Am Freitag zeigte die Rosa-Luxemburg-Stiftung im Uferpalast in Fürth den Film „Rote Räte“, der mit Originalaufnahmen von 1919 die Geschehnisse in München erläutert (Trailer: https://www.rote-räte.de/). Ebenso wurden die Rätebewegungen in Fürth, Nürnberg und Erlangen in den Fokus gestellt.
Dem Dokumentarfilm „Rote Räte“ liegen Zeitzeugenbefragungen zugrunde, die Klaus Stanjek 1979/80 mit damaligen Betroffenen führte, um Menschen eine Stimme zu geben, die sonst in Vergessenheit geraten wären. Wie Johann Haberl, der als Mitglied der Arbeiterwehr Krupp die bayerische Hauptstadt gegen anrückende Freikorps verteidigte oder der Buchbinder Josef Auerhammer. Er schloss sich im April 1919 der Roten Armee an und warf unter dem Kommando von Ernst Toller (USPD) die angreifenden „Weißen“ aus Dachau zurück. Auerhammer beschreibt das Verhalten Tollers nach dem Sieg: „Er ließ alle gefangenen genommenen Gegner frei. Für ihn zählte die Menschlichkeit“. Mit dieser Haltung folgte der Schriftsteller Toller dem ersten Ministerpräsident Bayerns. Kurt Eisner hatte fünf Monate zuvor in einer friedlichen Revolution die Wittelsbacher Monarchie gestürzt und den Freistaat Bayern ausgerufen.
Nach der Ermordung Eisners durch einen nationalistischen Offizier etablierte sich eine anarchistisch geprägte Räterepublik unter den Intellektuellen Erich Mühsam, Ernst Toller und Gustav Landauer. Unter dem Minister für Erziehung durften Lehrerinnen erstmals heiraten, der Kirche wurde die schulische Aufsichtspflicht entzogen und ein übernationaler Lehrplan im Geschichtsunterricht angestrebt. Damit wollte Landauer nationale Vorurteilen, wie etwa die „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich, den Boden entziehen und eine europäische Völkerverständigung vorbereiten.
Nach dem „Pfingstsonntagsputsch“ SPD-geführter Truppen rief die KPD eine kommunistische Räterepublik aus. München wurde von „weißen“ Truppen eingekesselt und von der Nahrungsmittelversorgung abgeschnitten. Am 1. Mai eroberten sie die Stadt. Hatte Toller gefangenen Feinden die Freiheit geschenkt, erschossen die konterrevolutionären Freikorps vermeintliche Kommunisten oder schlugen ihnen mit Gewehrkolben den Schädel ein. Mindestens 600 Menschen fielen dem reaktionären Blutrausch zum Opfer. Landauer wurde misshandelt und von Soldaten im Gefängnis Stadelheim ermordet.
Martina Fries vom Verein zur Förderung alternativer Medien in Erlangen ordnete die bayerische Räterepublik in einen fränkischen Kontext ein: „Am 7. April rief der Arbeiter- und Soldatenrat Fürth die Räterepublik aus und besetzte unter der Führung der USPD örtliche Banken“. In Nürnberg sprach sich lediglich die USPD für eine Räterepublik aus, sodass das Generalkommando unter Verhängung des Kriegszustandes und unter Androhung von Waffengewalt eine Ausrufung verhindern konnte. In Erlangen hingegen bewaffneten sich Studentenverbindungen, um zusammen mit dem Freikorp Epp am 23. April nach München zu ziehen. Dessen Führer, Franz Ritter von Epp, war von 1933 bis 1945 NSDAP-Reichsstatthalter in Bayern.
In Schwaben entstand in Augsburg eine kurzlebige Räterepublik, während in Unterfranken die Proklamationen in Aschaffenburg und Würzburg nach zwei Tagen beendet wurden.
Weiterführende Literatur
- Alterie, Riccardo: Der Pazifist Kurt Eisner. Hamburg 2015
- Bez, Ulrike: Dokumentarfilm „Es geht durch die Welt ein Geflüster“. 1989/99
- Stadtarchiv Würzburg: Revolution! Der Übergang von der Monarchie zur Republik im Raum Würzburg 1918/19. Würzburg 2019
- Toller, Ernst: Eine Jugend in Deutschland. Amsterdam 1933
- Weidermann, Volker: Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen. Köln 2017