Vergesellschaftung möglich machen

25. April 2025  Wirtschaft
Geschrieben von Kreisverband

Sabine Nuss (links) und Eva Völpel (Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Vergesellschaftung und Gemeinwohlorientierung statt Konkurrenzdenken im Kapitalismus – die 15. Folge des Wirtschaftspodcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigte sich mit Alternativen jenseits der Marktwirtschaft.

Gesetz gibt Recht

Der Kampf um Vergesellschaftung blickt auf eine lange Geschichte zurück. Schon der Artikel 156 der 1919 beschlossenen Weimarer Reichsverfassung hielt fest: „Das Reich kann durch Gesetz in sinngemäßer Anwendung der für Enteignung geltenden Bestimmungen für die Vergesellschaftung geeignete private wirtschaftliche Unternehmungen in Gemeineigentum überführen.“ Ähnliches findet sich im Grundgesetz unter Artikel 15 wieder. Für die Bundesrepublik gilt: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“

Vergesellschaftung für Gemeinwohl

Dies hatten 1949 die Sozialdemokrat*innen hineinverhandelt, da sie die Wirtschaftsform jenseits der kapitalistischen Marktwirtschaft offenhalten wollten. Vergleichbare Artikel gab es in mehreren Landesverfassungen, etwa in Hessen oder dem Freistaat Bayern. Doch nirgends ist diese Gesetzgebung jemals angewandt worden. Das will jedoch die Mieter*innen-Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ ändern, die sich für die Vergesellschaftung börsennotierter Wohnungskonzerne einsetzt. Wird ein Unternehmen vergesellschaftet, darf es keine Gewinnmaximierung geben – Ziel muss die Gemeinnützigkeit sein.

Konservative enteignen

Im Gegensatz zu Vergesellschaftung sind Enteignungen hingegen Gang und Gäbe. Allein im Jahr 2023 gab es im von Reiner Haselhoff (CDU) geführten Sachsen-Anhalt 32 neue Enteignungsverfahren, davon wurden 18 abgeschlossen, 14 laufen noch. In Sachsen waren es unter Michael Kretschmer (CDU) insgesamt 28 Verfahren, davon 4 abgeschlossen. Sowohl in Sachsen als auch Sachsen-Anhalt sind es Autobahn- und Bundesstraßen-Projekte, die zu den Enteignungen führen.

Konkurrenz statt Kooperation

In der kapitalistischen Ökonomie entsteht Ungleichheit, wobei die Herrschaftsverhältnisse zwischen den Menschen auf sozialen Beziehungen beruhen. So stehen die Besitzer*innen verschiedener Unternehmen ebenso in Konkurrenz zueinander wie deren jeweilige Angestellte. Statt das Gemeinsam-Kooperative der Lohnabhängigen zu betonen, sehen Arbeiter*innen der Automobilindustrie in Deutschland chinesische Angestellte in der E-Mobilität als Konkurrent*innen. Für ein solidarisches Miteinander braucht es aber neue Beziehungen jenseits der kapitalistischen Verwertungslogik.

Echte Mitsprache nötig

Da die Mehrheit der Menschen keinen Zugang zu Produktionsmitteln hat, sind diese gezwungen, sich in eine untergeordnete Beziehung zu begeben, in der sie den Kapitalist*innen ohnmächtig ausgeliefert sind. Wichtig wäre jedoch eine Mitsprache der Angestellten im Betrieb hinsichtlich des Produktionszwecks. Denn von den hergestellten Güter sollten alle, nicht nur einige Unternehmer*innen und Aktionär*innen profitieren. Die Forderung nach Vergesellschaftung wurde jedoch von der „Sozialpartnerschaft“ zwischen Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften abgelöst. So haben die Mitarbeitenden ein bisschen Mitsprache bei ihrer eigenen Ausbeutung.

Schlüsselindustrie als Gemeineigentum

In ihrer Satzung bekennt sich die IG Metall immer noch zur Demokratisierung der Wirtschaft und Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum. Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Mitglied der IG Metall, macht sich besonders für Transformationsräte, bestehend aus Arbeiter*innen und der Zivilgesellschaft, stark, um so gemeinsam eine sozial-ökologische Wirtschaft zu entwickeln. Doch das Bürgerliche Gesetzbuch gibt Eigentümer*innen die „Freiheit“, ihr Eigentum ohne Rücksicht auf andere sogar zu zerstören. Das Bundesverfassungsgericht begründet das Recht auf Eigentum mit der erbrachten Arbeitsleistung.

Selbstbestimmt arbeiten

Allerdings erhalten Lohnabhängige nicht einmal ihre komplette Arbeitsleistung, da ein Teil davon als „Mehrwert“ in die Taschen der Kapitalist*innen fließt. Diese profitierten wiederum von leistungslosem Einkommen, etwa Spekulationsgewinne, Zinsen oder Erbschaften. Die Philosophin Catherine Colliot-Thélène sprach deshalb auch davon, dass der Liberalismus damit gegen die eigenen Grundsätze verstoße. Und Marx forderte mit Blick auf den Mehrwert der Kapitalist*innen: „Enteignet die Enteigner*innen!“ Allerdings sehen die meisten Menschen ihr wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis als ganz normal an. Ihnen hält der Rechtsanwalt Rupay Dahm mit seinem Buch „Selbstbestimmt arbeiten, Betriebe demokratisieren“ einen gesamtgesellschaftlichen Alternativ-Entwurf entgegen.

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