Grundzüge des Marxismus. „Marx hat eine politische Ökonomie der Befreiung geschrieben“, erklärte der Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Denn Freiheit würde bedeuten, dass die Beschäftigten demokratisch mitbestimmen könnten, was produziert werde – ob hochpreisige Verbrennermotoren oder nachhaltige Transportmittel für alle. Doch stattdessen arbeiteten sie fremdbestimmt und seien die ersten, die bei einem Konjunkturabschwung ihren Arbeitsplatz verlören.

Wohlhabende weiße Männer

Der Sozialismus fuße auf der dialektischen Philosophie Hegels, der politischen Ökonomie aus England, Schottland und Frankreich sowie dem französischen Sozialismus, führte Solty aus. Marx trete dabei für die Freiheit des vierten Standes ein, der im auf das Bürgertum zentrierten Liberalismus keine Stimme habe. Denn dieser beschränke die bürgerlichen Freiheiten nur auf die besitzenden Klassen. „Frauen galten als nicht vernunftbegabt und Armen widersprach man, Interesse an der allgemeinen Politik zu haben“, nannte er zwei Beispiele für den Ausschluss breiter Bevölkerungsgruppen.

Die Macht der Arbeiter*innen

Die Vollbeschäftigungspolitik der Nachkriegszeit führte dazu, dass die Macht des Kapitals über die Beschäftigten in Form von drohender Arbeitslosigkeit zurückging. Auch beruhte der damals stark vertretende Antikapitalismus auf der Macht der Gewerkschaften im Westen , der Befreiungsbewegungen im globalen Süden sowie des Realsozialismus der Sowjetunion. Allerdings führten die gestiegenen Löhne Ende der 70er Jahre zu einer Profitklemme, so dass der Wohlfahrtstaat schließlich in den Neoliberalismus kippte.

Die Finanzmärkte blühen

1979 erhöhte der Vorsitzende des Federal Reserve Systems Paul Volcker den Leitzins um 20 Prozent, um die Inflation in den Vereinigten Staaten zu senken. Die Folge waren steigende Arbeitslosenzahlen von bis zu 15 Prozent sowie zahlreiche Streiks der Arbeiter*innen. „Seither fließen die Profite in die Finanzwelt ab, so dass die Anzahl und Intensität der Finanzkrisen von Mal zu Mal zunimmt“, schilderte Solty die Probleme des nun beginnenden Finanzkapitalismus. Von dieser Niederlage gegen den Neoliberalismus habe sich die sozialistische Bewegung bis heute noch nicht erholt.

Aktien, Immobilien, Kapital

Auch wenn Marx bestimmte Dinge, wie etwa die kapitalistische Landnahme – also die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheit oder Bildung – nicht sehen konnte, könne man mit seinem Ansatz auch unsere heutige Welt gut erklären. So leben in Deutschland rund 629.000 Menschen allein von ihren Aktiendividenden, Immobilien oder Kapitaleinkommen und gehen somit keiner geregelten Erwerbsarbeit nach. „Manager können mit ihrem Verhalten riesige Schäden anrichten und kommen damit oftmals davon – Angestellte werden wegen eines mitgenommenen Pfandbons entlassen“, kritisierte er fehlende Verhältnismäßigkeit.

„Grüner“ Kapitalismus zerstört

Die Klimakatastrophe sah Solty als das größte Marktversagen in der Geschichte des Kapitalismus. „Im Kapitalismus verdoppeln sich die produzierten Waren alle 25 Jahre“, verwies er auf das ständig wachsende System. So sei ein grüner Kapitalismus, der hier etwas energieeffizienter sei oder dort Emissionen einspare, bei diesem enormen Ressourcenverbrauch keine ernstzunehmende Lösung. Denn schließlich eröffne der grüne Kapitalismus auch neue Formen der Akkumulation – etwa im Bereich der E-Auto-Produktion oder Herstellung von Batteriespeichern. „Die Antwort müsste ein klarer Antikapitalismus sein“, kritisierte Solty die Wirtschaftsagenda der Grünen.

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