Wohlstand durch Wirtschaftswachstum?

25. Juli 2025  Wirtschaft
Geschrieben von Kreisverband

Sabine Nuss (links) und Eva Völpel (Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Die Kritik am rein quantitativ bemessenen Bruttoinlandsprodukt nimmt zu. Deshalb widmete die Rosa-Luxemburg-Stiftung die 17. Folge ihres Wirtschaftspodcasts diesem Thema. Die Folge steht unter dem Motto: Wachstumswahn – Im Bann des BIP.

BIP ist eine „Einbildung“

„Wir stehen einem bedeutungslosen Haufen gegenüber“, zitierte Sabine Nuss den österreichischen Ökonomen Josef Schumpeter, als dieser das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beschrieb – und auch gerne als „ein Produkt der Einbildung“ charakterisierte. Das BIP stellt den Wert aller hergestellter Waren und Dienstleistungen in einem Zeitraum – meist in drei Monaten bzw. einem Jahr – dar. Es betrug von Januar bis März 2025 in Deutschland 1.089 Milliarden Euro. Steigt das BIP, zeige das auch die Wachstumsrate der Wirtschaft an.

Keine qualitative Messung

Allerdings werden weder unbezahlte Arbeit im Haushalt und der Kindererziehung, noch die Rohstoffe, die der Natur entnommen werden, einberechnet. Umweltschäden und schlechte Arbeitsbedingungen werden ebenfalls nicht erfasst. „Auch sagt das BIP nichts darüber aus, wie der Reichtum verteilt ist“, kritisierte die frühere Geschäftsführerin des Karl Dietz Verlags. Und dennoch sei die BIP-Zahl Teil einer Technologie des Regierens. Je nachdem, wie diese Zahl sei, komme es zu Kursverlusten an der Börse oder der Herabstufung der Kreditwürdigkeit eines Landes. „Der Internationale Währungsfonds IWF kann auf dieser Grundlage Staaten vorschreiben, Sparmaßnahmen in Form von Sozialkürzungen vorzunehmen“, nannte Nuss eine weitere Konsequenz.

Ständiger Wachstumszwang

Und machte den Widerspruch zwischen Wirtschaftswachstum und menschlichen Bedürfnissen am Beispiel der Corona-Pandemie deutlich. Damals wurden in den Lockdowns zahlreiche Betriebe stillgelegt und das BIP sank drastisch – ebenso wie die klimaschädlichen CO2-Emissionen. Letztere wurden, wie sämtliche Umweltschäden durch das Wirtschaftssystem, jedoch nicht einbezogen. „Die kapitalistische Konkurrenzökonomie unterliegt einem ständigen Wachstumszwang“, erläuterte Nuss. Die daraus resultierende Überproduktion habe Krisen und einen enormen Raubbau an den natürlichen Ressourcen zur Folge. „Wenn man jetzt die Wirtschaft ankurbelt und das BIP steigert, soll die Verwertung des deutschen Kapitals besser funktionieren“, kommentierte sie die Pläne der Bundesregierung nach mehr Wettbewerbsfähigkeit. Dadurch nehme die Umweltschädigung und die Ausbeutung der Arbeiter*innen jedoch zu.

Stellenabbau und Steuererleichterung

Aufgrund des weltweiten Absatzrückgangs für deutsche Autos und Maschinen plane die Industrie, Stellen abzubauen. Die CDU spreche hingegen davon, dass die Beschäftigten länger arbeiten müssten. „Die längere Arbeitszeiten sollen die Produktionskosten senken und die Güter auf dem internationalen Markt günstiger machen“, beschrieb Nuss den Gedanken dahinter. Die Bundesregierung habe zwar Steuererleichterungen für Unternehmen beschlossen, doch müssen diese die „Einsparungen“ nicht zwangsläufig für Investitionen nutzen. „Auf dem Finanzmarkt angelegt, ist die Profitrate viel erfolgversprechender“, wies sie auf die höhere Gewinnmarge hin.

Bedürfnisse der Menschen

Das BIP hat seine Anfänge im Zweiten Weltkrieg. Denn bei Kriegsausbruch stellte der britische Ökonom John Maynhard Keynes die Frage, wie viel Geld der Staat für die Rüstungsausgaben sowie den privaten Konsum der Zivilgesellschaft zur Verfügung habe. Nach der Kapitulation der Wehrmacht führten die Alliierten dieses System der wirtschaftlichen Daten-Erfassung auch in Deutschland ein. Die Idee, mit diesen Kennzahlen das Wirtschaftswachstum zu beschreiben, kam hingegen erst in der Nachkriegszeit auf. Doch ist die absolute Fixierung auf dieses Wachstum sinnvoll? „Die Bedürfnisse der Menschen sind eine funktionierende Bahn, ausreichend Kita-Plätze und eine gute Altenpflege“, konterkarierte Nuss die aktuell vorherrschende Fokussierung auf sämtliches – auch klimaschädliches Wachstum.

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